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Möglichkeiten der Lockerung von Coronaschutzmaßnahmen für Betriebe mit einer vollständig geimpften oder genesenen Belegschaft

07.10.2021

Das Berufsleben ist seit Monaten von unterschiedlichen coronabedingten Arbeitsschutzmaßnahmen geprägt. Mit der zunehmenden Immunisierung innerhalb der Bevölkerung und Lockerungen der Coronaschutzmaßnahmen im Alltag stellt sich die Frage nach entsprechenden Lockerungen der Arbeitsschutzmaßnahmen in den Betrieben.

Die seit dem 10. September 2021 geltende SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung sieht nunmehr vor, dass Arbeitgeber den ihnen bekannten Impf- oder Genesenenstatus der Beschäftigten bei der Festlegung der betrieblichen Arbeitsschutzmaßnahmen berücksichtigen dürfen. Arbeitgeber können ihre ergriffenen Schutzmaßnahmen im Rahmen der Aktualisierung ihrer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG neu bewerten und gegebenenfalls die für den jeweiligen Betrieb erforderlichen Maßnahmen anpassen. Bei der Gefährdungsbeurteilung sind insbesondere die Regelungen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung, die Regelungen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel, die aktuell geltenden Regeln des jeweiligen Bundeslands sowie die branchenspezifischen Handlungsempfehlungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger zu beachten.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat eine Stellungnahme mit Hinweisen zum Umgang mit Geimpften/Genesenen im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie herausgegeben und anhand eines Beispielkatalogs (siehe S. 3 f. der Stellungnahme) aufgezeigt, welche Lockerungen von Coronaschutzmaßnahmen für Arbeitgeber und unter welchen Voraussetzungen gegebenenfalls in Betracht kommen können. Zusammengefasst können Arbeitgeber im Einzelfall auf AHA+L-Maßnahmen verzichten, sofern sichergestellt ist, dass

alle Mitarbeiter*innen oder

eine bestimmte Belegschaftsgruppe

geimpft oder genesen sind.

Damit die vorgesehenen Lockerungen eingreifen, dürften die Geimpften bzw. Genesenen i.S.d. COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung (SchAusnahmV) während der Arbeitszeit keinen beruflichen Kontakt mit nicht geimpften/genesenen Mitarbeitern*innen oder Dritten haben. Ob partielle Lockerungen für bestimmte geimpfte bzw. genesene Belegschaftsgruppen möglich sind, hängt daher letztlich von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere davon, ob der Kontakt zu nichtgeimpften Personen ausgeschlossen ist.

In der Praxis wird eine Lockerung der Coronaschutzmaßnahmen jedoch nur bedingt umzusetzen sein. Sie wird nach der Stellungnahme der DGUV bereits dadurch ausgeschlossen, dass ein/e Mitarbeiter*in innerhalb der Belegschaft bzw. der Belegschaftsgruppe nicht geimpft bzw. genesen ist oder sich etwa aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen kann.

Schwierigkeiten sind zudem dadurch zu erwarten, dass der Genesenenstatus lediglich zeitlich befristet gilt; die Coronainfektion muss mindestens 28 Tage und darf maximal sechs Monate zurückliegen. Ließe sich ein/e genesene/r Mitarbeiter*in nicht (rechtzeitig) impfen, wäre der Arbeitgeber gezwungen, kurzfristig wieder strengere Coronaschutzmaßnahmen zu ergreifen.

Hinzukommt, und dies dürfte für Arbeitgeber die größte Hürde sein, dass Arbeitgeber die sichere Kenntnis über den Impfstatus seiner Mitarbeiter*innen haben muss, um Arbeitsschutzmaßnahmen lockern zu können. Teilen nicht alle Mitarbeiter*innen freiwillig ihren Impfstatus mit, wovon jedenfalls in größeren Betrieben auszugehen ist, stellt sich die Frage nach einem Fragerecht des Arbeitgebers.

Ob der Arbeitgeber Informationen über den Impfstatus seiner Mitarbeiter einholen darf, ist gerichtlich bislang nicht geklärt und in der Literatur umstritten. Die DGUV vertritt, dass es den Beschäftigten grundsätzlich freigestellt sei, ob sie ihren Impf- oder Genesenenstatus mitteilen wollen oder nicht. Die datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden haben im Verlauf der Pandemie allerdings eine gewisse Bereitschaft gezeigt, die Besonderheiten der Pandemie bei datenschutzrechtlichen Beurteilungen zu berücksichtigen. So besteht bei der Frage nach Entschädigungszahlungen nach § 56 Abs. 5 S. 1 IfSG richtigerweise ein entsprechendes Fragerecht (siehe dazu Keine Entschädigung mehr für Ungeimpfte - Darf der Arbeitgeber nun nach dem Impfstatus fragen?). Ob dieses Ergebnis auf den Fall der beabsichtigten Lockerung von Arbeitsschutzmaßnahmen übertragbar ist, dürfte fraglich sein. Das Interesse eines Arbeitgebers daran, feststellen zu können, ob der bzw. die Mitarbeiter*in einen Entschädigungsanspruch hat, ist evident, zumal nur der/die in Rede stehende Mitarbeiter*in selbst betroffen ist. Schwieriger zu bewerten ist, ob das Interesse des Arbeitgebers und anderer Mitarbeiter*innen daran, die Schutzmaßnahmen im Betrieb zu lockern, das Geheimhaltungsinteresse des/der betroffenen Mitarbeiters*in überwiegt.

Im Ergebnis dürfte die Lockerung von Arbeitsschutzmaßnahmen aufgrund des Impf- bzw. Genesenenstatus der Mitarbeiter*innen vor allem in kleineren Betrieben umsetzbar sein. Aufgrund des überschaubaren Kreises an Mitarbeitern*innen und der häufig bestehenden persönlichen Nähe, kann der Arbeitgeber dort zumeist sicherstellen, dass die oben genannten Kriterien für die Lockerung von coronabedingten Arbeitsschutzmaßnahmen erfüllt sind. In größeren Betrieben wird der Arbeitgeber meist keine Kenntnis über den Impfstatus aller Mitarbeiter*innen haben, auch weil ein Fragerecht kritisch gesehen wird. Zusätzlich ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass eine/r der Mitarbeiter*innen sich nicht impfen lassen will oder kann. Eine Lockerung der Maßnahmen kommt dann vor allem in Fällen in Betracht, in denen der Betrieb in kleinere Gruppen gegliedert ist, die keinen gruppenübergreifenden persönlichen Kontakt haben. Denkbar ist dabei auch, dass der Arbeitgeber infolge im Betrieb durchgeführter Impfkampanien in Bezug auf bestimmte Mitarbeitergruppen den Impfstatus kennt. Ob und inwieweit Arbeitgeber Lockerung von Arbeitsschutzmaßnahmen aufgrund des Impf- bzw. Genesenenstatus der Mitarbeiter*innen umsetzen können, ist dementsprechend stets im Einzelfall zu prüfen.

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