News

Russische Gegenmaßnahmen nehmen zu

14.03.2022


+++ Update 14.03.2022 +++


Exportverbote / Drohende Enteignung ausländischer Investoren

Als Reaktion auf die Sanktionen, die die USA, die EU und weitere Länder gegen Russland verhängt haben, hat die Russische Föderation seine Gegenmaßnahmen, die dem Schutz der russischen Wirtschaft dienen sollen, ausgeweitet.

Die neuen Maßnahmen wurden insbesondere durch das Dekret des Präsidenten Russlands Nr. 100 vom 9. März 2022 („Dekret 100“) sowie durch die Anordnung der russischen Regierung Nr. 311 vom 11. März 2022 eingeführt.

Exportverbot für zahlreiche Produkte

Nachdem die bisherigen russischen Gegenmaßnahmen vor allem darauf abzielten, die Kapitalflucht aus Russland zu stoppen, hat die russische Regierung nunmehr ein Exportverbot für eine Vielzahl von Waren verhängt. Hiermit soll eine „Warenflucht“ - u.a. von Telekommunikations-, medizinischer, Automotive-, Landtechnik- und elektrischer Ausrüstung sowie von Holzprodukten - verhindert und die „ununterbrochene Funktionsfähigkeit von Schlüsselsektoren der russischen Wirtschaft“ sichergestellt werden. Die Liste der u.a. in die EU und die USA nicht mehr zu exportierenden Waren umfasst mehr als 200 Produkte. Öl- und Gas sind nicht darunter. Das Exportverbot wurde zunächst bis zum 31. Dezember 2022 verhängt.

Während das Exportverbot für in der EU und der USA ansässige Unternehmen vermutlich von untergeordneter Bedeutung ist, erschwert es die Situation für Tochtergesellschaften westlicher Unternehmen in Russland. Diese sind nunmehr daran gehindert, Lagerbestände an Abnehmer in der EU oder der USA zu veräußern. Solche Veräußerungen wären - angesichts aktuell fehlender russischer Abnehmer und der Schwäche des Rubels - als Maßnahmen zur Liquiditätssicherung (auch im Rahmen der Vorbereitung eines geordneten solventen Rückzugs aus Russland) - allerdings erforderlich.

Gesetzesentwurf zur Quasi-Enteignung ausländischer Investoren

Am 9. März verabschiedete die russische Regierung einen Gesetzesentwurf, der es ermöglicht, russischen Gesellschaften mit ausländischer Beteiligung unter externe Verwaltung zu stellen. Die entsprechenden Gesellschaften müssen über eine Bilanzsumme von 1 Mrd Rubel (ca. 7 Mio. Euro, ausgehend vom EUR/RUB-Kurs vom 11.3.2022) und mindestens 100 Mitarbeiter verfügen. Zudem müssen sie mit sogenannten „unfreundlichen Staaten“ verbunden sein (d.h. mit Staaten, die Sanktionen gegen Russland verhängt haben). Eine solche Verbindung besteht dann, wenn ausländische Unternehmen aus „unfreundlichen Staaten“ die entsprechende russische Gesellschaft (das „Unternehmen“) kontrollieren oder mindestens 25 % der Anteile des Unternehmens halten.

Nach dem Gesetzesentwurf gibt es zwei Gründe für die Einführung eines externen Managements:

    • Die Leitungsorgane des betroffenen russischen Unternehmens oder deren Gesellschafter/Aktionäre haben die Führung der Geschäfte des Unternehmens faktisch und unter Verletzung der gesetzlichen Anforderungen eingestellt. Zum Beispiel hat das Management Russland verlassen und das Unternehmen "entgegen den Interessen des Unternehmens" ohne Management zurückgelassen; oder es wurden Handlungen/(Unterlassungen) begangen, durch die der Wert der Vermögenswerte des Unternehmens erheblich reduziert wurde, das Unternehmen nicht mehr in der Lage war, seine Verpflichtungen zu erfüllen, oder seine Tätigkeit unter Verletzung der gesetzlichen Vorschriften einstellen musste.

    • Die Leitungsorgane des betroffenen russischen Unternehmens oder dessen Gesellschafter/Aktionäre haben Handlungen vorgenommen, die zu einer ungerechtfertigten Einstellung der Tätigkeit des Unternehmens, zu dessen Liquidation oder zur Insolvenz führen können. Dies könne nach dem Gesetzesentwurf etwa der Fall sein, wenn die Einstellung der Unternehmenstätigkeit ohne offensichtliche wirtschaftliche Gründe öffentlich verkündet wurde, Verträge, die für den Betrieb des Unternehmens unerlässlich sind gekündigt wurden oder Maßnahmen zur Entlassung von mehr als 1/3 der Belegschaft eingeleitet wurden.

Die Entscheidung über die Einsetzung eines externen Managements wird vom Gericht auf der Grundlage eines Antrags des russischen Föderalen Steuerdienstes oder eines Mitglieds des Aufsichtsrats des Unternehmens getroffen. Der Steuerdienst stellt den Antrag auf der Grundlage eines Beschlusses des Ausschusses des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung, der seinerseits auf Antrag des Leiters der Region, in der das Unternehmen ansässig ist, des zuständigen Ministers, der Staatsanwälte und einiger anderer Beamter gefasst werden kann.

Die externe Verwaltung wird von der staatlichen Entwicklungsgesellschaft VEB.RF oder, sofern es sich bei dem Unternehmen um ein Finanzunternehmen handelt, von der DIA (Deposit Insurance Agency) durchgeführt.

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass das betroffene russische Unternehmen im Anschluss an die externe Verwaltung in Form einer Abspaltung bzw. Ausgliederung reorganisiert wird: Die Vermögenswerte des Unternehmens gehen dabei auf eine neu gegründete Gesellschaft über. Die Anteile an dieser neu gegründeten Gesellschaft werden dann durch den externen Verwalter im Rahmen einer Auktion veräußert und das ursprüngliche Unternehmen wird liquidiert.



+++ Update 07.03.2022 +++


Als Reaktion auf die Sanktionen, die die USA, die EU und weitere Länder gegen Russland verhängt haben, hat die Russische Föderation spezielle Maßnahmen zum Schutz der russischen Wirtschaft eingeführt.

Die Maßnahmen wurden insbesondere durch die Dekrete des Präsidenten Russlands Nr. 79 vom 28. Februar 2022 („Dekret 79“), Nr. 81 vom 1. März 2022 („Dekret 81“) und das Dekret Nr. 95 („Dekret 95“) vom 5. März sowie durch Weisungen der russischen Zentralbank vom 28. Februar, 1. März und 3. März 2022 eingeführt.

Im Folgenden werden die unseres Erachtens wichtigsten der derzeit geltenden Maßnahmen beschrieben. Einige der Maßnahmen werden von verschiedenen Banken und offiziellen Stellen in Russland weit ausgelegt.

Obligatorischer Verkauf von Fremdwährungseinnahmen

Gemäß Dekret 79 sind Deviseninländer (in erster Linie russische Unternehmen) verpflichtet, 80 % der Devisen, die sie im Rahmen von „Außenhandelsverträgen“ mit Devisenausländern (z. B. ausländischen Unternehmen oder Bürgern) in Zusammenhang mit der Übertragung von Waren, geistigem Eigentum oder Informationen an Devisenausländer oder der Erbringung von Dienstleistungen oder Arbeiten für Devisenausländer erhalten, zu verkaufen. Faktisch bedeutet dies einen Zwangsumtausch.

Ab dem 28. Februar 2022 müssen in Russland ansässige Personen einen solchen Verkauf von Devisen innerhalb von drei Geschäftstagen nach dem Tag der Gutschrift der Erlöse auf ihren Konten vornehmen. Die  Devisenverkaufsverpflichtung betrifft auch Erlöse, die bereits seit dem 1. Januar 2022 auf den Konten von in Russland ansässigen Personen gutgeschrieben wurden. Diese Erlöse müssen innerhalb von drei Geschäftstagen nach Inkrafttreten des Dekrets 79, d.h. dem 28. Februar 2022, verkauft werden.

Der obligatorische Verkauf von Fremdwährungen wird nach einem von der russischen Zentralbank festgelegten Verfahren erfolgen. Ein solches Verfahren ist noch nicht eingeführt worden.

Transaktionen mit Immobilien und Wertpapieren zustimmungspflichtig

Gemäß Dekret 81 bedürfen ab dem 2. März 2022 bestimmte Transaktionen (Rechtsgeschäfte) mit Wertpapieren (einschließlich Aktien von russischen Aktiengesellschaften) und Immobilien zwischen in Russland ansässigen Personen und Personen, die mit sogenannten unfreundlichen Staaten verbunden sind (gemäß nachstehender Definition), einer Genehmigung der Regierungskommission für die Kontrolle ausländischer Investitionen (die „Regierungskommission“). Diese Beschränkung gilt für Transaktionen, die zur Begründung eines Eigentumsrechts an den Wertpapieren (einschließlich Aktien) oder Immobilien führen.

Personen, die mit unfreundlichen Staaten verbunden sind, sind Personen, die mit ausländischen Staaten verbunden sind, die in Bezug auf russische Unternehmen und Einzelpersonen unfreundliche Handlungen vornehmen. Zu diesen Personen werden gezählt: (i) ausländische Personen, die mit solchen Staaten verbunden sind (auch dann, wenn sie die Staatsangehörigkeit solcher Staaten besitzen oder solche Staaten der Ort ihrer Registrierung, der Ort ihrer überwiegenden Geschäftstätigkeit oder der Ort der überwiegenden Gewinnerzielung für sie sind), und (ii) Personen, die von solchen ausländischen Personen kontrolliert werden, unabhängig vom Ort ihrer Registrierung oder überwiegenden Geschäftstätigkeit.

Die Beschränkung erstreckt sich auch auf Transaktionen (Geschäfte) mit ausländischen Personen, die keine Personen sind, die mit unfreundlichen Staaten verbunden sind, wenn die betreffenden Wertpapiere oder Immobilien von diesen Personen nach dem 22. Februar 2022 von Personen erworben wurden, die mit unfreundlichen Staaten verbunden sind.

Die oben genannten Genehmigungen der Regierungskommission können, falls erforderlich, Bedingungen für den Abschluss/die Durchführung der genehmigten Rechtsgeschäfte enthalten.

Devisen- und RUB-Kredite an nicht in Russland Ansässige Personen

Ab dem 1. März 2022 verbietet das Dekret 79 Devisentransaktionen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Fremdwährungen durch Deviseninländer an Devisenausländer im Rahmen von Darlehensverträgen. Gemäß Dekret 81 können solche Transaktionen jedoch auf der Grundlage einer von der Regierungskommission erteilten Genehmigung vorgenommen bzw. durchgeführt werden.

Verbot der Rückzahlung von Krediten

Das Dekret 95 vom 5. März verbietet in Russland ansässigen Personen die Rückzahlung von Darlehen an Personen, die mit unfreundlichen Staaten verbunden sind, in Höhe von mehr als 10 Mio. RUB (ca. 95.000 USD) pro Monat. Die entsprechenden Gelder können auf Antrag der in Russland ansässigen Personen auf russischen Bankkonten gutgeschrieben werden, die für die Darlehensgeber in Rubel eröffnet wurden. Dies soll dann als ordnungsgemäße Erfüllung der Verpflichtungen gelten.

Das gleiche Verfahren gilt für Zahlungen an Personen, die mit unfreundlichen Staaten verbunden sind, im Rahmen von Finanzinstrumenten, die von in Russland ansässigen Personen begeben wurden.

Verkauf von Wertpapieren (Aktien)

Ab dem 28. Februar 2022 verbietet die russische Zentralbank die Durchführung der Übertragung von Wertpapieren (v.a. Aktien russischer Gesellschaften) zu Lasten der Aktiendepots bzw. -registrierungen ausländischer juristischer oder natürlicher Personen. Damit ist die Verkehrsfähigkeit der Aktien, die ausländische Gesellschaften an russischen Gesellschaften halten aktuell de facto nicht mehr gegeben.

Verbot von Dividenden und sonstiger Zahlungen aus Wertpapieren

Anweisungen der russischen Zentralbank vom 28. Februar 2022 verbieten die Zahlung von Dividenden an ausländische Personen. Obwohl die Anweisungen nur für Registerführer von Aktiengesellschaften gelten, haben viele russische Banken jegliche Dividendenzahlungen (auch von Gesellschaften mit beschränkter Haftung) an ausländische Personen eingestellt.

Bargeldausfuhr

Ab dem 2. März 2022 verbietet das Dekret 81 die Ausfuhr von Bargeld in Fremdwährung in Höhe von mehr als 10.000 USD aus Russland.

Drohende Insolvenzverfahren und strafrechtliche Haftung für die Einstellung der Geschäftstätigkeit durch ausländische Investoren

Wie der stellvertretende russische Regierungschef Beloussow am 4. März gegenüber den russischen Medien erklärte, soll die Einstellung der Tätigkeit eines ausländischen Investors in Russland (Schließung der Produktion, etc.) von den russischen Behörden als vorsätzliche Insolvenz behandelt werden. Laut Herrn Beloussow werden die Behörden in einem solchen Fall ein Insolvenzverfahren gegen das betreffende Unternehmen einleiten.

Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass die vorsätzliche Herbeiführung einer Insolvenz nach Artikel 196 des russischen Strafgesetzbuches eine Straftat darstellt, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 7 Jahren geahndet wird.


Weitere Informationen finden Sie auch in unserem Ukraine-Russia Crisis Center

 

Außenwirtschaftsrecht & Investitionskontrolle
Ukraine Crisis Center
Regulierung & Governmental Affairs

Share