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Türkei als Embargoland? – EU nimmt Bohrungen vor Zypern in den Blick

20.11.2019

Die Europäische Union hat am 11. November 2019 einen rechtlichen Rahmen für Sanktionen gegen die Türkei geschaffen. Die EU reagiert damit auf türkische Probebohrungen nach Erdgasvorkommen vor der zyprischen Küste, die Zypern und die EU für rechtswidrig erachten. Der rechtliche Rahmen wird es ermöglichen, Einzelpersonen oder Unternehmen zu sanktionieren, die für die Bohraktivitäten im östlichen Mittelmeerraum verantwortlich oder daran beteiligt sind. Konkrete Maßnahmen wurden aber derzeit noch nicht verhängt.

Mögliche Sanktionen: Reiseverbote, Einfrieren von Vermögen, Bereitstellungsverbot

Die möglichen Sanktionen beinhalten Reiseverbote in die EU (Art. 1 des Beschlusses) sowie klassische Finanzsanktionen, die wie üblich ein Einfriergebot sowie ein Bereitstellungsverbot enthalten (Art. 2 des Beschlusses). Betroffen sind diejenigen Personen und Unternehmen, die in einen Anhang aufgenommen (gelistet) werden.

Eine Listung ist für solche natürlichen oder juristischen Personen vorgesehen, (i) die für Bohraktivitäten zur Erkundung und Erschließung von Erdgasvorkommen verantwortlich sind, die im Territorialmeer, in der ausschließlichen Wirtschaftszone oder auf dem Festlandsockel Zyperns stattfinden und von Zypern nicht genehmigt wurden oder (ii) die finanzielle, technische oder materielle Unterstützung für diese Bohraktivitäten leisten, sowie für mit ihnen verbundene Unternehmen.

Ob die EU von dieser Listungsmöglichkeit Gebrauch machen wird, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen.

Hintergrund

In den Gewässern des östlichen Mittelmeeres rund um Zypern werden große Erdgasvorkommen vermutet. Die Türkei hat mehrere Bohrschiffe in die Wirtschaftszone Zyperns entsandt, um nach Erdgasvorkommen zu suchen. Die Türkei betrachtet die Gebiete als Teil ihres Festlandsockels. Die Streitigkeiten vollziehen sich vor dem Hintergrund der fortdauernden völkerrechtswidrigen Besatzung des nördlichen Teils Zyperns durch die Türkei seit dem Jahr 1974.

Der EU-Mitgliedstaat Zypern und die Europäische Union betrachten die türkischen Bohraktivitäten seit ihrem Beginn mit großer Besorgnis. Die Türkei hat ihre Bohraktivitäten in zypriotischen Hoheitsgewässern trotz wiederholten Aufforderungen der EU an die Türkei, die völkerrechtswidrigen Aktivitäten im östlichen Mittelmeer einzustellen, fortgesetzt. Dies belastet die politischen Beziehungen zwischen EU und Türkei schwer. In der Folge hatte die EU bereits Verhandlungen über ein Luftverkehrsabkommen mit der Türkei ausgesetzt und beschlossen, keine weiteren Treffen des Assoziationsrates und des hochrangigen Dialogs zwischen der EU und der Türkei abzuhalten sowie die Heranführungshilfe für die Türkei für 2020 zu kürzen. Die Schaffung des rechtlichen Rahmens für Sanktionen stellt nun die nächste Eskalationsstufe dar, um die Türkei zum Einlenken zu bewegen.

Kein Waffenembargo

Bereits Mitte Oktober diesen Jahres hatte die EU entschieden, als Reaktion auf die türkische Militäroffensive in Nordsyrien kein formales Waffenembargo zu verhängen. Stattdessen verwiesen die Außenminister der EU auf nationale Erklärungen, ab sofort keine Rüstungsexporte mehr zu genehmigen, die in dem Konflikt eingesetzt werden können. Ein formales Waffenembargo hätte als Konsequenz in Deutschland z.B. den Strafrahmen bei Zuwiderhandlungen deutlich erhöht und auf EU-Ebene zur Folge gehabt, dass auch die Lieferung nicht gelisteter Rüstungsgüter in Militärprojekte meldepflichtig geworden wäre. Von einer solchen Maßnahme hat die EU jedoch bisher Abstand genommen.

Weiterführende Hinweise

Zu allgemeinen sanktions- und embargorechtlichen Fragen verweisen wir auf unseren jüngsten Beitrag zu Sanktions- und Embargorecht in Deutschland, erschienen im International Comparative Legal Guide, Sanctions 2020, https://iclg.com/practice-areas/sanctions/germany.

Regulierung & Governmental Affairs

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