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Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern

03.12.2020

Das BMF hat am 20.11.2020 den Referentenentwurf  für das Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung von Kapitalertragsteuer (kurz: AbzStEntlModG) veröffentlicht. Mit dem Gesetz sollen Änderungen beim Abzugs- und Erstattungsverfahren für Steuern umgesetzt werden. Wesentlicher Bestandteil des Gesetzes ist die schon lange erwartete Neufassung der Anti-Treaty/Directive-Shopping-Regelung des § 50d Abs. 3 EStG. Weitere Änderungen betreffen die Vorschriften zur beschränkten Steuerpflicht bei der Überlassung oder Veräußerung von in einem inländischen Register eingetragenen Rechten sowie Verschärfungen bei der Verlustnutzung im Rückwirkungszeitraum nach § 2 UmwStG.

Beginn und Abschluss des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens sind erst im nächsten Jahr zu erwarten. Insoweit stellen die im Folgenden vorgestellten Änderungsvorschläge eine erste Diskussionsgrundlage dar, die sich im Gesetzgebungsverfahren noch ändern können.

Im Einzelnen enthält der Referentenentwurf die folgenden wesentlichen Neuerungen:

Neufassung der Vorschriften zum Verfahren der Entlastung ausländischer Steuerpflichtiger von Abzugsteuern (§ 50c EStG-E)

Im Zentrum der Änderungsvorschläge des AbzStEntModG steht die Neuregelung der Vorschriften für die Entlastung von Quellensteuern aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Richtlinien. Davon sind insbesondere Quellensteuerreduktionen für Dividenden und Lizenzzahlungen betroffen, die entweder im Erstattungswege oder im Freistellungsverfahren geltend gemacht werden können.

Hierzu sollen diejenigen Regelungen des § 50d EStG, die das Verfahren zur Entlastung von Kapitalertragsteuer und vom Steuerabzug nach § 50a EStG auf der Grundlage der §§ 43b, 44a Abs. 9, 50g EStG oder eines DBA außerhalb des Veranlagungsverfahrens betreffen, in einen neu gefassten § 50c EStG-E überführt werden.

In diesem Zusammenhang werden auch gesetzliche Vorbereitungen für eine vollständig digitalisierte Antragsbearbeitung beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) ab dem Jahr 2024 geschaffen. Dazu werden die elektronische Antragstellung und der elektronische Bescheidabruf als Grundsatz und Regelmethode in § 50c Abs. 5 EStG vorgeschrieben. Künftig sollen Freistellungs- und Erstattungsanträge ebenso wie Ansässigkeitsbescheinigungen nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmte Schnittstelle übermittelt werden, was die Bearbeitung beschleunigen dürfte. Umgekehrt werden dann auch entsprechende Freistellungsbescheinigungen und -bescheide zum Datenabruf durch Datenfernübertragung bereitgestellt.

Neuregelung der Anti-Treaty-Shopping-Regelung in § 50d Abs. 3 EStG

Mit dem AbzStEntlModG soll auch die Anti-Treaty/Directive-Shopping-Regelung in § 50d Abs. 3 EStG neu gefasst werden. Erforderlich wird die Überarbeitung durch die jüngere EuGH-Rechtsprechung (Rs. Deister Holding - C-504/16, Rs. GS – C-440/17 sowie die sog. Danish Cases C-115/16 bis C-119/16 sowie C-299/16).

Die Neuregelung gilt für Quellensteuerermäßigungen nach einem DBA, nach § 50a EStG sowie – über die geplanten Verweise in § 43b Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG-E, § 44a Abs. 9 EStG-E und § 50g Abs. 4 Satz 2 EStG-E – auch für Ermäßigungen nach der Mutter-Tochter-Richtlinie, der unilateralen Quellensteuerermäßigung nach § 44a Abs. 9 EStG und nach der Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie.

Nach einer ersten Analyse werden die Hoffnungen auf eine praxistaugliche Anti-Missbrauchsvorschrift enttäuscht. Zwar soll in § 50d Abs. 3 EStG grundsätzlich die Möglichkeit eines Gegenbeweises (in Form eines sog. Principle Purpose Test) aufgenommen werden. Die strengen Voraussetzungen hierfür könnten aber in vielen Fällen nur schwer zu erfüllen sein. Dies ist umso problematischer, als die Vorschrift in ihrem Grundtatbestand an einigen Stellen erheblich verschärft werden soll. Im Einzelnen:

Satz 1 - Vermutung eines Gestaltungsmissbrauchs

 

Nach Satz 1 der Neuregelung soll eine ausländische Gesellschaft keinen Anspruch auf eine Quellensteuerentlastung haben,

  • soweit Personen an ihr beteiligt oder durch ihre Satzung begünstigt sind, denen dieser Anspruch nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten (sog. persönlicher Entlastungsanspruch) und
  • soweit die Einkunftsquelle keinen wesentlichen Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit dieser ausländischen Gesellschaft aufweist (sog. sachliche Entlastungsberechtigung). Das bloße Erzielen von Einkünften und deren Weiterleitung an beteiligte oder begünstigte Personen sowie eine Tätigkeit ohne angemessen eingerichtetem Geschäftsbetrieb gelten dabei nicht als Wirtschaftstätigkeit.

Im Vergleich zur aktuellen Fassung des § 50d Abs. 3 EStG ist insbesondere auf die folgenden Änderungen hinzuweisen:

  • Für die persönliche Entlastungsberechtigung müssen die Anteilseigener der ausländischen Gesellschaft künftig einen Entlastungsanspruch nach „derselben Anspruchsnorm“ wie die ausländische Gesellschaft selbst haben. Die persönliche Entlastungsberechtigung wird danach selbst dann versagt, wenn dem Anteilseigner der Höhe nach zwar dieselbe Entlastung zusteht, sich dieser Anspruch aber aus einem anderen DBA oder einer anderen Regelung ergibt. Begründet wird dies mit der EuGH-Rechtsprechung in den sog. Danish Cases. Dies stellt eine erhebliche Verschärfung im Vergleich zur aktuellen Rechtslage dar. Hiervon betroffen sind auch sog. Mäanderstrukturen, bei denen unbeschränkt Steuerpflichtige über eine ausländische Gesellschaft in eine inländische Zielgesellschaft investieren. Relativiert werden die Auswirkungen lt. Gesetzesbegründung dadurch, dass ein gleichwertiger Entlastungsanspruch eines Anteilseigners auf Basis einer anderen Regelung den Gegenbeweis nach Satz 2 erleichtern soll. Ob dies tatsächlich gelingt, bleibt jedoch fraglich (siehe hierzu unten).
  • Für die sachliche Entlastungsberechtigung muss die Einkunftsquelle der ausländischen Gesellschaft künftig einen wesentlichen Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit der ausländischen Gesellschaft aufweisen. Im Ergebnis muss lt. Gesetzesbegründung „wirtschaftlich nachvollziehbar“ sein, dass die ausländische Gesellschaft die Einkunftsquelle hält. Anders als nach aktueller Rechtslage ist die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr keine Voraussetzung mehr. Auch die Ausschlüsse von der eigenen Wirtschaftstätigkeit in § 50d Abs. 3 Satz 3 EStG (keine Verwaltung von Wirtschaftsgütern, keine Übertragung wesentlicher Geschäftstätigkeiten auf Dritte) wurden nicht in die Entwurfsfassung übernommen. Die letztgenannten Anforderungen sollen zwar weiterhin Bedeutung haben, aber nicht mehr allein entscheidend sein. Eine „aktive Beteiligungsverwaltung“ stellt lt. Gesetzesbegründung eine Wirtschaftstätigkeit dar, selbst wenn die Einkünfte allein aus Dividenden der Tochtergesellschaften bestehen.
  • Die Vorschrift soll künftig auch dann vorgehen, wenn das jeweilige DBA eine eigene Missbrauchsvermeidungsregelung zum Treaty-Shopping enthält. Auch dies stellt eine Verschärfung zur derzeitigen Rechtslage dar, wonach eine abschließende DBA-Regelung der Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG vorgeht. Ferner soll § 42 AO für andere Konstellationen des Missbrauchs im Bereich der Entlastung von Abzugsteuern Anwendung weiterhin finden.

Satz 2 - Gegenbeweis

 

Neu eingeführt werden soll die Möglichkeit eines Gegenbeweises. Die Einschränkungen nach Satz 1 sollen danach keine Anwendung finden, wenn die ausländische Gesellschaft nachweist, dass keiner der Hauptzwecke ihrer Einschaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist. Anders als nach aktueller Rechtslage (in den Fällen des § 43b EStG gilt dies aufgrund zwischenzeitlich ergangener EuGH-Rechtsprechung allerdings bereits seit längerem, vgl. BMF v. 04.04.2018, BStBl. I 2018, 589) können beim Gegenbeweis auch außersteuerliche Gründe, die sich aus dem Konzernverhältnis ergeben, angeführt werden.

Die Beweislastverteilung ist äußerst kritisch zu sehen und könnte nach dem Wortlaut eine unüberwindbare Hürde darstellen. Das Nichtvorliegen einer Tatsache lässt sich nämlich nicht nachweisen. Praxisnäher erscheinen demgegenüber die Ausführungen in der Gesetzesbegründung, wonach Satz 1 durch Nachweis der Gründe für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft widerlegt werden kann. Dies sollte im Gesetzgebungsverfahren auch im Regelungswortlaut entsprechend korrigiert werden.

Ausschluss für börsennotierte Gesellschaften in § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG-E

 

Die Börsenklausel, die ausländische Gesellschaften vom Anwendungsbereich der Regelung des § 50d Abs. 3 EStG ausnimmt, soll beibehalten werden.

Dagegen ist die Ausnahme für Investmentfonds in der geplanten Neufassung des § 50d Abs. 3 EStG nicht mehr enthalten. In der Gesetzesbegründung wird dies mit der Ausweitung des Investmentfondsbegriffs im Rahmen der Investmentsteuerreform 2018 und möglichen Missbrauchsgestaltungen begründet.

Erstmalige Anwendung

 

Der Gesetzesentwurf enthält derzeit noch keine gesonderte zeitliche Anwendungsregelung für die Neuregelung des § 50d Abs. 3 EStG-E, so dass sich die erstmalige Anwendung nach der allgemeinen Anwendungsregel in § 52 Abs. 1 EStG-E zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes ergibt.

Änderung der beschränkten Steuerpflicht im Rahmen der Überlassung oder Veräußerung von Rechten (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f), Nr. 6 EStG-E)

Bisher können Einkünfte aus der Überlassung oder der Veräußerung von Rechten unter die beschränkte Steuerpflicht in Deutschland fallen, wenn die Rechte in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder im Inland verwertet werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f) und Nr. 6 EStG). Eine inländische Registereintragung könnte somit für die Begründung eines deutschen Besteuerungsrechts ausreichen. Eine Verwertung in einer inländischen Betriebsstätte oder ein inländischer Zahlungsstrom ist in diesem Fall nicht erforderlich.

Das Merkmal der inländischen Buch- oder Registereintragung soll nunmehr ersatzlos gestrichen werden. Damit kommt es künftig nur noch zur beschränkten Steuerpflicht, wenn das überlassene Recht in einer inländischen Betriebsstätte oder Einrichtung des Lizenznehmers verwertet wird. Hierdurch soll laut der Gesetzesbegründung eine beschränkte Steuerpflicht im Fall von Rechteüberlassungen auf Fälle mit einem substantiellen Inlandsbezug beschränkt werden. Dies soll der verbreiteten Praxis Rechnung tragen, Rechte häufig auch ohne konkreten Verwertungszusammenhang in einem Land schützen zu lassen. Die Neuregelung soll in allen offenen Fällen Anwendung finden (§ 52 Abs. 45a EStG-E).

Dieser Änderungsvorschlag kommt überraschend, da das BMF erst im kürzlich veröffentlichten BMF-Schreiben vom 06.11.2020 die beschränkte Steuerpflicht bei einer Anmeldung beim Europäischen Patent- und Markenamt für eine Eintragung der Rechte im Inland bejaht hat. Insoweit ist in aktuellen Fällen auch noch die Rechtsauffassung der Verwaltung weiter zu beachten.

Einschränkung der Verlustnutzung im Rückwirkungszeitraum im UmwStG

Im UmwStG soll ein Verrechnungsverbot für negative Einkünfte aus der Veräußerung oder Bewertung von Finanzinstrumenten oder Anteilen an Körperschaften eingefügt werden (§ 2 Abs. 5 UmwStG-E). Damit sollen bestimmte Gestaltungen verhindert werden, durch die im steuerlichen Rückwirkungszeitraum entstandene, noch nicht realisierte stille Lasten in Finanzinstrumenten oder Anteilen an einer Körperschaft auf einen Dritten übertragen werden, um dann eine Verrechnung mit positiven Einkünften zu ermöglichen. Das Verrechnungsverbot soll sich nicht nur auf Verschmelzungen auf Personen- oder Kapitalgesellschaften sowie Spaltungen von Kapitalgesellschaften beschränken, sondern daneben auch für Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft sowie für Einbringungen anwendbar sein.

Wird nachgewiesen, dass der Zweck der Umwandlung oder Einbringung nicht in der Verrechnung negativer Einkünfte bestand, soll das Verrechnungsverbot hingegen nicht greifen.

Erstmals soll das neue Verrechnungsverbot auf Umwandlungen und Einbringungen anzuwenden sein, bei denen die Anmeldung zur Eintragung in das für die Wirksamkeit des Vorgangs maßgebende öffentliche Register bzw. bei Einbringungen der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nach dem 20.11.2020 (Tag der Veröffentlichung des Referentenentwurfs) erfolgt. Das Verrechnungsverbot soll aber auch bereits in offenen Fällen gelten, sofern die äußeren Umstände darauf schließen lassen, dass die Verrechnung übergehender stiller Lasten wesentlicher Zweck der Umwandlung oder Einbringung war und der Steuerpflichtige dies nicht widerlegen kann (§ 27 Abs. 16 UmwStG-E).