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Keine Entschädigung mehr für Ungeimpfte

28.09.2021

Am 22.09.2021 hat die Gesundheitsministerkonferenz beschlossen, dass Ungeimpfte spätestens ab dem 01.11.2021 keine Entschädigung mehr verlangen können, wenn ihnen eine Quarantäne oder ein Tätigkeitsverbot auferlegt wird. Da die Abwicklung von Entschädigungszahlungen nach § 56 Abs. 5 S. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) zunächst über den Arbeitgeber erfolgt, stellt sich Unternehmen nun die Frage, ob der Arbeitgeber nach dem Impfstatus fragen darf, um einschätzen zu können, wie er sich nach § 56 IfSG verhalten muss.

Ob der Arbeitgeber überhaupt Informationen über den Impfstatus seiner Mitarbeiter einholen darf, ist – lässt man § 23a IfSG und den seit dem 10.09.2021 geltenden § 36 Abs. 3 IfSG einmal unberücksichtigt - gerichtlich bislang nicht geklärt und in der Literatur umstritten. Die datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden haben im Verlauf der Pandemie zwar eine gewisse Bereitschaft gezeigt, die Besonderheiten der Pandemie bei datenschutzrechtlichen Beurteilungen zu berücksichtigen. Die bislang speziell zu einem Fragerecht im Zusammenhang mit Entschädigungsleistungen wegen einer Quarantäne oder einem Tätigkeitsverbot i.S.d. § 56 IfSG verfügbaren Stellungnahmen sind allerdings spärlich.

Im Ergebnis sprechen nach unserer Bewertung die besseren Gründe für die Zulässigkeit der Frage nach dem Impfstatus, sofern ein Mitarbeiter infolge einer Quarantäneanordnung eine Entschädigung nach § 56 IfSG verlangt.

Rechtsprechung existiert hierzu – soweit ersichtlich – noch nicht. Die (wenigen) in der Presse (vgl. z.B. „Keine Lohnfortzahlung mehr für Ungeimpfte“, Die Welt, S. 01, 23.09.2021) und der juristischen Literatur auffindbaren Stellungnahmen bejahen die Zulässigkeit dieser Frage. Und auch das baden-württembergische Sozialministerium scheint – nachdem Baden-Württemberg als erstes Bundesland einen Beschluss gegen die Entschädigung für Ungeimpfte im Quarantänefall gefasst hat – ein Fragerecht des Arbeitgebers zu bejahen (so jedenfalls die Berichtserstattung im SWR). Dafür sprechen nach unserer Bewertung die besseren Gründe. Argumentiert wird im Wesentlichen wie folgt:

  • Der Impfstatus eines Beschäftigten unterfällt Art. 9 Abs. 1 DS-GVO, da es sich hierbei um Gesundheitsdaten handelt. Gemäß § 26 Abs. 3 BDSG ist die Verarbeitung dieser Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses nur dann zulässig, wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erforderlich sind und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt.

  • Der Arbeitgeber hat aber ein begründetes Interesse daran, festzustellen, ob er für einen Mitarbeiter, der sich in einem Risikogebiet aufgehalten hat oder der Kontakt zu einem Erstinfizierten hatte, Verdienstausfallentschädigung nach § 56 Abs. 5 S. 1 IfSG zahlen muss, weil sich der Arbeitnehmer in Quarantäne zu begeben hat. Die Kenntnis des Impfstatus ist nicht nur für den Entschädigungsanspruch des Mitarbeiters, sondern auch für den Erstattungs- bzw. Vorschussanspruch des Arbeitgebers gegenüber den zuständigen Behörden maßgeblich (vgl. § 56 Abs. 5 S. 2 und Abs. 12 IfSG). Dies unter zwei Gesichtspunkten:

    • Die Entschädigung ist nicht zu leisten, wenn keine Quarantänepflicht mehr besteht. Nach der aktuellen Bewertung des RKI sind Quarantänen für vollständig Geimpfte nicht erforderlich (vgl. die Informationen des Robert Koch Instituts).

    • Sofern man – wovon die Gesundheitsministerkonferenz ausgeht – eine Impfung gegen Sars-CoV-2 als „Schutzimpfung“ i.S.d. § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG qualifiziert, hat der betroffene Mitarbeiter ebenfalls keinen Anspruch auf eine Entschädigung wegen der Quarantäne. Denn nach § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG erhält eine „Entschädigung […] nicht, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung […] ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können.“ Mit anderen Worten: Wenn der Mitarbeiter durch Impfung eine Quarantäne hätte vermeiden können, besteht gegen den Arbeitgeber kein Anspruch auf Entschädigung wegen des Verdienstausfalls infolge der Quarantäne.

Über die bisher veröffentlichten Argumente hinaus spricht dafür auch folgende Kontrollüberlegung: Würde man die Frage des Arbeitgebers nach dem Impfstatus nicht zulassen, müsste der Arbeitgeber sich vom Mitarbeiter auf Entschädigungszahlung verklagen lassen. In diesem Prozess müsste der Mitarbeiter dann aber in jedem Fall offenlegen, ob er geimpft ist oder nicht, um seinen Anspruch dem Gericht gegenüber zu begründen. Hiervon ausgehend ist aber nicht nachvollziehbar, warum erst die Kosten und der Aufwand eines gerichtlichen Verfahrens ausgelöst werden müssen sollen, wenn letztlich dieselbe Information verschafft werden muss, die auch vorprozessual erforderlich wäre.

Im Ergebnis sprechen nach unserer Bewertung daher die besseren Gründe für die Zulässigkeit der Frage nach dem Impfstatus, sofern ein Mitarbeiter infolge einer Quarantäneanordnung  oder einem Tätigkeitsverbot eine Entschädigung nach § 56 IfSG verlangt.

Soweit die Abfrage über ein standardisiertes Formular erfolgen soll, ist allerdings mit Blick auf den Formulareinsatz selbst in Betrieben mit Betriebsrat ggf. dessen Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu beachten. Denn z.B. in der Anordnung des Arbeitgebers, für Angaben über den Besitz von Wertpapieren ein von ihm vorgefertigtes Formular zu verwenden, und in der Anweisung, die Notwendigkeit eines Arztbesuchs während der Arbeitszeit durch ein vorgegebenes Formular zu belegen, liegen nach der Bewertung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mitbestimmungspflichtige, das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer steuernde Regelungen (BAG v. 28.05.2002 - 1 ABR 32/01; BAG v. 21.01.1997 - 1 ABR 53/96 ; BAG v. 10.03.2009 – 1 ABR 87/07). Ihr Einsatz macht also eine Einigung mit dem Betriebsrat erforderlich und es sprechen gute Gründe dafür, die Verwendung eines Formulars für die Frage nach dem Impfstatus zur Ermittlung des Entschädigungsanspruchs nach § 56 IfSG nicht anders zu beurteilen. Zu einer schnellen Einigung beitragen können erprobte Best Practice Strategien, die allerdings auf den Einzelfall abgestimmt werden müssen. Sprechen Sie uns gerne an.

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