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EU-Finanz­sanktionen: Bundesbank aktualisiert ihre FAQ

19.05.2025

Finanzsanktionen sind tiefgreifende Einschränkungen des Außenwirtschaftsverkehrs. Das Einfrieren vorhandener und das Verbot der Bereitstellung neuer Vermögenswerte führen bei gelisteten natürlichen oder juristischen Personen zu einem nahezu vollständigen Verbot des Kapital- und Zahlungsverkehrs. Die Compliance mit den regelmäßig straf- oder jedenfalls bußgeldbewehrten Finanzsanktionen stellt nicht nur Unternehmen der Finanzwirtschaft vor große Herausforderungen.

Die Deutsche Bundesbank veröffentlicht daher auf ihrer Website zahlreiche Informationen zur Auslegung und Anwendung geltender Finanzsanktionen. Wenngleich es sich bei Finanzsanktionen vorwiegend um Recht der Europäischen Union handelt, ist aufgrund des indirekten Vollzugs des Unionsrechts die Bundesbank als nationale Behörde für deren Umsetzung in Deutschland zuständig. Insbesondere veröffentlicht die Bundesbank eine Liste häufig gestellter Fragen – sog. FAQ – zum Thema Finanzsanktionen mitsamt entsprechenden Antworten. FAQ sind eine im Internet schon lange übliche Informationstechnik und erfreuen sich seit einiger Zeit auch bei Behörden wachsender Beliebtheit. Die FAQ der Bundesbank sind zwar grundsätzlich nicht rechtlich verbindlich, aber ein gewichtiges Indiz für die tatsächliche Verwaltungspraxis der Bundesbank und die zugrunde liegenden Rechtsansichten. Europaweit agierende Unternehmen sollten sich allerdings nicht ohne Weiteres auf die FAQ der Bundesbank verlassen. Denn nicht immer stimmen die Rechtsauffassungen der Bundesbank mit denjenigen der Europäischen Kommission oder der Sanktionsbehörden anderer EU-Mitgliedstaaten überein.

Aus den im Mai 2025 aktualisierten FAQ der Bundesbank zum Thema Finanzsanktionen stechen in praktischer Hinsicht die folgenden Punkte hervor:

Keine mehrfache Genehmigungspflicht innerhalb der EU

Geldtransfers werden vor ihrer Gutschrift auf dem Empfängerkonto nicht selten durch mehrere Länder geleitet. In solchen Fällen stellte sich im Sanktionsrecht bislang die Frage, ob bei einer Genehmigung des Geldtransfers eingefrorener Gelder durch die zuständige Sanktionsbehörde eines anderen EU-Mitgliedstaat vor der Durchleitung oder Gutschrift der Gelder in Deutschland eine weitere Genehmigung der Bundesbank einzuholen ist. Nach dem unionsrechtlichen Prinzip der gegenseitigen Anerkennung lag es nahe, die Notwendigkeit weiterer Genehmigungen innerhalb der EU zu verneinen.

Dies hat die Bundesbank nunmehr bestätigt. Eingefrorene Gelder werden mit der Genehmigung der zuständigen Behörde eines EU-Mitgliedstaates im Umfang der Genehmigung freigegeben. Weitere Genehmigungen der zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten sind für die Durchleitung oder Gutschrift dieser Gelder auf dem Empfängerkonto nach Rechtsaufassung der Bundesbank nicht erforderlich.

Kontrolle gelisteter Personen über nicht gelistete Unternehmen und mittelbare Bereitstellungen

Das Einfrieren von Vermögenswerten gelisteter Personen und das Verbot einer Bereitstellung von Vermögenswerten zugunsten gelisteter Personen sind zielgerichtete Sanktionen. Nach Ansicht der Bundesbank gelten diese Finanzsanktionen daher grundsätzlich nur für solche Personen und Organisationen, die in den maßgeblichen Rechtsakten gelistet sind (sog. Listungsgrundsatz).

Das Mehrheitseigentum einer gelisteten Person an einem nicht sanktionierten Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit führt nach Ansicht der Bundesbank „nicht automatisch“ dazu, dass die Gelder des Unternehmens eingefroren sind. Die Bundesbank weicht damit von der Rechtsauffassung der Europäischen Kommission ab, wonach das Eigentum oder die Kontrolle einer gelisteten Person an einer nicht gelisteten Gesellschaft grundsätzlich auch zu einer Kontrolle über die Vermögenswerte der Gesellschaft führt. Nach den einschlägigen Bestimmungen des EU-Sanktionsrechts sind nur solche Gelder einzufrieren, die entweder im Eigentum oder Besitz einer gelisteten Person stehen oder von einer gelisteten Person gehalten oder kontrolliert werden. Dass eine gelistete Person über ihre (Mehrheits-) Eigentümerstellung Einfluss auf die Leitung eines nicht gelisteten Unternehmens ausüben kann, begründet nach Ansicht der Bundesbank jedoch nicht automatisch eine Kontrolle der gelisteten Person über die Vermögenswerte des nicht gelisteten Unternehmens. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Leitung des nicht gelisteten Unternehmens dem Unionsrecht unterliegt. Aufgrund ihrer Bindung an das Unionsrecht mache sich die Unternehmensleitung nämlich strafbar, wenn sie einen Zugriff auf die Vermögenswerte des Unternehmens durch den gelisteten Mehrheitseigentümer zuließe.

Die Bundesbank verlangt, dass die Kontrolle eines gelisteter Mehrheitseigentümers über die Vermögenswerte der nicht gelisteten Gesellschaft positiv festgestellt wird. Nach ihrer ausdrücklich mit der Bundesregierung abgestimmten Sichtweise erfordert eine solche Kontrolle, dass der gelistete Anteilseigner seinen Einfluss in einer Weise ausgeübt hat, die ihm „den ‚Schlüssel zum Tresor des Unternehmens‘ verschafft“. Einem gelisteten Mehrheitseigentümer müsse eine (eigene) Verfügungsbefugnis über die Vermögenswerte des nicht gelisteten Unternehmens zustehen. Für die Annahme einer Kontrolle könne zudem ein „besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Entscheidungsträger der nicht gelisteten Gesellschaft zu einer gelisteten Person […] bspw. aus einer familiären Beziehung oder aus wirtschaftlicher Abhängigkeit“ sprechen sowie die Eigenschaft des nicht gelisteten Unternehmens als reine Holding.

Dass einer gelisteten Person eine Leitungsfunktion oder die Stellung als wirtschaftlich Berechtigter in einem nicht gelisteten Unternehmen zukommt, reiche für eine Kontrolle der Person über die Vermögenswerte des Unternehmens hingegen nicht aus. Eine Kontrolle sei nur dann anzunehmen, wenn die gelistete Person „innerhalb des Unternehmens […] ungehindert ‚schalten und walten‘ kann“. Hat das nicht gelistete Unternehmen seinen Sitz außerhalb der Union oder wird es von Personen geführt, die sich nicht im Unionsgebiet aufhalten, sind nach der Bundesbank geringere Anforderungen an die Kontrolle der Vermögenswerte durch eine gelistete Person zu stellen. Denn insoweit bestehen gerade keine aus der Bindung an EU-Recht folgenden Strafbarkeitsrisiken.

Für die Bereitstellung von Vermögenswerten an nicht gelistete Unternehmen im Mehrheitseigentum einer gelisteten Person gelten vergleichbare Erwägungen. Das Bereitstellungsverbot verbietet zwar auch eine mittelbare Bereitstellung von Geldern an gelistete Personen. Jedoch könne nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass eine Zahlung an ungelistete Unternehmen zu einer Weiterleitung der Gelder an den gelisteten Mehrheitseigentümer und damit zu einer mittelbaren Bereitstellung führt. Bei Unternehmen mit Sitz und Geschäftsführung in der EU, die an das strafbewehrte Bereitstellungsverbot gebunden sind, sprechen nach Ansicht der Bundesbank vielmehr gewichtige Gründe gegen eine Weiterleitung der Gelder und folglich gegen ein mittelbares Bereitstellungsverbot. Nach der Ansicht der Europäischen Kommission gilt hingegen gerade die gegenteilige Vermutung, nämlich dass Zahlung an ungelistete Unternehmen grundsätzlich an ihren gelisteten Mehrheitseigentümer weitergeleitet werden oder diesem zugutekommen.

Zusammenrechnung der Eigentumsanteile gelisteter Personen

Des Weiteren schließt sich die Bundesbank in ihren aktualisierten FAQ der Rechtsauffassung des Rats und der Europäischen Kommission an, wonach bei der Prüfung, ob ein nicht gelistetes Unternehmen im Eigentum einer gelisteten Person steht, Eigentumsanteile verschiedener gelisteter Personen zusammengerechnet werden.

Dies allein führe jedoch nicht bereits zu einer Kontrolle der gelisteten Personen über die Vermögenswertes des Unternehmens. Dafür verlangt die Bundesbank weiterhin Anhaltspunkte, dass die gelisteten Personen bei der Ausübung ihrer Gesellschafterrechte in einer Weise zusammenwirken, die nach den oben dargestellten Maßstäben eine Kontrolle über die Vermögenswerte begründet.

Beaufsichtigung von Tochtergesellschaften außerhalb der EU

Schließlich konkretisiert die Bundesbank in ihren FAQ noch die Anforderungen an die Beaufsichtigung von Tochtergesellschaften außerhalb der EU. Das EU-Sanktionsrecht gilt zwar grundsätzlich nicht für Gesellschaften, die nach dem Recht eines Drittstaats gegründet worden sind. Im Sommer 2024 verabschiedete der Sanktionsgesetzgeber jedoch eine Pflicht natürlicher und juristischer Personen, sich nach besten Kräften darum zu bemühen, dass in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle stehenden Gesellschaften außerhalb der Union sich nicht an Handlungen beteiligen, die die EU-Sanktionen gegen Russland oder Belarus untergraben. Der genaue Inhalt dieser Bemühenspflicht ist bislang nicht vollständig geklärt.

Nach Auffassung der Bundesbank gilt die Pflicht dann als erfüllt, wenn die Verpflichteten ein schlüssiges und in sich stimmiges Konzept vorlegen können, wonach jedes außerhalb der Union niedergelassene Tochterunternehmen dazu angehalten ist, die Sanktionen gegen Russland oder Belarus einzuhalten. Sofern möglich, müssten die Betroffenen die Einhaltung ihrer Vorgaben durch ihre Tochterunternehmen auch überwachen. Inhaltlich dürfte es bei der Gestaltung solcher Konzepte vor allem darum gehen, drittstaatlichen Tochtergesellschaften eine Beteiligung an solchen Aktivitäten zu untersagen, die die EU-Finanzsanktionen gerade verhindern sollen, namentlich dass gelistete Personen ihre vorhandenen Vermögenswerte nutzen können und ihnen neue Vermögenswerte bereitgestellt werden.

Ausblick

Mit der Aktualisierung ihrer FAQ macht die Bundesbank ihre Rechtsanwendung bei der Umsetzung von Finanzsanktionen transparenter und berechenbarer. Für die sanktionsrechtliche Zulässigkeit eines bestimmten Verhaltens bleiben jedoch stets die Umstände des konkreten Einzelfalls maßgeblich. Insbesondere die Erfüllung der von der Bundesbank aufgestellten Voraussetzungen für eine Kontrolle der Vermögenswerte eines nicht gelisteten Unternehmens durch eine oder mehrere gelistete Personen dürften dabei in der Praxis nur schwer nachprüfbar sein, was die Gefahr einer Over-Compliance birgt. Darüber hinaus können Unternehmen sich Situationen gegenübersehen, in denen die Rechtsauffassung der Bundesbank von derjenigen der Europäischen Kommission oder der Sanktionsbehörden anderer EU-Mitgliedstaaten abweicht.

Dass die Bundesbank ihrer Rechtsauffassung zur Reichweite der EU-Finanzsanktionen mehr Kontur verleiht, ist gleichwohl zu begrüßen. Die Compliance-Anforderungen an betroffene Unternehmen werden dadurch klarer, aber nicht geringer.

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