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Aufsichtsrats­beschluss bei Über­nahme einer Geldstrafe, Geld­buße oder Geld­auflage eines Vorstands­mitglieds durch die Aktien­gesellschaft nicht immer ausreichend

17.10.2014

Mit Urteil vom 08.07.2014 (Az.: II ZR 174/13) hat der Bundesgerichtshof jüngst entschieden, dass ein Aufsichtsratsbeschluss nur in eingeschränkten Fällen ausreicht, wenn eine Aktiengesellschaft die einem ihrer Vorstandsmitglieder auferlegte Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage übernehmen möchte. Hat das betroffene Vorstandsmitglied durch die Handlung, welche die auferlegte Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage begründet, zugleich auch eine Pflicht gegenüber der Aktiengesellschaft verletzt, so ist nach der Entscheidung des II. Zivilsenats für die wirksame Übernahme dieser Geldsanktion entsprechend § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich. Eine Entscheidung des Aufsichtsrats, die sich an den Vorgaben der in § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG niedergelegten Business Judgement Rule orientiert, genügt danach nicht.

Klarstellung umstrittener Frage

Mit dieser Entscheidung hat der BGH bisher bestehende Unklarheiten beseitigt. Bislang war es im Schrifttum umstritten, ob der Aufsichtsrat die Erstattung einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage nach pflichtgemäßer Abwägung des Einflusses der Erstattung auf das Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit, auf die Arbeitsmoral sowie die künftige Gesetzestreue der Betroffenen und der Belegschaft mit der Schuld des Betroffenen und dem Schaden für die Gesellschaft jedenfalls entsprechend den vom Bundesgerichtshof mit dem sogenannten „ARAG/Garmenbeck“-Urteil (Urteil v. 21.04.2007 – II ZR 175/95) aufgestellten Grundsätzen aufgrund gewichtiger Gründe des Unternehmenswohls beschließen durfte.

Zugleich hat der Bundesgerichtshof noch einmal klargestellt, dass die Erstattung einer Geldauflage nach § 153a StPO nicht den Straftatbestand der Begünstigung oder Strafvereitelung nach §§ 257, 258 StGB erfüllt.

Aufsichtsrat hat bei Beurteilung der Pflichtwidrigkeit kein Ermessen

Bei der Beurteilung, ob in der strafrechtlich relevanten Handlung eine Pflichtwidrigkeit zulasten der Aktiengesellschaft vorliegt, steht dem Aufsichtsrat kein unternehmerisches Handlungsermessen zu. Maßgeblich ist allein die objektive Rechtslage. Nach dem Urteil des BGH kann der Aufsichtsrat in Fällen, in denen er keine hinreichenden Informationen zur Beurteilung hat, eine vorläufige Regelung wie ein Darlehen mit Rückzahlungsvorbehalt treffen.

Auswirkungen auf die Praxis

Das Urteil des Bundesgerichtshofs dürfte insbesondere relevant sein, wenn einem Vorstandsmitglied Untreue, Betrug, Bilanzfälschung oder Insolvenzverschleppung vorgeworfen wird. Die Entscheidung führt im Ergebnis zu einem weitergehenden Risiko von Fehlentscheidungen auf Seiten des Aufsichtsrats. Insbesondere in Fällen der Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO, in denen eine etwaige Pflichtverletzung nicht im Strafverfahren festgestellt wird, muss für die Frage der Erstattung einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage das Nichtbestehen einer Pflichtverletzung gegenüber der Aktiengesellschaft durch den Aufsichtsrat oder in einem nachfolgenden Rechtsstreit festgestellt werden, wenn die Hauptversammlung der Übernahme der Geldsanktion nicht zugestimmt hat. Je nach prozessualer Ausgangssituation kann den Aufsichtsrat in einem solchen Fall die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtbestehen einer Pflichtverletzung durch das Vorstandsmitglied gegenüber der Aktiengesellschaft treffen. Anschlussfragen stellen sich im Übrigen im Hinblick auf Erstattungen von Geldsanktionen gegenüber Angestellten der Gesellschaft, gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern, gegenüber Organmitgliedern verbundener Unternehmen oder bei Gesellschaften anderer Rechtsform.

Das Urteil im Volltext lesen Sie hier.