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Kein Ausschluss des § 89b HGB analog für den in EU-/EWR-Staaten tätigen Vertragshändler

06.04.2016

Hinweis zur Urteilsanmerkung von Dr. Albin Ströbl in BB 2016, S. 848 (zu BGH, Urteil vom 25.02.2016, Az. VII ZR 102/15)

I.        Hintergrund

Dem Vertragshändler kann wie einem Handelsvertreter in entsprechender Anwendung des § 89b HGB ein Ausgleichsanspruch gegen den Hersteller oder Lieferanten im Falle der Beendigung des Vertragsverhältnisses zustehen. Die Anwendung dieser handelsvertreterspezifischen Vorschrift beim Vertragshändler erfordert aber, dass der Vertragshändler

  • (1) aufgrund besonderer vertraglicher Abmachungen so in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert ist, dass er wirtschaftlich in weitem Umfang Aufgaben zu erfüllen hat, die sonst einem Handelsvertreter zukommen; und
  • (2) verpflichtet ist, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (vgl. nur BGH, Urteil vom 05.02.2015, Az. VII ZR 315/13 m. w. N.).

II.       Sachverhaltskonstellationen

Bei der in internationalen Fallgestaltungen regelmäßig auftretenden Frage, ob – bei Vereinbarung von deutschem Recht und Vorliegen der vorgenannten Analogievoraussetzungen – der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers im Voraus – d.h. vor Vertragsbeendigung – wirksam ausgeschlossen werden kann, sind drei Sachverhaltskonstellationen zu unterscheiden:

1. Sachverhaltskonstellation – Tätigkeitsgebiet in Deutschland:

Der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers kann nicht im Voraus für einen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland tätigen Vertragshändler ausgeschlossen werden. Insoweit findet die zwingende Regelung des § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB beim Vertragshändler uneingeschränkt entsprechend Anwendung.

2. Sachverhaltskonstellation – Tätigkeitsgebiet außerhalb der EU/des EWR:

Der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers kann im Voraus für einen außerhalb des Gebietes der Europäischen Gemeinschaft (EU) oder der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) tätigen Vertragshändler ausgeschlossen werden. Dies folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 92c HGB.

3. Sachverhaltskonstellation – Tätigkeitsgebiet außerhalb von Deutschland, aber innerhalb der EU/des EWR:

Der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers kann nun nach dem Urteil des BGH vom 25.02.2016 (Az. VII ZR 102/15) nicht (mehr) im Voraus für einen außerhalb von Deutschland, aber innerhalb der EU oder des EWR tätigen Vertragshändler ausgeschlossen werden.

Diese Sachverhaltskonstellation war bisher umstritten; sie ist nun vom BGH entschieden worden.

Der BGH stellt in seiner Urteilsbegründung vorrangig auf die vermeintliche Intention des (deutschen) Gesetzgebers ab, Handelsvertreter und Vertragshändler ausgleichsrechtlich gleich zu behandeln. Dieser Ansatz erscheint fragwürdig. Auch konterkariert der BGH mit dieser Entscheidung das vom Bündnis für das deutsches Recht – gegründet 2008 auf Initiative des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz – proklamierte Ziel der Stärkung bzw. Attraktivität des Rechtsstandortes Deutschland („Law made in Germany“). Immerhin, das Urteil schafft nunmehr Rechtssicherheit.

III.      Fazit

Zusammenfassende Übersicht – Möglichkeiten des Ausschlusses des Ausgleichsanspruchs des Vertragshändlers im Voraus in den Konstellationen:

Eine ausführliche und kritische Urteilsanmerkung zu dem neuen Urteil des BGH vom 25.02.2016 mit den Praxisfolgen finden Sie in der Ausgabe der Zeitschrift „Betriebs-Berater“(BB 2016, S. 848). Wenn Sie an dem Thema interessiert sind, setzen Sie sich gerne mit unserem Partner Herrn Dr. Albin Ströbl in Verbindung, ebenso wenn Sie weitere Fragen zum Vertragshändlerrecht oder Vertriebsrecht haben.

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