Leasing
Neues BGH-Urteil zur Restwertberechnung bei Leasing-Fahrzeugschäden und EuGH-Klarstellung zum Widerrufsrecht bei Kilometerleasing
Der Bundesgerichtshof bestätigt seine bisherige Linie zur gewillkürten Prozessstandschaft in Leasingkonstellationen und definiert die Pflichten der Beteiligten zur Schadensermittlung neu. Hinsichtlich der Widerrufsrechte von Verbrauchern schafft der Gerichtshof der Europäischen Union Klarheit bei Kilometerleasingverträgen ohne Kaufverpflichtung.
Der schadensrechtliche Restwert beim Unfall mit dem Leasingfahrzeug
Am 02.07.2024 hat der Bundesgerichtshof ein Urteil (VI ZR 211/22) gefällt, das die Berechnung des Restwerts bei Kfz-Schäden eines Leasingfahrzeugs neu definiert.
Der sechste Zivilsenat hat sich in einer Entscheidung mit der Geltendmachung eines fremden Sachschadens in gewillkürter Prozessstandschaft beim Leasing beschäftigt. Dem Sachverhalt lag ein Verkehrsunfall mit Totalschaden des geleasten Pkw zugrunde. Die Haftung des Beklagten für den vollen Unfallschaden stand fest. Dennoch gab es zwei weitere zentrale Probleme.
Erstens stand die Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft in Frage. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass der Leasingnehmer zwar grundsätzlich sowohl eigene Ansprüche aus Verletzung des Besitzrechtes als auch Ansprüche des Leasinggebers in gewillkürter Prozessstandschaft geltend machen könne. Damit der Klageantrag hinreichend bestimmt sei, müsse aber eindeutig feststehen, welche der Ansprüche primär geltend gemacht werden sollen. Ansonsten entstehe eine unzulässige alternative Klagehäufung. Der Leasingnehmer verfolgte hier primär die Ansprüche des Leasinggebers in gewillkürter Prozessstandschaft.
In Folge war die Bestimmung des Restwertes des Leasingfahrzeugs problematisch. Der Leasingnehmer hatte einen Sachverständigen beauftragt, der einen Restwert von EUR 13.800 ermittelte, und verkaufte das Fahrzeug sodann zu diesem Preis. Am Tag danach legte der Beklagte ein über eine Internetbörse ermitteltes Angebot über EUR 22.999 vor. Fraglich war nun, welcher der Preise vom Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs abzuziehen war, um den Schaden zu ermitteln.
Der Bundesgerichtshof definierte insoweit noch einmal die Pflichten der Beteiligten: Der Geschädigte müsse normalerweise keine weiteren Marktforschungen betreiben und könne auf das Gutachten eines Sachverständigen vertrauen. Ist der Geschädigte jedoch ein Unternehmen, welches sich auch mit dem Verkauf von gebrauchten Kfz befasst, gingen die Pflichten zur Schadensermittlung weiter. Dann sei zumindest auch eine Internetrecherche zumutbar. Da der Leasingnehmer hier die Rechte des Leasinggebers in gewillkürter Prozessstandschaft geltend gemacht habe, komme es insoweit auf die Verpflichtungen des Leasinggebers an. Der Bundesgerichtshof stellte daher auf den Restwert der Internetbörse ab. Vom Wiederbeschaffungswert ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs daher der Restwert von EUR 22.999 abzuziehen, um den tatsächlichen Schaden zu ermitteln.
Die Entscheidung steht insgesamt im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur gewillkürten Prozessstandschaft, da diese dem Geschädigten keinen Prozessvorteil ermöglichen soll. Gleichwohl wurde in der gerichtlichen Praxis bisher in Leasingkonstellationen nicht so genau hingeschaut, sodass zu erwarten ist, dass das Urteil insoweit zu einer Änderung/ Verschärfung in der Rechtsprechung führen dürfte.
Kein Widerrufsrecht bei Kilometerleasingverträgen
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich in einem schon lange erwarteten Urteil erneut mit Einzelfragen zu den Widerrufsrechten von Verbrauchern befasst (C-38/21, C-47/21 und C-232/21).
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat klargestellt, dass Verbrauchern, die einen Kilometerleasingvertrag ohne Kaufverpflichtung abgeschlossen haben, kein Widerrufsrecht zusteht, da sie sich nicht verpflichtet haben, das Fahrzeug am Ende der Leasingperiode zu kaufen. Dies gilt auch dann, wenn der Vertrag im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde. Zur Begründung führte der Gerichtshof der Europäischen Union an, dass ein solcher Leasingvertrag mit einem Automietvertrag gleichgestellt werden könne und somit unter den Ausnahmebestand des Art. 16l RL 2011/83/EU falle.
Anders verhält es sich bei Kfz-Kreditverträgen. Hier kann der Verbraucher unter bestimmten Voraussetzungen von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen, solange er nicht vollständig und zutreffend über seine Rechte und Pflichten informiert wurde. Der Gerichtshof der Europäischen Union stellte in diesem Zusammenhang jedoch auch fest, dass ein Widerrufsrecht bei vollständiger Erfüllung des Darlehensvertrages obsolet werde und den Verbrauchern in diesen Fällen daher kein Widerrufsrecht mehr zustehe.
Die Entscheidungen schaffen erneut Klarheit über Bestehen und Umfang des Widerrufsrechts von Leasingverträgen und beenden die Unsicherheit darüber, ob und in welchem Umfang ein Darlehensnehmer nach vollständiger Erfüllung des Vertrags noch Rechte geltend machen kann.
Leasing in der Insolvenz: Herausforderungen in Krisenzeiten
Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen und der zunehmenden Zahl von Insolvenzen erwarten wir, dass dieses Thema auch in diesem Jahr weiterhin an Bedeutung gewinnen wird.
Im Rahmen einer Insolvenz spielt die Frage der Fortführung oder Beendigung des Leasingverhältnisses eine zentrale Rolle. Eine Kündigung des Leasingvertrages durch den Leasinggeber ist bei Insolvenz des Leasingnehmers wegen der insolvenzrechtlichen Kündigungssperre jedoch nicht ohne Weiteres möglich. Leasinggeber stehen bei der Insolvenz des Leasingnehmers daher vor der Herausforderung, das Leasingobjekt zurückzuerhalten oder anderweitige vertragliche Lösungen mit dem Insolvenzverwalter zu treffen. Häufig stellt sich zudem die Frage der Berechnung des „leasing-typischen“ Schadens.
Dieser Artikel ist Teil des "Update Commercial 2025". Alle Beiträge und den gesamten Report als PDF finden Sie hier.