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Update zu Leaver Schemes

25.08.2020

Mit Schlussurteil vom 13. Mai 2020 (7 U 1844/19) hat sich das OLG München zur Wirksamkeit von sog. Hinauskündigungsklauseln im Rahmen von Managementbeteiligungen geäußert. Aus dem Urteil lassen sich wertvolle Rückschlüsse für die Struktur von Managementbeteiligungsprogrammen im Rahmen von Private Equity Transaktionen ziehen.   

A. Leaver Schemes und das Verbot der Hinauskündigung

Um das Ausscheiden eines Managers aus der Gesellschaft in bestimmten Fällen zu gewährleisten und die Kontrolle über das Unternehmen abzusichern, ist es üblich, im Rahmen von Managementbeteiligungsprogrammen sog. Leaver Schemes zu implementieren. Diese knüpfen das Ausscheiden des Managers als Gesellschafter häufig auch daran an, dass der Manager als Geschäftsführer ausscheidet. Reicht hierfür bereits ein mit einfacher Mehrheit zu fassender Abberufungsbeschluss (wie insb. bei der GmbH üblich), ist Vorsicht geboten, da es die übrigen Gesellschafter so faktisch in der Hand haben, den Manager nach ihrem Belieben und gegen seinen Willen aus der Gesellschaft zu drängen (Hinauskündigung).      

Nachdem die Zulässigkeit derartiger Hinauskündigungsklauseln anfangs ungeklärt war und vielfach ein Verstoß gegen das Verbot des willkürlichen Ausschlusses von Gesellschaftern vertreten wurde, erklärte der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 19. September 2005 (II ZR 173/04) diese Klausel im Rahmen des sog. „Managermodells“ für wirksam. Er machte dabei aber deutlich, dass dies nur in besonderen Ausnahmefällen gelte und die Hinauskündigung grundsätzlich als sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB einzustufen sei, wenn nicht ein sachlicher Grund vorliege, der den Ausschluss rechtfertige. Tragender Gedanke war dabei, dass der Gesellschafter bei der Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte nicht unter unangemessenen Druck gesetzt werden dürfe. Ist die Beteiligung aber von untergeordneter Bedeutung und von vornherein nur auf Zeit eingeräumt, falle der Verlust der Gesellschafterstellung nicht entscheidend ins Gewicht, weil die Beteiligung lediglich als Annex zur Geschäftsführerstellung anzusehen sei.

B. Entscheidung des OLG München  

Nachdem es zu diesem Thema nun längere Zeit keine Entscheidungen gab, hat sich jüngst das OLG München mit der Wirksamkeit einer Hinauskündigungsklausel befasst.

1. Sachverhalt

Dem Urteil lag ein besonderer Sachverhalt zugrunde, bei dem der klagende Geschäftsführer einer 100%igen Tochtergesellschaft mit 25 % an der beklagten Muttergesellschaft beteiligt war und damit neben 16 weiteren Gesellschaftern die höchste Einzelbeteiligung hielt. In einer Gesellschaftervereinbarung hatte sich der Kläger zudem verpflichtet, der Beklagten ggf. weitere Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, die er im Falle eines etwaigen Ausscheidens nicht zwingend erstattet erhalten würde. Im Rahmen einer schuldrechtlichen Zusatzvereinbarung hatte der Kläger ein Verkaufsangebot an die Beklagte betreffend seiner Anteile an der Beklagten abgegeben und das Angebot unter die aufschiebenden Bedingung des Ausscheidens des Klägers als Geschäftsführer gestellt (Call Option). Nachdem der Kläger als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft mit sofortiger Wirkung abberufen worden war, wurde auf einer Gesellschafterversammlung der Beklagten beschlossen, die von dem Kläger gehaltenen Geschäftsanteile auf der Grundlage der schuldrechtlichen Vereinbarung zu erwerben. Diese Beschlüsse wurden von dem Kläger angegriffen.

2. Entscheidung

Das OLG München sah in dem Ankaufsrecht der Beklagten eine sittenwidrige Hinauskündigungsklausel, die gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei und dementsprechend auch die Nichtigkeit des darauf basierenden Gesellschafterbeschlusses zur Folge habe. Es sei danach kein wirksames Verfügungsgeschäft hinsichtlich der vom Kläger gehaltenen Geschäftsanteile zustande gekommen und dieser nicht aus der Gesellschaft ausgeschieden. 

Begründet wurde die Entscheidung insbesondere damit, dass es dem Kläger auf Grund des von ihm gehaltenen Anteils in Höhe von 25 % und der Vielzahl der übrigen Gesellschafter nicht praktisch unmöglich gewesen sei, in der Gesellschafterversammlung seinen Willen durchzusetzen. Zudem habe der Kläger gleichzeitig mit seiner Beteiligung die Pflicht zur Bereitstellung zusätzlicher Finanzmittel und damit ein über das bloße Insolvenzrisiko hinausgehendes wirtschaftliches Risiko übernommen. Die Beteiligung des Klägers an der Beklagten sei dementsprechend nicht mehr nur als Annex zu seiner Stellung als Geschäftsführer, sondern vielmehr als gewöhnliches Investment anzusehen.

Das Urteil des OLG München ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision wird beim Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen II ZR 107/20 geführt.

C. Auswirkungen auf die Private Equity Praxis

Zunächst ist festzuhalten, dass das Urteil mehr Rechtssicherheit und Klarheit hinsichtlich der Bewertung von Leaver Schemes mit sich bringt, auch wenn der zugrundeliegende Sachverhalt mit Blick auf klassische Managementbeteiligungsprogramme (MPPs) eher atypisch ist. Das OLG München setzt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fort und bestätigt indirekt die grundsätzliche Zulässigkeit von Hinauskündigungsklauseln, sofern bestimmte Voraussetzungen beachtet werden.

Wie das Urteil zeigt, spielt insofern insbesondere die Beteiligungshöhe sowie das vom Manager übernommene wirtschaftliche Risiko eine entscheidende Rolle. Wie in klassischen Buy-Out-Strukturen üblich, sollte somit im Rahmen von MPPs sichergestellt werden, dass der Manager im Vergleich zu den übrigen Gesellschaftern nur eine untergeordnete Beteiligung erwirbt und nicht in die Lage versetzt wird, seinen Willen bei Gesellschafterbeschlüssen durchzusetzen. Zwar erlangt ein Manager in der Regel erst ab einer Beteiligung von über 25 % eine Sperrminorität, gerade der hier besprochene Fall zeigt jedoch, dass es auch schon unterhalb dieser Beteiligungsschwelle zu Situationen kommen kann, in denen ein Gericht die Beteiligung als nicht mehr unwesentlich qualifiziert. Darüber hinaus deutet die Entscheidung darauf hin, dass die Situation immer dann problematisch sein kann, wenn der Manager der Gesellschaft weitere Finanzmittel gewähren soll und so sein wirtschaftliches Risiko steigt.

Weiter ist zu beachten, dass es bei den bisher entschiedenen Fällen um direkte Beteiligungen der Manager an der jeweiligen Gesellschaft ging. Werden die Manager aber, wie bei MPPs häufig der Fall, über eine vom Investor kontrollierte Pooling-Gesellschaft am eigentlichen Zielunternehmen beteiligt, liegt die Überlegung nahe, insofern einen etwas großzügigeren Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Leaver Schemes zuzugestehen. Die Manager sind in dieser Konstellation nur mittelbar an der Gesellschaft beteiligt, die Gegenstand des Beteiligungsprogramms ist und daher weiter von der dortigen Willensbildung entfernt. Das Pooling und die Kontrolle des Investors unterstreichen zudem die Einstufung der Beteiligung als bloßes Annex zur Managerstellung.  

Letztendlich hat die Strukturierung eines MPPs wie bisher stets auf der Basis einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls zu erfolgen und sollte unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien auf die jeweilige Beteiligungssituation zugeschnitten sein. Insofern bleibt abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof diesen Fall zum Anlass nimmt, seine bisherige Rechtsprechung weiter zu konkretisieren.