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Verschärfung der Sanktionen gegen Belarus bringt Annäherung an Russlandsanktionen

05.07.2024

Nach der Verabschiedung des 14. Sanktionspakets gegen Russland hat die EU die Sanktionen gegen Belarus ebenfalls ausgeweitet und an die Russlandsanktionen angeglichen.[1] Da sanktionierte Güter weiterhin über Belarus nach Russland gelangen, galt das Augenmerk der EU der Minimierung des Risikos von Umgehungen der bereits bestehenden Russlandsanktionen durch eine Harmonisierung der beiden Sanktionsregime. Im Kern betreffen die Änderungen die Angleichung an die güterbezogenen und sektoralen Russlandsanktionen. Ausfuhrseitig wurden insbesondere die Güteranhänge nachgezogen und das Erfordernis einer „No-Belarus“-Klausel geschaffen. Ferner wurden Einfuhrverbote bezüglich Diamanten, Gold und bestimmten Rohstoffen angeglichen. Nach der Amtsblattveröffentlichung am Sonntag sind die Änderungen am Montag, den 1. Juli 2024 in Kraft getreten.

A. Instrumente zur Bekämpfung von Umgehungen

Die EU stellt nunmehr auch mit Blick auf Belarus erhöhte Anforderungen an EU-Unternehmen, um Sanktionsumgehungen zu verhindern.

I. „No-Belarus“-Klausel

EU-Unternehmen müssen fortan bei der Ausfuhr bestimmter Güter in Drittländer nach Art. 8g Verordnung (EG) Nr. 765/2006 eine „No-Belarus“-Klausel vereinbaren. Dies spiegelt die bekannte „No-Russia“-Klausel, die bereits im Zuge des 12. Sanktionspaketes im Dezember 2023 in Verordnung (EU) Nr. 833/2014 aufgenommen wurde.

Die „No-Belarus“-Klausel gilt, in Übereinstimmung mit Art. 12g Verordnung (EU) Nr. 833/2014, für in Anhängen XVI, XVII und XXVIII gelistete Güter und Technologien, die zur Verwendung in der Luft- oder Raumfahrtindustrie geeignet sind, Güter von gemeinsamer hoher Priorität nach Anhang XXX der Verordnung (EG) Nr. 765/2006, sowie Feuerwaffen und Munitionen gemäß Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 258/2012. Exporteure solcher Güter sind nunmehr verpflichtet, ihren Abnehmern in Drittländern die (Wieder)Ausfuhr nach oder zur Verwendung in Belarus vertraglich zu untersagen. Ferner müssen sie angemessene Abhilfemaßnahmen vereinbaren, sollte diese Verpflichtung verletzt werden (Art. 8g Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 765/2006).

Nicht erforderlich ist eine „No-Belarus“-Klausel für Ausfuhren in Partnerländer, die in Anhang Vba benannt sind,[2] sowie für bestimmte ausgenommene KN-Codes. Ferner enthält Art. 8g Abs. 2 lit. b Verordnung (EG) Nr. 765/2006 ein Altvertragsprivileg. Keiner Aufnahme der „No-Belarus“-Klausel bedürfen Verträge, die vor dem 1. Juli 2024 geschlossen wurden, bis zu ihrem vertraglich vereinbarten Ablaufdatum. Anders als in Art. 12g Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 833/2014 hat die EU von der Festsetzung einer finalen Frist für die Erfüllung abgesehen.

Inwiefern sich die Aufnahmeverpflichtung auf die Abschreckung vor Umgehungen auswirkt, beabsichtigt die EU-Kommission in Zukunft zu bewerten. Auch will die EU-Kommission prüfen, ob eine Ausweitung der Verpflichtung auf die Tochtergesellschaften von EU-Unternehmen in Drittländern zweckmäßig ist.

Eine Pflicht zur Aufnahme einer „No-Belarus“ Klausel in Bezug auf geistiges Eigentum und Geschäftsgeheimnisse, wie sie nun Art. 12ga VO (EU) Nr. 833/2014 für Russland vorsieht, besteht für Belarus nicht.

II. Risikobewertungen in Bezug auf Gütern von gemeinsamer Priorität

Ab dem 2. Januar 2025 müssen EU-Unternehmen für Ausfuhren von kriegswichtigen Gütern nach Anhang XXX zudem das Risiko potenzieller Ausfuhren nach oder zur Verwendung in Belarus bewerten (Art. 8ga Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 765/2006). EU-Unternehmen sind angehalten, Mechanismen einzuführen, mit denen die Risiken ermittelt und bewertet werden können, sowie diesen Prozess zu dokumentieren und ggf. anzupassen. Auch müssen geeignete Strategien, Kontrollen und Verfahren zur Minderung und zum wirksamen Management der Risiken umgesetzt werden. Die betroffenen EU-Unternehmen sind zudem verpflichtet, sicherzustellen, dass ihre Tochterunternehmen in Drittländern diese Anforderungen erfüllen, auch dann, wenn die EU-Mutter selbst keine Güter nach Anhang XXX exportiert.

Diese Anforderung bestehen nicht für EU-Unternehmen, die Anhang-XXX-Güter nur innerhalb der EU verbringen oder in die in Anhang Vba aufgeführten Partnerländer ausführen.

III. Sorgfaltspflichten für EU-Unternehmen zur Kontrolle ihrer Tochterunternehmen

Zudem gelten für EU-Unternehmen neue Sorgfaltspflichten in Bezug auf Belarus. Dies speist sich aus Befürchtungen der Kommission, dass die Wirksamkeit der Sanktionen dadurch gemindert wird, dass EU-Tochtergesellschaften in Drittländern grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich der Sanktionen fallen. Daher wird nunmehr eine Pflicht für EU-Unternehmen statuiert, sich „nach besten Kräften zu bemühen“, sicherzustellen, dass ihre Tochterunternehmen in Drittstaaten die Sanktionen nicht umgehen.

Damit wird faktisch der Anwendungsbereich der Belarus-Verordnung erheblich ausgedehnt, wenngleich es einstweilen nicht zu einer zwischenzeitlich für Russland diskutierten Zurechnungsnorm für Sanktionsverstöße von Tochtergesellschaften in Drittländern gekommen ist. Indes lässt Art. 8i Verordnung (EG) Nr. 765/2006 nicht erkennen, welche konkreten Maßnahmen EU-Unternehmen zu ergreifen haben. Es bleibt daher abzuwarten, ob die EU-Kommission und/oder die nationalen zuständigen Behörden die Anforderungen konkretisieren werden.

IV. Durchfuhrverbote

Erstmals hat die EU die Durchfuhr bestimmter Güter durch Belarus verboten, um deren Umlenkung nach Russland zu verhindern. Davon betroffen sind militärische Güter (Art. 1f Abs. 1a Verordnung (EG) Nr. 765/2006), Dual-Use Güter und Technologien gemäß Anhang I der Dual-Use-Verordnung (Verordnung (EU) 2021/821), Güter, die zur Stärkung der industriellen Kapazitäten von Belarus beitragen können (Art. 1bb Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 765/2006 und Anhang XIX), Güter im Zusammenhang mit der Luftfahrt- und Raumfahrtindustrie (Art. 1sa Abs. 1a Verordnung (EG) Nr. 765/2006), Feuerwaffen (Art. 1ba Abs. 1a Verordnung (EG) Nr. 765/2006) und Maschinen nach Anhang XIVa (Art. 1s Abs. 1a Verordnung (EG) Nr. 765/2006). Vereinzelt hat die EU Ausnahmen, Genehmigungsvorbehalte und Altvertragsprivilegien vorgesehen.

B. Güter- und dienstleistungsbezogene Sanktionen

Da Russland und Belarus eine Zollunion bilden, können sanktionierte Waren ungehindert von dem einen Land in das andere fließen. Zur Schließung etwaiger Schlupflöcher bedurfte es daher nach Auffassung der EU der Angleichung der Sanktionen gegen Russland und Belarus.

Eine vollständige Angleichung der Belarus-Sanktionen an die Russlandsanktionen ist jedoch auf Widerstand einzelner EU-Länder gestoßen, darunter auch Deutschland, sodass teilweise lediglich eine abgeschwächte Version übernommen wurde.

I. Einfuhrbeschränkungen

Einfuhrseitig besteht nunmehr ein Einfuhrverbot für Diamanten mit Ursprung in Belarus und von dort ausgeführte Diamanten, ferner Diamanten, die durch Belarus durchgeführt wurden. Die EU hat zudem ein Einfuhrverbot für Gold in Übereinstimmung mit Art. 3o Verordnung (EU) Nr. 833/2014 eingeführt.

Ein Einfuhrverbot besteht nunmehr auch für Güter des Anhangs XXVII, die Belarus die Diversifizierung seiner Einnahmequellen ermöglichen, darunter insbesondere Kohle, Helium und mineralische Erzeugnisse. Das Einfuhrverbot gleicht dem aus Art. 3i Verordnung (EU) Nr. 833/2014 für Güter, die Russland erhebliche Einnahmen erbringen.

In Bezug auf Güter im Zusammenhang mit der Luftfahrt- und Raumfahrtindustrie hat die EU in Angleichung zu den Russlandsanktionen das Verbot auf Rechte an geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnisse ausgeweitet und neue Genehmigungsmöglichkeiten geschaffen.

II. Ausfuhrverbote

Die EU hat das Verbot der Ausfuhr von Dual-Use Gütern und Technologien ausgeweitet. In Angleichung zu den Russlandsanktionen sind nunmehr auch etwaige Rechte des Eigentums oder Geschäftsgeheimnisse betroffen (Art. 1e Abs. 2 lit. c Verordnung (EG) Nr. 765/2006).

Zudem ist die Ausfuhr gelisteter Luxusgüter verboten. Indes bleibt der Katalog betroffener Waren hinter dem der Russlandsanktionen zurück. So bleibt etwa die Ausfuhr von Weinen und anderen alkoholhaltigen Getränken, Parfüms und Kosmetikartikeln, Luxuslederwaren und anderer Kleidung sowie Schmuck weiterhin möglich.

Für Güter und Technologien der Seeschifffahrt und Güter, die zur Stärkung der industriellen Kapazitäten von Belarus beitragen können, hat die EU ebenfalls Ausfuhrbeschränkungen erlassen.

III. Dienstleistungsbezogene Sanktionen

Dienstleistungs- und Finanzierungsverbote flankieren die güterbezogenen Sanktionen. Wirtschaftsprüfungsdienste, Dienstleistungen aus den Bereichen Architektur und Ingenieurwesen, IT-Beratung und Rechtsberatung sowie Dienstleistungen für Werbung, Markt- und Meinungsforschung sowie Produktprüfung und technische Überwachung (Art. 1jc Verordnung (EG) Nr. 765/2006) sind seit dem 1. Juli 2024 grundsätzlich verboten.

Indes ist der Anwendungsbereich des Dienstleistungsverbots enger gefasst als in den Russlandsanktionen. Während Dienstleistungen für sämtliche in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen untersagt sind, schränkt Art. 1jc Verordnung (EG) Nr. 765/2006 den Anwendungsbereich ein. Demnach dürfen Dienstleistungen lediglich nicht für natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen erbracht werden, die im Namen oder auf Weisung der Republik Belarus, ihrer Regierung und ihrer öffentlichen Stellen, Unternehmen und Agenturen handeln.

IV. Besondere Ausnahmen zur Erleichterung des Ausstiegs aus dem belarussischen Markt

Belarus Exits sollen durch befristete Ausnahmen von den Sanktionen nach Art. 8da Verordnung (EG) Nr. 765/2006 ermöglicht werden. Ein- und Ausfuhr bestimmter in Belarus belegener Güter können bis zum 31. Dezember 2024 genehmigt werden, sofern für den Exit oder die Abwicklung von Geschäftstätigkeiten unbedingt erforderlich. Entsprechendes gilt für die Erbringung von Dienstleistungen nach Art. 1jc Verordnung (EG) Nr. 765/2006.

C. Neuerungen im Energiesektor

Des Weiteren wurde die Einfuhr von Rohöl aus Belarus untersagt. Dabei stellt die EU klar, dass die Durchfuhr durch Belarus von Rohöl über eine Pipeline aus Russland in die EU nicht erfasst ist. Das Verbot umfasst jedoch nicht sonstige Erdölerzeugnisse.

Die Ausfuhr von Gütern und Technologien, die zur Ölraffination und zur Verflüssigung von Erdgas verwendet werden können, ist verboten nach Art. 1gc Verordnung (EG) Nr. 765/2006.

Zudem hat die EU ein Verbot von Investitionen in den Energiesektor in Belarus eingeführt.

D. Verkehr

Das Beförderungsverbot für belarussische Kraftverkehrsunternehmer wurde auf EU-Unternehmen ausgeweitet, die zu mindestens 25 % in belarussischem Eigentum stehen (Art. 1zc Abs. 1c Verordnung (EG) Nr. 765/2006). In Abweichung zu den Russlandsanktionen sind hiervon jedoch nur solche EU-Kraftverkehrsunternehmen betroffen, die sich nach dem 8. April 2022 in der Union niedergelassen haben.

E. Schadensersatzregelungen

Ein eigenständiger Schadensersatzanspruch wurde durch Art. 8h Verordnung (EG) Nr. 765/2006 geschaffen. Bisher war es EU-Unternehmen nach Art. 8d Verordnung (EG) Nr. 765/2006 untersagt, Ansprüche belarussischer Personen und Organisationen, die auf die Einhaltung der Sanktionen zurückzuführen sind, zu erfüllen. Die Wirksamkeit wurde dadurch beeinträchtigt, dass EU-Unternehmen vor Gerichten in Drittländern in Anspruch genommen wurden. Art. 8h Verordnung (EG) Nr. 765/2006 berechtigt EU-Unternehmen, den aus der Inanspruchnahme entstandenen Schaden vor Gerichten der EU-Mitgliedsstaaten geltend zu machen, sofern sie keinen Zugang zu effektivem Rechtsschutz im Drittland haben.

Ausblick

Die Ausweitung der Belarus-Sanktionen zielt vor allem darauf ab, den Sanktionen gegen Russland zu mehr Wirksamkeit zu verhelfen. Für EU-Unternehmen besteht Handlungsbedarf insbesondere im Hinblick auf die Aufnahme einer „No-Belarus“-Klausel sowie den erhöhten Anforderungen an die Sorgfaltspflichten gegenüber ihren Tochterunternehmen, wie sie auch die jüngste Erweiterung der Russlandsanktionen vorsieht. Ob die EU in Zukunft einen noch größeren Gleichlauf der Sanktionsregime anstrebt, bleibt abzuwarten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[1] Verordnung (EU) 2024/1865 novellierte mit Wirkung zum 1. Juli 2024 die Verordnung (EG) Nr. 765/2006, in der die Belarus-Sanktionen niedergelegt sind.

[2] Derzeit die USA, Japan, Großbritannien, Norwegen, Südkorea, Australien, Kanada, Neuseeland, Schweiz, Liechtenstein und Island.