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FüPoG II in Kraft: Verbindliche Geschlechterquote für den Vorstand und neue Regeln für die Festlegung der Zielgrößen

12.08.2021

Das Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Zweites Führungspositionengesetz, „FüPoG II“) ist heute nach der gestrigen Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft getreten und bringt folgende wesentliche Neuerungen mit sich:

  • Verbindliche Geschlechterquote für den Vorstand: Besteht der Vorstand eines börsennotierten und zugleich paritätisch mitbestimmten Unternehmens aus mehr als drei Mitgliedern, so muss er künftig mit mindestens einer Frau und mindestens einem Mann besetzt sein.

  • Begründungspflicht für die Zielgröße „Null“ und Verschärfung der Sanktionsmöglichkeiten bei Verletzung der Berichtspflichten: Die Festlegung der Zielgröße „Null“ für den Aufsichtsrat, den Vorstand und die beiden obersten Führungsebenen unterhalb des Vorstands muss fortan begründet werden. Das HGB sieht entsprechende Berichtspflichten vor. Die Sanktionsmöglichkeiten bei Verletzung von Berichtspflichten im Zusammenhang mit der Festlegung von Zielgrößen wurden ergänzt.

  • „Stay on Board“-Regelung: Die Möglichkeit einer „Auszeit“ für ein Mitglied des Leitungsorgans in den Fällen des Mutterschutzes, einer Elternzeit, der Pflege von Familienangehörigen und der Krankheit ist nun gesetzlich verankert (siehe hierzu unseren gesonderten Beitrag Stay on Board – Gesetzliche Regeln zur vorübergehenden Auszeit im Vorstand).

Verbindliche Geschlechterquote

Bei börsennotierten Gesellschaften, für die das Mitbestimmungsgesetz, das Montan-Mitbestimmungsgesetz oder das Mitbestimmungsergänzungsgesetz gilt, muss der Vorstand – sofern er aus mehr als drei Personen besteht – zukünftig mit mindestens einer Frau und mindestens einem Mann besetzt sein (§ 76 Abs. 3a Satz 1 AktG). Die Geschlechterquote für den Vorstand richtet sich damit an Aktiengesellschaften (AG), die nach (dem durch das FüPoG I geschaffenen) § 96 Abs. 2 AktG bereits bei der Besetzung des Aufsichtsrats eine verbindliche Geschlechterquote zu beachten haben und deren Vorstand aus mindestens vier Personen besteht. Wie im Rahmen des § 96 Abs. 2 AktG ist für die Anwendung die tatsächliche Mitbestimmung im Aufsichtsrat maßgebend (und erforderlich) – nicht dagegen das Soll-Statut. Die Regelung gilt zudem unabhängig davon, welche Zahl an Vorstandsmitgliedern die Satzung vorschreibt; sie stellt allein auf die Ist-Besetzung des Vorstands ab.

Die Geschlechterquote soll entsprechend bei der Besetzung des Vorstands bzw. der geschäftsführenden Direktoren/Direktorinnen börsennotierter Europäischer Aktiengesellschaften (SE) gelten, deren Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat aus derselben Zahl von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern/-vertreterinnen besteht (§§ 16 Abs. 2, 40 Abs. 1a SEAG).

Die Geschlechterquote für den Vorstand ist ab dem 1. August 2022 bei der Besetzung von Vorstandspositionen zu beachten. Bestehende Mandate können bis zu ihrem vorgesehenen Ende wahrgenommen werden.

Verbindliche Geschlechterquote für die KGaA bzw. ihre Komplementärgesellschaft?

Das FüPoG II nimmt keine Stellung dazu, ob die verbindliche Geschlechterquote des § 76 Abs. 3a Satz 1 AktG für das Geschäftsführungsorgan auch auf die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) bzw. ihre Komplementärgesellschaft als geborene Vertreterin der KGaA Anwendung findet. Auch den Gesetzgebungsmaterialien sind diesbezüglich keine Hinweise oder Klarstellungen zu entnehmen. Allein das Schweigen in der Gesetzesbegründung legt nahe, dass die verbindliche Geschlechterquote für die AG und die SE nicht auch für die KGaA gelten soll.

Die Diskussion zur Anwendbarkeit des durch das FüPoG I eingeführten § 111 Abs. 5 AktG auf die KGaA und ihre Komplementärgesellschaft unterstreicht diesen Befund. Nach § 111 Abs. 5 AktG legt der Aufsichtsrat von börsennotierten oder mitbestimmten Gesellschaften für den Frauenanteil im Vorstand Zielgrößen fest. Da der Aufsichtsrat der KGaA keine Personalkompetenz in Bezug auf die Geschäftsleitung der Komplementärgesellschaft hat, hat der Aufsichtsrat der KGaA nach Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum FüPoG I sowie nach umstrittener aber wohl herrschender Auffassung in der Literatur keine (flexible) Geschlechterquote in Bezug auf die Geschäftsleitung der Komplementärgesellschaft festzulegen. Eine Pflicht des Aufsichtsrats der (nicht börsennotierten und nicht mitbestimmten) Komplementärgesellschaft zur Festlegung einer Zielgröße für den Vorstand der Komplementärgesellschaft mit dem Ziel, dem Sinn und Zweck des § 111 Abs. 5 AktG mit Blick auf die börsennotierte oder mitbestimmte KGaA gerecht zu werden, wird ebenfalls überwiegend abgelehnt. Eine Zielgröße für den Vorstand der Komplementärgesellschaft wird demnach allenfalls freiwillig festgelegt.

Das Vorgesagte lässt sich entsprechend mit Blick auf die verbindliche Geschlechterquote für das Geschäftsführungsorgan und ihre Anwendbarkeit auf die KGaA bzw. ihre Komplementärgesellschaft anführen: Die KGaA selbst hat keinen Vorstand, auf den die Regelung des § 76 Abs. 3a Satz 1 AktG Anwendung findet. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung und mangels Personalkompetenz des Aufsichtsrats der KGaA für die Geschäftsleitung der Komplementärgesellschaft lässt sich die verbindliche Geschlechterquote auch nicht auf ihre Komplementärgesellschaft anwenden.

Rechtsfolgen bei Verstoß gegen die Vorgaben der verbindlichen Geschlechterquote

Die Bestellung eines Vorstandsmitglieds unter Verstoß gegen die Vorgaben der Geschlechterquote ist nichtig (§ 76 Abs. 3a Satz 2 AktG). Auch hier wird die Parallele zur Regelung des FüPoG I deutlich, wonach die Wahl bzw. Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds nichtig ist, wenn sie gegen die Vorgaben der Geschlechterquote für den Aufsichtsrat verstößt (§§ 96 Abs. 2 Satz 6, 250 Abs. 1 Nr. 5 AktG). Werden mehrere Vorstandsmitglieder gleichzeitig en bloc bestellt und führt dies dazu, dass die Zusammensetzung des Vorstands nicht den Vorgaben der Geschlechterquote entspricht, ist die en bloc-Bestellung insgesamt nichtig. Für die Praxis ist davon auszugehen, dass das Registergericht eine Bestellung, die (offenkundig) wegen des Verstoßes gegen die Vorgabe der Geschlechterquote nichtig ist, nicht in das Handelsregister eintragen wird.

Sonderregelungen für Gesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes und der Länder

An AGs mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes werden aufgrund ihrer besonderen Vorbildfunktion noch strengere Maßstäbe angelegt: Die Geschlechterquote für den Vorstand sowie die Geschlechterquote für den Aufsichtsrat sollen bei diesen Gesellschaften unabhängig von einer Börsennotierung und einer Geltung der Mitbestimmungsgesetze greifen (§ 393a Abs. 2 AktG). Die Geschlechterquote für den Vorstand gilt in diesen Fällen zudem bereits, wenn der Vorstand aus mehr als zwei Personen besteht. Entsprechendes gilt für eine SE oder GmbH mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes (§ 52a Abs. 2 SEAG, § 77a Abs. 2 und 3 GmbHG).

Die Länder können die Regelungen zur Geschlechterquote für Vorstand und Aufsichtsrat durch Landesgesetz zudem auf AGs, SEs bzw. GmbHs erstrecken, an denen eine Mehrheitsbeteiligungen eines Landes besteht (§ 393a Abs. 3 AktG; § 52a Abs. 5 SEAG; § 77a Abs. 4 GmbHG).

Begründungspflicht bei der Festlegung der Zielgröße „Null“ für den Frauenanteil in Führungspositionen

Eingeführt durch das FüPoG I hat bei Gesellschaften, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, der Aufsichtsrat für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und im Vorstand (§ 111 Abs. 5 AktG) und der Vorstand für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands (§ 76 Abs. 4 AktG) jeweils Zielgrößen festzulegen. Für GmbHs gilt eine vergleichbare Regelung (§§ 36, 52 Abs. 2 GmbHG). An dieser sog. flexiblen Geschlechterquote hält das FüPoG II weiter fest. Die Pflicht zur Zielgrößensetzung für den Vorstand entfällt künftig allerdings dann, wenn für den Vorstand bereits die verbindliche Geschlechterquote nach § 76 Abs. 3a Satz 1 AktG greift.

Ausweislich der Gesetzesbegründung wählten fast 70 Prozent aller Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der flexiblen Geschlechterquote fallen, für ihre Leitungs- bzw. Vorstandsebene bislang die Zielgröße „Null“. Die Festlegung der Zielgröße „Null“ für den Frauenanteil in Führungspositionen ist und bleibt nach dem FüPoG II grundsätzlich zulässig, sofern nicht schon ein höherer Frauenanteil erreicht worden ist. Sie muss fortan allerdings klar und verständlich sowie ausführlich begründet werden (§§ 76 Abs. 4, 111 Abs. 5 AktG, §§ 36, 52 Abs. 2 GmbHG):

  • Die Pflicht zur Begründung und anschließenden Offenlegung soll eine Überprüfung und Beurteilung durch die Öffentlichkeit ermöglichen und den öffentlichen Druck auf die betroffenen Unternehmen erhöhen. Die Begründungspflicht betrifft alle Gesellschaftsformen, die auch bislang schon vom FüPoG I erfasst wurden.

  • Auch wenn die Zielgröße „Null“ weiterhin zulässig bleibt, ist es die Intention des Gesetzgebers, den Frauenanteil in Führungspositionen zu steigern. Ein Frauenanteil von null Prozent soll daher die Ausnahme sein. Die Begründung der Zielgröße „Null“ muss diesem Ausnahmecharakter Rechnung tragen. Nach § 76 Abs. 4 Satz 4 AktG muss die Begründung ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung (der Zielgrößenfestsetzung auf „Null“) zugrunde liegen. Der Entscheidung für die Zielgröße „Null“ müssen daher umfassende und sorgfältige Erwägungen vorausgehen und zugrunde gelegt werden.

  • Die Begründung muss erkennen lassen, welche Umstände der Vorstand bzw. der Aufsichtsrat gewürdigt und wie er sie gewichtet hat. Der Detailgrad der Begründung kann im Einzelfall variieren. In jedem Fall aber muss die Begründung so ausführlich sein, dass sie als Grundlage der Angaben in der Erklärung zur Unternehmensführung eine gewissenhafte Entscheidung für die Öffentlichkeit plausibel macht. Eine Begründung von 100 bis 150 Wörtern soll nach der Gesetzesbegründung im Regelfall diesen Vorgaben genügen.

  • Um die inhaltliche Plausibilität und Überzeugungskraft der Begründung zu erhöhen, dürften Ausführungen zu Personalstruktur, Personalstrategie, Maßnahmen zur Personalgewinnung, Beteiligung von Personalvertretern/-vertreterinnen, insbesondere aus dem Bereich Gleichstellung, ebenso sinnvoll sein wie eine Einordnung der Zielgröße „Null“ in das Gesamtkonzept der Frauenförderung im Unternehmen. Entsprechende Angaben sind jedoch fakultativ und unterliegen nicht der Überprüfung durch die Ordnungsbehörde.

  • Die Begründung hat ausweislich der Gesetzesbegründung im gleichen Beschluss des Vorstands wie die Festlegung der Zielgröße zu erfolgen.

  • Für die Begründungspflicht ist keine Übergangsfrist vorgesehen; sie ist demnach bereits mit dem heutigen Inkrafttreten des FüPoG II zu beachten.

Prozentangabe des angestrebten Frauenanteils hat vollen Personenzahlen zu entsprechen

Die Zielgrößen müssen den angestrebten Frauenanteil an der jeweiligen Führungsebene beschreiben und bei Angaben in Prozent – wie in der Praxis üblich – umgerechnet vollen Personenzahlen entsprechen (§§ 76 Abs. 4 Satz 2, § 111 Abs. 5 Satz 2 AktG; §§ 36 Satz 2, 52 Abs. 2 Satz 3 GmbHG). Hierdurch soll einer Umgehung der Zielgröße „Null“ vorgebeugt werden, indem eine Prozentangabe größer Null festgelegt würde, die dennoch tatsächlich keine Frau als Führungskraft bedeuten würde. Mit dieser im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aufgenommenen Änderung ist die im Regierungsentwurf ursprünglich noch vorgesehene Verpflichtung, auch die angestrebte Anzahl weiblicher Führungskräfte anzugeben, entfallen.

Maßgebliche Bezugsgröße für die Umrechenbarkeit ist die Besetzung, wie sie im Zeitpunkt der Festlegung der Zielgröße für das Ende des Festlegungszeitraums angenommen wird. Eine zum Festlegungszeitpunkt zulässige Prozentangabe soll auch nicht nachträglich unzulässig werden, wenn sich die Besetzungszahl anders entwickelt als angenommen und die Prozentangabe am Ende des Festlegungszeitraums keiner vollen Personenzahl mehr entspricht.

Berichtspflichten in der Erklärung zur Unternehmensführung

In der Erklärung zur Unternehmensführung sollen Gesellschaften in Zukunft darüber berichten, ob sie die Vorgaben für die verbindliche Geschlechterquote für den Vorstand eingehalten haben und gegebenenfalls Gründe für die Nichteinhaltung angeben (§ 289f Abs. 2 Nr. 5a HGB bzw. § 289f Abs. 4 HGB). Ferner wird die (bereits bestehende) Berichtspflicht zu den flexiblen Zielgrößen für den Frauenanteil in Führungspositionen um die Begründung für die Festlegung der Zielgröße „Null“ erweitert (§ 289f Abs. 2 Nr. 4 HGB). Die erweiterten Berichtspflichten in der Erklärung zur Unternehmensführung sind erstmals auf Lage- und Konzernlageberichte bzw. Erklärungen zur Unternehmensführung für das nach dem 31. Dezember 2020 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden.

Fehlende Angaben zur verbindlichen Geschlechterquote für den Vorstand in der Erklärung zur Unternehmensführung können als Zuwiderhandlung gegen die Vorschrift des § 289f HGB mit einem Bußgeld sanktioniert werden. Zudem ist eine Klarstellung dahingehend erfolgt, dass durch die unterbliebene Festlegung von Zielgrößen und/oder Fristen für deren Erreichung bzw. die unterbliebene Begründung für die Zielgröße „Null“ eine Zuwiderhandlung gegen die Berichtspflicht nicht ausgeschlossen wird (§ 334 Abs. 1 Satz 2 und 3 HGB). Nach der Gesetzesbegründung soll die Berichtspflicht auch nicht dadurch erfüllt werden können, dass in der Erklärung zur Unternehmensführung über die pflichtwidrige Unterlassung wahrheitsgemäß berichtet wird.

Gesellschaften drohen bei der Verletzung von Berichtspflichten in der Erklärung zur Unternehmensführung Geldbußen von bis zu EUR 10 Mio. oder – sofern diese Beträge höher sind – in Höhe von bis zu 5 % des jährlichen Gesamtumsatzes, den die Kapitalgesellschaft in dem der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielt hat bzw. das Zweifache des aus der Ordnungswidrigkeit gezogenen wirtschaftlichen Vorteils; Mitgliedern des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats der Gesellschaft drohen Geldbußen von bis zu EUR 2 Mio. oder – sofern dieser Betrag höher ist – das Zweifache des aus der Ordnungswidrigkeit gezogenen wirtschaftlichen Vorteils.