News

Schein­selbst­ständig­keit und Schein­werk­verträge: BMF präsentiert Referenten­entwurf zur wirksamen Bekämpfung von Schwarz­arbeit und illegaler Beschäftigung

29.07.2025

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sieht eine Stärkung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Zollverwaltung und ein härteres Vorgehen gegen illegale Beschäftigung vor. Dazu zählen auch Scheinselbstständigkeit und Scheinwerk- oder Scheindienstverträge. Das Bundesministerium der Finanzen hat am 7. Juli 2025 in Umsetzung dieser Vorgaben seinen aktualisierten Referentenentwurf für ein Gesetz zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung vorgelegt.

Zielsetzung

Ziel des Gesetzes ist, die FKS gezielt auf zukünftige Herausforderungen auszurichten. Dazu sollen durch eine verbesserte digitale Vernetzung die Kontrollen effizienter und weniger bürokratisch sowie der Datenaustausch zwischen Sozial-, Finanz- und Sicherheitsbehörden umfassender gestaltet werden.

Ziel ist die Weiterentwicklung der FKS zu einer zentralen Prüfungs- und Ermittlungsbehörde mit zielgerichteter, digitaler und schlagkräftiger Aufgabenwahrnehmung. Im Zentrum steht ein optimierter, risikoorientierter Prüfansatz: Mithilfe automatisierter Datenanalysen soll die FKS große Datenmengen systematisch auf Risiken von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung auswerten und ihre Kontrollen gezielter auf besonders anfällige Branchen konzentrieren können, während rechtstreue Unternehmen durch die automatisierte Prüfung entlastet würden. Damit folgt die FKS dem Beispiel der Deutschen Rentenversicherung, die – wie wir bereits berichteten – bei der Einführung eines automatisierten Prüftools bereits einen Schritt weiter ist und mithilfe von KIRA den sozialversicherungsrechtlichen Status von Dienstleistern prüft.

Auf diesem Weg soll die FKS künftig deutlich mehr Verstöße aufdecken und so neben der Erhöhung der Einnahmen für die öffentlichen Haushalte auch den Sozialstaat, den fairen Wettbewerb, den Rechtsstaat und die Rechte von Arbeitnehmern besser schützen. Das für die Erarbeitung des Entwurfes verantwortliche Bundesministerium der Finanzen geht offenbar von einer ganz erheblichen Anzahl bisher unentdeckter Verstöße aus. Ausweislich des Entwurfes könnte sich die Beanstandungsquote im Rahmen der Prüfungen bei Umsetzung der Maßnahmen nämlich verdoppeln.

Gleichzeitig werden die rechtlichen Grundlagen und Abläufe der FKS – insbesondere im Risikomanagement, bei Ermittlungen, Sanktionen sowie Personenbefragungen und der Analyse von Geschäftsunterlagen – weiterentwickelt, um digitale und beschleunigte Prüfungsabläufe zu ermöglichen. Dabei ist nicht nur eine praxisnähere Ausgestaltung des Straf- und Bußgeldrechts, sondern auch eine erhebliche Erweiterung der Befugnisse der FKS geplant. Neben der Möglichkeit zur selbstständigen Durchführung von Ermittlungsverfahren soll die FKS zukünftig auch das Recht erhalten, unangekündigt Geschäftsräume zu betreten und elektronisch gespeicherte Daten einzusehen. Ziel ist dabei, dass Verstöße künftig schneller und effektiver verfolgt werden.

Kritik

Kritik an den geplanten Maßnahmen kommt nicht nur – aber insbesondere – vom Deutschen Anwaltverein (DAV). Der DAV erklärte in seiner Stellungnahme vom Juli 2025, der aktualisierte Referentenentwurf zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung sei strikt abzulehnen.

Dabei kritisiert der DAV insbesondere die geplante Erweiterung der Befugnisse der FKS zur selbstständigen Durchführung von Ermittlungsverfahren einschließlich der vorgesehenen Übertragung von Aufgaben und Rechten einer Anklagebehörde auf die FKS. Dies führe zu einer problematischen Verschiebung der Kompetenzen weg von der Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde hin zur FKS, die der Zollverwaltung und damit dem Bundesfinanzministerium untersteht, dem die politische und strategische Steuerung obliegt.

Aus Sicht des DAV sei gerade im komplexen und oft umstrittenen Abgrenzungsbereich zur Scheinselbstständigkeit eine juristische Einzelfallprüfung unerlässlich. Zudem sei für den angestrebten effektiven Schutz des Sozialstaats, der betroffenen Personen und des fairen Wettbewerbs eine derart umfangreiche Machtfülle der FKS nicht erforderlich und rechtsstaatlich problematisch.

Kritik eher praktischer Natur wird seitens der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft geübt. Diese begrüßt die vom DAV abgelehnte Ausweitung der Kompetenzen grundsätzlich, resümiert jedoch: „…Paragraphen allein helfen nun einmal nicht weiter…“. Es sei fraglich, wie das neue Aufgabenprofil angesichts der „…gravierenden Mängel bei Ausstattung und Technik in vielen FKS-Dienststellen eigentlich umgesetzt werden soll.“.

Ausblick

Nach der Veröffentlichung des aktualisierten Referentenentwurfs erfolgt im nächsten Schritt die Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung sowie die Beteiligung der Länder und relevanten Verbände, beispielsweise von Berufs- und Wirtschaftsverbänden oder Rechtsanwaltsorganisationen. Nach Abschluss der Abstimmungen legt die Bundesregierung einen überarbeiteten Regierungsentwurf vor, der dem Bundestag zur ersten Lesung weitergeleitet wird.

Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die Stellungnahmen der relevanten Verbände – insbesondere die Kritik des DAV – auf die weitere Gestaltung des Entwurfs haben wird. Vor allem die erhebliche Ausweitung der Kompetenzen der FKS und die damit verbundene stärkere Vermischung von verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Befugnissen wirft grundlegende verfassungs- und datenschutzrechtliche Bedenken auf.

Es empfiehlt sich, die Entwicklung des Gesetzentwurfs weiter zu beobachten. Für die Praxis ist es insbesondere relevant, welche Wirtschaftsbereiche und Branchen künftig als risikobehaftet eingestuft werden und damit verstärkt in den Fokus der Finanzkontrolle und digital unterstützter Prüfverfahren rücken. Unternehmen in diesen Bereichen sollten sich frühzeitig mit den neuen Vorschriften und Kontrollmechanismen auseinandersetzen, um zeitnah technische und organisatorische Anpassungen vornehmen und etwaigen Prüfungen und Sanktionen effizient begegnen zu können.

Der Referentenentwurf zeigt zudem, dass die Bundesregierung bestrebt ist, im Rahmen von (Betriebs-)Prüfungen zukünftig verstärkt automatisierte Prüfsysteme zum Einsatz kommen zu lassen. Angesichts derzeit knapper Personalressourcen ist davon auszugehen, dass ein flächendeckender Einsatz automatisierter Prüfungen tatsächlich zu einer erheblichen Ausweitung von Beanstandungen führen wird. Damit wächst der Druck auf Unternehmen, vor allem im Bereich der Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern die Einhaltung geltender rechtlicher Bestimmungen sicherzustellen. Dies wird in vielen Fällen eine Adaption der bestehenden Compliance Management Systeme erforderlich machen, deren Resilienz in Zukunft eine noch wichtigere Rolle für den nachhaltigen Unternehmenserfolg spielen wird.

***

Haben Sie Fragen zu diesem Thema? Wir beraten Sie kompetent und individuell! Mit unserem standortübergreifenden und interdisziplinär aufgestellten Kompetenzteam Fremdpersonaleinsatz sind wir Ihr perfekter Ansprechpartner!

***

Unsere Legal-Tech-Lösung "Noerr Contractor Compliance Check" entlastet Unternehmen bei der Beauftragung und dem Einsatz von Fremdpersonal. Das Tool integriert alle dafür notwendigen Prozesse für den effizienten und rechtssicheren Einkauf von Fremdpersonal in einer Plattform. Für weiterführende Informationen besuchen Sie gerne unsere Website.

Bestens
informiert

Jetzt unseren Newsletter abonnieren, um zu aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden zu bleiben.

Jetzt anmelden