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Geplante Novelle des Energie­sicherungs­gesetzes – Vorbereitung auf den Krisenfall

03.05.2022

Der Bundestag hat am 29. April 2022 in erster Lesung über einen Entwurf zur Novellierung des Energiesicherungsgesetzes und weiterer energiewirtschaftlicher Vorschriften beraten. Der Gesetzentwurf beruht auf einer sog. „Formulierungshilfe“ der Bundesregierung, wurde also von ihr erarbeitet und sodann von den Regierungsfraktionen in den Bundestag eingebracht. Diese Vorgehensweise ermöglicht ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren binnen weniger Wochen.

Mit der Novelle soll insbesondere das Energiesicherungsgesetz aus dem Jahre 1975 angesichts des andauernden Angriffskriegs und der sich zuspitzenden Lage auf den Energiemärkten rechtssicherer und klarer gefasst werden. Namentlich sollen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit und einer schnellen Handlungsfähigkeit im Krisenfall neue Rechtsgrundlagen geschaffen und bestehende Regelungen an die aktuellen Herausforderungen angepasst werden. Angepasst werden sollen daneben weitere energiewirtschaftliche Vorschriften.

Treuhandverwaltung und Enteignung von Unternehmen der kritischen Infrastruktur

Die geplante Novelle ermöglicht es, zukünftig Unternehmen der kritischen Infrastruktur im Bereich Energie unter Treuhandverwaltung zu stellen, wenn ansonsten eine konkrete Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht. Dies betrifft solche Unternehmen, die von hoher Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens sind, weil bei ihrem Ausfall erhebliche Versorgungsengpässe zu befürchten wären. Der Kreis der Adressaten ist weit und erfasst auch Konzernobergesellschaften, die nicht selbst, sondern deren verbundene Unternehmen kritische Infrastrukturen betreiben.

Die Anordnung der Treuhandverwaltung erfolgt durch Verwaltungsakt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und darf zunächst auf höchstens sechs Monate befristet werden; die Novelle sieht allerdings eine Verlängerungsoption für weitere sechs Monate vor. Die Treuhandverwaltung ist maßgeblich darauf gerichtet, den Betrieb des Unternehmens fortzuführen. Zu diesem Zweck können auch Vermögensgegenstände des Unternehmens auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden. Die Übertragung von Anteilen an dem unter Treuhandverwaltung gestellten Unternehmen ist indes nicht möglich, weil darin eine staatliche Güterbeschaffung – und mithin eine Enteignung – läge. Für Fälle der Treuhandverwaltung, in denen die Rechtswirkungen über die Sozialbindung des Eigentums hinausgehen, enthält der Gesetzentwurf eine Ausgleichsregelung.

Als Ultima Ratio sieht die Novelle schließlich auch die Möglichkeit einer Enteignung der oben genannten Unternehmen vor. Eine solche Enteignung kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn sie erstens zur Sicherung des Funktionierens des Gemeinwesens im Bereich Energie erforderlich ist und zweitens eine zeitlich begrenzte Treuhandverwaltung nicht geeignet ist, diesen Zweck zu erfüllen. Die Enteignung erfolgt auf Grundlage einer Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen. Für die Enteignung ist eine Entschädigung vorgesehen.

Preisanpassungen bei verminderten Gasimporten

Energieversorgungsunternehmen sollen zukünftig die Gaspreise gegenüber ihren Kunden anpassen können. Maßgebliche Voraussetzung ist, dass zuvor die Alarmstufe oder Notfallstufe gemäß dem Notfallplan Gas ausgerufen wurde und die Bundesnetzagentur daraufhin eine erhebliche Reduzierung der Gasimporte nach Deutschland festgestellt hat. Das geplante Gesetz ermöglicht damit eine übergangsweise Weitergabe der gestiegenen Gaspreise entlang der Lieferkette. Vertraglich vereinbarte Preisanpassungsrechte bleiben von der Regelung unberührt. Den Kunden steht im Falle einer Preisanpassung auf Grundlage des Energiesicherungsgesetzes ein außerordentliches Kündigungsrecht zu.

Vorbereitung auf den EU-Solidaritätsfall und Einrichtung einer digitalen Plattform für Erdgas

Bestehende europäische Solidaritätsmechanismen sollen gestärkt werden: Die sogenannte SoS-Verordnung (Verordnung 2017/1938 vom 25. Oktober 2017) sieht vor, dass Mitgliedstaaten als letztes Mittel einander um Hilfe ersuchen können, wenn die notwendige Versorgung mit Erdgas nicht mehr gewährleistet ist. Wann dieser Solidaritätsfall eintritt, soll nunmehr klarer geregelt werden.

Die Novelle sieht zudem die Einrichtung einer digitalen Plattform für Erdgas vor. Diese soll sowohl bei einer nationalen Gasmangellage als auch im Solidaritätsfall innerhalb der Europäischen Union bei der Abwicklung von Maßnahmen zur Deckung des lebenswichtigen Bedarfs zur Anwendung kommen. Die Gassicherungsverordnung regelt die nähere Ausgestaltung dieser Plattform. Die Plattform soll frühestens ab dem 1. Oktober 2022 bereitstehen. Für Bilanzkreisverantwortliche, Betreiber von Fernleitungsnetzen und Gasverteilernetzen ist eine Registrierung Pflicht. Dasselbe gilt für bestimmte Gruppen von Endverbrauchern, nämlich industrielle und gewerbliche Kunden mit einer technischen Anschlusskapazität in Höhe von mindestens 10 Megawatt.

 


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