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Betriebliche Altersversorgung

29.04.2021

Jede vierte Pensionskasse steht mittlerweile unter intensivierter Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), das berichtet NTV am 21. April 2021. Die Zinsflaute trifft viele Pensionskassen hart – und andauernd. Pensionskassen müssen auf die Marktgegebenheiten reagieren und Handlungsoptionen abwägen. Das Repertoire der Pensionskassen reicht – abhängig von Organisation und Satzung – von der Anpassung von Versicherungsbedingungen, der Änderung von Verrentungsfaktoren über Beitragsanpassungen, der Erhebung von Sanierungsbeiträgen oder Nachschüssen bis hin zur Leistungskürzung.

Anpassung von Versicherungstarifen bei der PKDW

Zum Jahreswechsel 2020/2021 hat zuletzt etwa die Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft (PKDW) die Versicherungstarife angepasst – und zwar auch im Bestand, d.h. auch mit Wirkung für die bereits bestehenden Versicherungstarife und Versicherungsverträge. Anfang Dezember 2020 hatte die BaFin diese Maßnahmen genehmigt. Die PKDW hat daraufhin die Mitglieder im Dezember über die beschlossenen Änderungen informiert und im Versicherungsbestand die Tarife dann zum Jahresbeginn 2021 umgestellt.

Das hat erhebliche Auswirkungen für Versorgungsberechtigte und Arbeitgeber: Bestehende Versicherungsverträge mit bisherigen Garantiezinsen zwischen 0,90% und 3,00% wurden einheitlich auf einen Garantiezins von 0,40% herabgesetzt. Neuverträge erhalten gar nur mehr einen Garantiezins von 0,25%; das wird ab dem 1. Januar 2022 gem. der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt vom 27. April 2021 (BGBl. I, 2021 Seite 842) auch für Direktversicherungen der maximale Garantiezinssatz sein. Parallel dazu wurden bei der PKDW die Sterbetafeln aktualisiert. Betroffen hiervon sind zwar nicht die bis zum 31.12.2020 erdienten Versorgungsansprüche, die noch auf Basis der bisherigen Tarife ermittelt werden. Betroffen sind allerdings diejenigen Versorgungsanwartschaften, die auf Basis der ab dem 01.01.2021 noch zu leistenden Beiträge erdient werden.

Folgen für Versorgungsberechtigte

Für die Versorgungsberechtigten können die Auswirkungen erheblich sein, weil mit der Reduktion des Garantiezinses von zwischen 0,90% und 3,00% auf einheitlich 0,40% ein erheblicher Rückgang der potentiellen Versorgungsleistungen verbunden ist. Beispielberechnungen zeigen, dass damit das Leistungsniveau der Pensionskasse für die ab dem 01.01.2021 gezahlten Beiträge um 40% bis 60% sinkt. Die Versorgungssysteme über die PKDW sind häufig mischfinanziert, d.h. Beiträge werden teils vom Arbeitgeber und teils vom Arbeitnehmer getragen. Entscheidend ist beim Arbeitnehmerbeitrag, ob dieser im Rahmen einer Entgeltumwandlung, einer Umfassungszusage nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG oder als private Altersversorgung geleistet wird. Nicht selten handelt es sich bei älteren Versorgungszusagen über die PKDW um private Beiträge der Arbeitnehmer, die nicht vom Versorgungsversprechen des Arbeitgebers und damit auch nicht von dessen Einstandspflicht (s. nachfolgenden Absatz) erfasst sind.

Folgen für Unternehmen

Für die Arbeitgeber sind die Auswirkungen ebenfalls erheblich, soweit sie – wie zumeist – für das abgesenkte Leistungsniveau einstehen müssen, und zwar unabhängig davon aus welchen Gründen der externe Versorgungsträger nicht leistet oder ob den Arbeitgeber selbst ein Verschulden trifft. Die verschuldensunabhängige Einstandspflicht des Arbeitgebers folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG:

„Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.“

Mit anderen Worten: Auch wenn der Arbeitgeber die betriebliche Altersversorgung über einen externen Versorgungsträger wie eine Pensionskasse durchführt, muss er für das ursprünglich gegebene Versorgungsversprechen auch einstehen. Wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsberechtigten, unter Zugrundelegung der früheren Versicherungstarife einer Pensionskasse, eine Pensionskassenversorgung mit einer Garantieverzinsung zwischen 0,90% und 3,00% zugesagt hat, muss er dieses Versprechen auch dann erfüllen, wenn die Pensionskasse selbst diese Zinsen nicht mehr erwirtschaftet und leistet.

Möchte der Arbeitgeber seine eigene Einstandspflicht aus § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG mit den entsprechenden bilanziellen Auswirkungen vermeiden und die Deckungslücke durch zusätzliche Beiträge zur PKDW (soweit überhaupt im Einzelfall möglich) schließen, zeigen Beispielberechnungen, dass Arbeitgeber hierfür Mehrbeiträge von ca. 60% bis zu 120% der bisherigen Beiträge aufwenden müssten. Der erforderliche Beitrag kann sich in einzelnen Fällen also mehr als verdoppeln. Die konkreten Mehrbeiträge sind abhängig von unterschiedlichen Faktoren wie bspw. der Restlaufzeit, aktualisierten Sterbetafeln und anderem.

Anpassung von Versorgungszusagen

Während Pensionskassen nach Zustimmung der BaFin ihre Versicherungstarife anpassen können, kann der Arbeitgeber sein eigenes Versorgungsversprechen nicht so einfach anpassen. Dies hat das BAG bereits zu einem vergleichbaren Fall entschieden als zum Jahreswechsel 2016/2017 der BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G. einige Versicherungstarife anpasste und die Rentenfaktoren in einem bestimmten Tarif um etwa 24% reduzierte. Das Leistungsniveau konnte durch laufende Zusatzbeiträge von weiteren ca. 31% des bisherigen Beitrages aufrechterhalten werden.

Mit Entscheidung vom 12.05.2020 (3 AZR 157/19) urteilte das BAG, dass der versorgungsberechtigte Mitarbeiter zwar keinen Anspruch auf Zusatzbeiträge seitens des Arbeitgebers habe. Der Arbeitgeber habe jedoch nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG für die reduzierten Leistungen der dortigen Pensionskasse einzustehen. Im konkreten Fall ging das BAG von einer sog. Umfassungszusage nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG aus, so dass die Einstandspflicht des Arbeitgebers auch die vom Arbeitnehmer finanzierten Pensionskassenleistungen betraf. Keinen Schutz für Unternehmen bieten häufig die Regelungen in der Versorgungszusage. So führt z.B. selbst eine dynamische Bezugnahme auf die Regularien der Pensionskasse nach der Bewertung des BAG nicht dazu, dass sich das Versorgungsversprechen des Arbeitgebers „automatisch“ entsprechend der reduzierten Rentenfaktoren der Pensionskasse verringert. Es handele sich lediglich um einen „Änderungsvorbehalt“ des Arbeitgebers, den er nur unter Berücksichtigung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit nutzen könne. Konsequenz daraus ist, dass Unternehmen hierfür eigene rechtfertigende Gründe entsprechend des vom BAG entwickelten dreistufigen Prüfungsschemas benötigen.

Arbeitgeber sollten ihre Handlungsoptionen prüfen

Arbeitgeber sollten prüfen,

  • wie weit die eigene Einstandspflicht gem. § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG reicht, d.h. konkret: ist „nur“ der arbeitgeberfinanzierte Teil der Pensionskassenversorgung erfasst oder hat der Arbeitgeber auch für den vom Arbeitnehmer finanzierten Teil der Versorgung einzustehen? Entscheidend dafür ist die Versorgungszusage.

  • ob und durch welche Maßnahmen die eigenen Versorgungsversprechen angepasst werden könnten; entscheidend dafür ist die rechtliche Grundlage, auf der das Versorgungsversprechen erteilt worden ist (Betriebsvereinbarung, Individualzusage, tarifliche Regelung, Gesamtzusage usw.).

  • ob ausreichend rechtfertigende Gründe für einen Eingriff in die Versorgungszusagen bestehen und/oder ob entsprechende Eingriffe mit Zustimmung des Betriebsrates oder der häufig ebenfalls betroffenen Versorgungsberechtigten möglich ist.

Selbst wenn aber keine Anpassung der eigenen Versorgungsversprechen erfolgen soll, müssten betroffene Arbeitgeber den Umfang der eigenen Einstandspflicht ermitteln und festlegen, ob sie die Einstandspflicht mit allen „Nebenwirkungen“ in Kauf nehmen, das ursprüngliche Versorgungsversprechen insoweit dann selbst erfüllen oder die Deckungslücken durch ergänzende Beiträge schließen wollen. 

Arbeitsrecht

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