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EU verhängt weitere Sanktionsrunde gegen Russland

26.06.2023

Am 21. Juni 2023 haben sich die EU-Mitgliedstaaten auf das elfte Sanktionspaket gegen Russland geeinigt. Dabei vollführen sie einen Balanceakt zwischen der Durchsetzung der Einhaltung der Sanktionen und dem Versuch, Drittländer nicht zu verstimmen. Das Sanktionspaket wurde am 23. Juni 2023 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Dieser Newsbeitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Regelungen.

Schwerpunkt des Pakets sind Maßnahmen gegen die Umgehung von Sanktionen der EU, unter anderem durch Einführung eines „anti-circumvention tool“ (A.), mit dem gegen Drittländer vorgegangen werden kann, die im Verdacht der Umgehung stehen. Darüber hinaus weitet das Paket das Verbot der Durchfuhr durch Russland beim Export kritischer Güter aus der EU in Drittländer (B.) und die Liste der nach Verordnung (EU) Nr. 833/2014 (Änderungsrechtsakt hier abrufbar) sanktionierten Unternehmen aus. Letzteres betrifft erstmals Organisationen aus anderen Ländern als Russland und Iran. Gleichzeitig erweitert das Paket den Kreis der nach Verordnung (EU) Nr. 269/2014 (C., Änderungsrechtsakte hier und hier abrufbar) sanktionierten Personen. Nicht zuletzt verschärft die EU ihre Handelsbeschränkungen weiter (D.).

Kommissionspräsidentin von der Leyen begrüßte die Einigung mit den Worten, das Sanktionspaket werde „Putins Kriegsmaschinerie mit verschärften Exportbeschränkungen und gezielten Maßnahmen gegen Einrichtungen, die den Kreml unterstützen, einen weiteren Schlag versetzen.“ Sie ergänzte: „Unser Anti-Umgehungs-Instrument wird Russland daran hindern, sanktionierte Waren in die Hände zu bekommen.“

A. Das neue Instrument zur Bekämpfung der Umgehung von Sanktionen

Unter Abschwächung des ursprünglichen Vorschlags der Kommission erlaubt das im neuen Artikel 12f der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 niedergelegte Instrument zur Bekämpfung von Umgehungen (anti-circumvention tool) dem Rat – als außerordentliche Maßnahme und letztes Mittel – den Verkauf, die Lieferung, die Verbringung oder die Ausfuhr bestimmter Güter und Technologien in Drittländer zu beschränken, in deren Rechtsraum nachweislich ein anhaltendes und besonders hohes Risiko der Umgehung von Sanktionen besteht.

Im Fokus des Instruments sollen bestimmte Hochrisikogüter stehen, die unter EU-Sanktionen fallen und nachweislich trotzdem nach Russland gelangen. Diese Güter sowie die betreffenden Drittländer können gegebenenfalls in den neuen Anhang XXXIII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 aufgenommen werden. Nach Maßgabe von Artikel 12f Abs. 3 n.F. dieser Verordnung dürfen nur sensible Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck oder Güter und Technologien, die zur Stärkung der militärischen, technologischen oder industriellen Kapazitäten Russlands bzw. zur Entwicklung des russischen Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen könnten, in Anhang XXXIII aufgenommen werden.

Hinsichtlich der Drittländer legt Artikel 12f Abs. 3 n.F. der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 fest, dass nur solche Drittländer in Anhang XXXIII gelistet werden können, bei denen der Rat festgestellt hat, „dass sie es systematisch und kontinuierlich versäumt haben, den Verkauf, die Lieferung, die Verbringung oder die Ausfuhr nach Russland der in jenem Anhang aufgeführten Güter und Technologien, die trotz der vorherigen Kontakte der Union zu dem betreffenden Land und ihrer Unterstützung für dieses Land aus der Union ausgeführt wurden, zu verhindern.“ Diese Regelung sieht damit mehrere Auswege und Raum für diplomatische Anstrengungen vor, bevor ein Land in die Liste aufgenommen werden kann.

Der Ausnahmecharakter des Instruments wird zusätzlich durch die Anforderung unterstrichen, dass die EU die Regierung des betreffenden Drittlandes vor der Aufnahme in Anhang XXXIII „unterrichten und aktiv ihre Stellungnahme einholen“ muss. Im Übrigen weist die EU-Kommission in ihren Fragen und Antworten ausdrücklich darauf hin, dass der aktuell noch leere Anhang XXXIIII „nur gefüllt wird, sofern keine andere Lösung gefunden werden konnte.“ Die Aufnahme eines Drittlandes und bestimmter Güter in Anhang XXXIII erfordert als weitere Hürde einen einstimmigen Beschluss des Rats.

B. Ausweitung des Durchfuhrverbots bestimmter EU-Ausfuhren durch Russland

Als zusätzliche Maßnahme gegen Sanktionsumgehungen verbieten die neuen Artikel 2a Abs. 1a und Artikel 3c Abs. 1a der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 die Durchfuhr von in Anhang VII bzw. XI dieser Verordnung aufgeführten Gütern und Technologie aus der EU durch Russland. Die Anhänge VII und XI enthalten Güter, die zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands oder zur Entwicklung seines Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen könnten oder die für die Verwendung in der Luft- oder Raumfahrtindustrie geeignet sind. Indem EU-Ausführer gezwungen werden, das russische Hoheitsgebiet zu meiden, versucht die EU das Risiko zu minimieren, dass solche sensiblen Güter während der Durchfuhr durch Russland umgeleitet werden.

Außerdem soll Schiffen der Zugang zu EU-Häfen verweigert werden, die an Umladungen auf See beteiligt waren oder anderweitig in Verdacht stehen, gegen das Verbot der Einfuhr von russischem Rohöl auf dem Seeweg zu verstoßen. Auf dem Landweg wird die Beförderung von Gütern nun auch mit in Russland zugelassenen Anhängern und Sattelanhängern vollständig untersagt.

C. Erweiterte Listungen

Die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Sanktionen auf Unternehmen und Drittländer, über die Russland sanktionierte Waren bisher beziehen konnte, erwies sich im Rahmen der langwierigen Verhandlungen als einer der strittigsten Punkte. Berichten zufolge hatte die Kommission ursprünglich vorgeschlagen, in Anhang IV der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 acht chinesische Firmen aufzunehmen. Nachdem Mitgliedstaaten der EU wegen der Auswirkungen der Aufnahme chinesischer Unternehmen in die Liste Bedenken geäußert hatten, sind nun nur noch drei Unternehmen mit Sitz in Hongkong im Sanktionspaket aufgeführt. Medienberichten zufolge rechnet die EU-Kommission damit, dass China gegen die Umgehung der EU-Sanktionen durch die anderen fünf Unternehmen vorgehen wird. Insgesamt wurden 87 neue Entitäten in die Liste aufgenommen, darunter mit Armenien, Hongkong, Syrien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Usbekistan auch erstmals solche aus anderen Drittländern als Iran.

Das elfte Paket nimmt zudem weitere 71 Personen und 33 vorwiegend russische Organisationen in die Liste natürlicher und juristischer Personen auf, die dem Einfrieren von Vermögenswerten und dem Verbot der Bereitstellung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen nach Artikel 2 der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 in Verbindung mit Anhang I der Verordnung unterliegen. Zu den in Anhang I neu aufgenommenen Personen zählen hochrangige Militärangehörige, Personen, die an der illegalen Deportation ukrainischer Kinder nach Russland beteiligt sind, russische IT-Unternehmen, die dem russischen Geheimdienst kritische Technologien und Software zur Verfügung stellen sowie zwei Banken (CMR Bank und MRB Bank).

D. Handelsbeschränkungen

Zu den sonstigen nennenswerten Änderungen gehören die Anwendung von Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen auf einer höheren Klassifizierungsebene, d. h. auf Positions- statt wie bisher auf Unterpositionsebene der Kombinierten Nomenklatur („KN“). Dies dient dem erklärten Ziel, die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften durch den Zoll zu vereinfachen, bedeutet aber gleichzeitig, dass die Ausfuhrverbote für eine viel breitere Palette von Gütern gelten als bisher. Zum Beispiel greift das Ausfuhrverbot für Eisen- und Stahlerzeugnisse gemäß Artikel 3g Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 nun einheitlich bereits auf der Positionsebene und umfasst die Unterpositionen 7206 KN bis 7229 KN und 7301 KN bis 7326 KN. Ebenso zielt das Ausfuhrverbot gemäß Artikel 3k der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 für die in Anhang XXIII dieser Verordnung aufgeführten Waren jetzt überwiegend auf die Positionsebene ab. So gilt Anhang XXIII nun etwa für die Positionen 8477 KN (Maschinen und Apparate zum Be- oder Verarbeiten von Kautschuk oder Kunststoffen) und 8482 KN (Wälzlager (Kugellager, Rollenlager und Nadellager)).

Außerdem ist die Ausfuhr aller Kraftfahrzeuge mit einem Hubraum von mehr als 1.900 cm³ verboten, wie auch die Ausfuhr von Jachten.

E. Hintergrund und Ausblick

Die jüngste Sanktionsrunde der EU hatte Kommissionspräsidentin von der Leyen bereits Anfang Mai am Rande ihres Besuchs in Kiew skizziert. Von der Leyen versprach, die EU werde alles tun, was in ihrer Macht stehe, um Putins Kriegsmaschinerie lahmzulegen und seine Einnahmen versiegen zu lassen, und bekräftigte, dass die Sanktionen Wirkung zeigten. Bei dem neuen Sanktionspaket, so von der Leyen, gehe es vor allem darum, die Umgehung von EU-Sanktionen zu bekämpfen – insbesondere durch Ausweitung des Durchfuhrverbots auf moderne Technologieerzeugnisse und Flugzeugteile, durch Einführung eines nur als letztes Mittel einzusetzenden Werkzeugs zum Verbot bestimmter Ausfuhren an Drittländer sowie durch das Verbot sogenannter „Schattenorganisationen“ aus Russland und aus Drittländern, die absichtlich Sanktionen umgehen.

Die Verordnungen wurden am 23. Juni 2023 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und traten an diesem Tag (Erweiterung des Anhangs I zur VO (EU) 269/2014) bzw. am darauffolgenden Tag (Änderungen der VO (EU) 833/2014) in Kraft. Die Einigung auf das neue Sanktionspakets wurde erneut durch Diskussionen zwischen den Mitgliedstaaten verzögert. Das öffentliche Ringen um die neuen Maßnahmen könnte auf weitere Konflikte in der Zukunft hindeuten, da die Sanktionen die Volkswirtschaften der EU-Mitgliedstaaten zunehmend belasten. Es bleibt abzuwarten, ob die EU-Mitgliedstaaten zu den relativ schnellen und geräuschlosen Verhandlungen früherer Sanktionspakete zurückkehren können.

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