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EU verhängt erstes Paket neuer Sanktionen gegen Russland in der Ukraine-Krise

24.02.2022

Hintergrund

Am späten Abend des 23. Februar 2022, nur wenige Stunden bevor der russische Präsident Putin der Ukraine effektiv den Krieg erklärte und im Rahmen einer Aktion, die möglicherweise nur der erste Schritt zu einer groß angelegten Invasion der Ukraine ist, Raketenangriffe im ganzen Land startete, verhängte die Europäische Union förmlich zusätzliche Maßnahmen und Sanktionen gegen Russland und bestimmte Personen. Die Maßnahmen, denen nach den jüngsten Aggressionen Russlands gegen die Ukraine und den damit verbundenen eindeutigen Verstößen gegen das Völkerrecht ohne jeden Zweifel weitere folgen werden, wurden bereits im Amtsblatt der EU veröffentlicht und sind mit sofortiger Wirkung in Kraft getreten.

Dieses erste Paket neuer Maßnahmen folgt auf den Beschluss Präsident Putins, die zwei nicht von der Regierung kontrollierten Gebiete Donezk und Luhansk in der Ostukraine als unabhängige Gebietseinheiten anzuerkennen und russische Truppen in diese Gebiete zu entsenden. Siehe dazu unsere Meldung hier. Unmittelbar nach Putins TV-Rede am Abend des 21. Februar 2022 veröffentlichten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel eine Erklärung, in der sie die Entscheidung des russischen Präsidenten auf das Schärfste als Verletzung der territorialen Unversehrtheit und Souveränität der Ukraine sowie der Minsker Vereinbarungen von 2014 und 2015 (einer Reihe internationaler Vereinbarungen zur Beendigung des Krieges in der ukrainischen Donbass-Region) verurteilten.

Wenige Stunden vor Putins TV-Rede am 21. Februar verhängte der Rat restriktive Maßnahmen gegen fünf weitere Personen (Mitglieder der russischen Staatsduma, die im September 2021 zu Vertretern der Halbinsel Krim und die Stadt Sewastopol gewählt wurden, sowie die Leiterin und den stellvertretenden Leiter der Wahlkommission von Sewastopol) wegen ihrer aktiven Unterstützung von Handlungen und politischen Maßnahmen, die die Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben (siehe Durchführungsverordnung (EU) 2022/236 und Beschluss 2022/241).

Die gerade beschlossenen neuen EU-Maßnahmen

Das verabschiedete Paket neuer EU-Sanktionen gegen Russland zielt ab auf (i) jene, die an Russlands Entscheidung beteiligt waren, die beiden ukrainischen Regionen Donezk und Luhansk offiziell als unabhängig anzuerkennen; (ii) Banken, die Russlands militärische und sonstige Aktivitäten in diesen Gebieten finanzieren; (iii) die Fähigkeit des russischen Staates und der russischen Regierung, Zugang zu den Kapital- und Finanzmärkten und -dienstleistungen der EU zu erhalten und (iv) hebt alle Vorteile auf, die die Regionen Donezk und Luhansk als integrale Bestandteile der Ukraine in ihren Handelsbeziehungen mit der EU genießen würden.

Konkret hat die EU mehrere Verordnungen erlassen, die folgende neue Maßnahmen vorsehen:

    • restriktive Maßnahmen (Einfrieren von Vermögenswerten, Verbot der Bereitstellung von Geldern und Reiseverbote) gegen alle 351 Mitglieder der russischen Staatsduma, die am 15. Februar für die Anerkennung der Unabhängigkeit der selbsternannten Republiken gestimmt haben;
    • restriktive Maßnahmen gegen 27 Personen und Einrichtungen (einschließlich Banken und Geschäftsleute) wegen ihrer Rolle bei der Untergrabung oder Bedrohung der territorialen Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine;
    • Einfuhrverbote für Waren aus den nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten in den Oblasten Donezk und Luhansk; Handels- und Investitionsbeschränkungen für bestimmte Wirtschaftsbereiche;
    • Verbot der Erbringung touristischer Dienstleistungen;
    • Ausfuhrverbote für bestimmte Güter und Technologien;
    • ein sektorales Verbot der Finanzierung der Russischen Föderation, ihrer Regierung und der Zentralbank.

Die Rechtsakte, in denen die Maßnahmen im Einzelnen aufgeführt sind, einschließlich der vollständigen Namen der mit Sanktionen belegten Personen, finden Sie hier in den entsprechenden Teilen des Amtsblatts der EU.

Was Unternehmen jetzt wissen und tun müssen

Sicherstellung einer klaren Kompetenzverteilung und Koordination im Unternehmen

Der Ausfuhrverantwortliche im Unternehmen sollte als zuständiges Mitglied der Geschäftsleitung das weitere Vorgehen zentral koordinieren. Es sollte sichergestellt werden, dass alle potenziell betroffenen Unternehmensbereiche koordiniert und einheitlich handeln. Je nach interner Unternehmensstruktur und der Art und Tiefe Ihrer Geschäftsbeziehungen mit Russland bzw. der Ukraine können die neuen Sanktionen für die Abteilungen Einkauf, Vertrieb, Ausfuhrkontrolle, Vertragsmanagement, allgemeine Compliance und Recht unmittelbar oder mittelbar relevant sein. Je klarer die Koordination und Aufgabenverteilung im Umgang mit den Herausforderungen durch die neuen Russland-Sanktionen sind, desto einfacher sollte es sein, das Risiko von Sanktionsverstößen so gering wie möglich zu halten.

Durchführung einer detaillierten Überprüfung aller Geschäftskontakte im Hinblick auf die neue Sanktionsverordnung

Wie oben ausgeführt, enthalten die neuen EU-Sanktionen Listen von Personen, Unternehmen und Institutionen, einschließlich Finanzinstituten, mit denen bis auf Weiteres jedwede Transaktionen und Geschäftsbeziehungen verboten sind. Es liegt in der Verantwortung jedes einzelnen Unternehmens, unverzüglich zu überprüfen, ob eine der aufgelisteten Personen oder Einrichtungen Teil seiner Geschäftsbeziehungen ist.

Idealerweise sollten alle Geschäftskontakte aus allen relevanten Unternehmensabteilungen einer sofortigen Überprüfung unterzogen werden. Bestenfalls sollte zu diesem Zweck eine aktuelle und leistungsfähige Screening-Software verwendet werden. Bei nicht zweifelsfrei geklärten Sachverhalten sollte professioneller Rat eingeholt werden. In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass auch indirekte Geschäfte mit Unternehmen oder Personen, die mit Sanktionen belegt sind, grundsätzlich verboten sind. Unternehmen müssen daher auch klären, ob ein Geschäftspartner beispielsweise Konzerngesellschaft einer gelisteten Muttergesellschaft ist oder von einer gelisteten natürlichen Person kontrolliert wird.

Einstellung aller relevanten Ausfuhren, Zahlungen und laufenden Vertragsverhandlungen

Wenn Sie auf der Grundlage einer gründlichen Überprüfung nicht mit Sicherheit ausschließen können, dass Ihr Russland/Ukraine-Geschäft von den neuen Sanktionen betroffen ist, sollten Sie Ausfuhrvorgänge und Zahlungen vorübergehend einstellen und keine neuen Verträge, Bestellungen oder Bestellbestätigungen unterzeichnen. Lassen Sie sich professionell beraten, um die Auswirkungen der Sanktionen auf Ihr Unternehmen umfassend zu beurteilen. Beachten Sie, dass ein Verstoß gegen Sanktionsregelungen eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit darstellen kann. Sowohl Unternehmen als auch die beteiligten Mitarbeiter, von der Geschäftsleitung bis zur Ausfuhrkontrollabteilung, können bei Verstößen mit empfindlichen Strafen belegt werden.

Manches Unternehmen hat sich möglicherweise durch weitreichende Sanktionsklauseln in seinen Handelsverträgen gegen die gegenwärtige Situation geschützt. Häufig sehen diese Klauseln ein Recht zur sofortigen Auflösung vertraglicher Bindungen vor, wenn Geschäfte gegen neue Sanktionsregelungen verstoßen würde. Unternehmen sind jedoch gut beraten, rechtlichen Rat einzuholen, bevor sie sich auf die entsprechenden Klauseln berufen, deren Rechtsgültigkeit und Durchsetzbarkeit in bestimmten Szenarien fraglich sein kann. Für den Fall, dass die betreffenden Verträge keine Sanktionsklauseln enthalten, empfehlen wir Unternehmen, frühzeitig rechtlichen Rat dazu einzuholen, wie sie sich gegen möglicherweise angedrohte Schadensersatzansprüche ihrer Geschäftspartner verteidigen und die tatsächlichen Risiken einschätzen können.

Abschließende Bemerkungen

Aus offensichtlichen Gründen ist die politische und rechtliche Situation rund um die Ukraine-Krise derzeit äußerst dynamisch. In einer am Morgen des 24. Februar 2022 veröffentlichten Presseerklärung verkündete EU-Ratspräsident Michel, dass er für den heutigen Tag eine außerordentliche Sitzung des Europäischen Rates einberufen habe, um die Krise und weitere restriktive Maßnahmen zu erörtern, die in enger Abstimmung mit den transatlantischen Partnern der EU aufgrund des russischen Handelns massive und schwerwiegende Konsequenzen für Russland haben würden. Er wies auch darauf hin, dass Kommissionspräsidentin von der Leyen ein weiteres Sanktionspaket vorstellen werde, das die Europäischen Kommission derzeit finalisiere und der Rat zügig verabschieden werde. Wir werden weiterhin alle neuen Entwicklungen aufmerksam verfolgen und darüber berichten.

 

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