Vorzeitige Kreditablösung – Kammergericht stärkt Position von Kreditgebern
In der bankrechtlichen Praxis stehen Kreditinstitute regelmäßig vor der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen sie auf Verlangen von Kreditnehmern zur vorzeitigen Vertragsaufhebung eingehen sollten. Das Berliner Kammergericht hat in einem von Noerr für die Berliner Sparkasse erstrittenen Beschluss (4 U 104/23) hierbei für Klarheit gesorgt. Gestützt auf eine vermeintliche Abtretung der ursprünglichen Kreditnehmerin begehrte die Klägerin die Erstattung eines gezahlten Aufhebungsentgelts. Die Kreditnehmerin war eine Grundstücksobjektgesellschaft und frühere Tochtergesellschaft der Klägerin. Der Rechtsstreit warf zwei für die Kreditwirtschaft praxisrelevante Fragen auf. Im Kern ging es darum, ob der Kreditnehmer sich zur vorzeitigen Kreditablösung (vgl. § 490 Abs. 2 BGB) ausnahmsweise auf Interessen Dritter berufen kann, und ob der Kreditgeber dabei im Einzelfall auch eine Kombination aus Kreditnehmerwechsel und Sicherheitentausch akzeptieren muss.
Im Ergebnis verneinte das Kammergericht – wie zuvor auch das Landgericht Berlin – beide Fragen. Der Bundesgerichtshof hat die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 22.07.2025 (Az. XI ZR 122/24) zurückgewiesen.
Keine Berücksichtigung von Drittinteressen bei vorzeitiger Kreditablösung
Gemäß § 490 Abs. 2 BGB kann ein Kreditnehmer einen Darlehensvertrag vorzeitig kündigen, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten. Es ist schon länger anerkannt, dass Interessen Dritter hierbei grundsätzlich außer Betracht bleiben. Das Kammergericht hat nunmehr bestätigt, dass auch nichts Abweichendes gilt, wenn der Dritte zugleich der Alleingesellschafter des Kreditnehmers ist und es sich beim Kreditnehmer um eine Grundstücksobjektgesellschaft handelt. Zur Begründung stellte das Kammergericht dabei maßgeblich auf den eindeutigen Wortlaut von § 490 Abs. 2 BGB sowie die Gesetzesbegründung ab, der ebenfalls nichts Gegenteiliges zu entnehmen sei. Weder Gesellschaftsverflechtungen noch wirtschaftliche Eigeninteressen eines Dritten können demnach einen Anspruch eines Kreditnehmers gegen den Kreditgeber auf vorzeitige Vertragsauflösung oder Vertragsänderung auslösen.
Keine Kombination von Kreditnehmerwechsel und Sicherheitentausch
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann in eng begrenzten Ausnahmefällen eine Obliegenheit des Kreditgebers bestehen, einen Wechsel in der Person des Kreditnehmers zu akzeptieren (BGH, Urt. v. 30.11.1989 – III ZR 197/88). In ebenfalls sehr engen Ausnahmekonstellationen kommt daneben ein Austausch der für den Kredit vereinbarten Sicherheit in Betracht (BGH, Urt. v. 03.02.2004 – XI ZR 398/02).
Die Besonderheit in dem vom Kammergericht entschiedenen Fall lag darin, dass die Klägerin eine Kombination aus Kreditnehmerwechsel und Sicherheitentausch begehrte. Das Kammergericht erteilte dem eine deutliche Absage. Nach der Auffassung des Kammergerichts sei ein derartiger Kontrahierungszwang mit Dritten zu geänderten Vertragskonditionen vom Wortlaut des § 490 Abs. 2 BGB nicht mehr gedeckt und mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unvereinbar.
Bedeutung für die Praxis
Die Interessen Dritter, selbst von Alleingesellschaftern, sind für die Beurteilung einer vorzeitigen Kreditablösung unbeachtlich. Etwaige Obliegenheiten können allein gegenüber dem originären Darlehensnehmer und auch nur insoweit bestehen, als berechtigte individuelle Interessen unter den engen Voraussetzungen von § 490 Abs. 2 BGB vorliegen. Eine Kombination von Sicherheitentausch und Kreditnehmerwechsel müssen Kreditgeber dabei nicht akzeptieren.
Diese höchstrichterlich bestätigte Linie schafft für Kreditinstitute klare und verlässliche Leitplanken: Demnach steht es Banken und Sparkassen aufgrund ihrer Privatautonomie frei, selbst zu entscheiden, ob sie sich auf aufwendige Vertragsumstrukturierungen mit gleichzeitigem Schuldnerwechsel und Sicherheitentausch einlassen möchten.
Noerr hat sich bei der Betreuung bankrechtlicher Streitigkeiten fest in der Marktspitze etabliert. Mit einem spezialisierten Banking Litigation Team aus den Praxisgruppen Class Action & Mass Claims Defense und Banking & Finance berät Noerr regelmäßig bei der Verteidigung von Klagen im Zusammenhang mit Kreditgeschäften.
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