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Smart Devices und Sprachassistenten im Fadenkreuz der Europäischen Kommission

23.07.2020

Mit Beschluss vom 16.07.2020 hat die Europäische Kommission („Kommission“) eine Sektoruntersuchung zum Internet of Things („IoT“) für verbraucherbezogene Produkte und Dienstleistungen in der Europäischen Union eingeleitet.

Die Sektoruntersuchung ist breit angelegt: Umfasst sind alle Produkte und Dienstleistungen, die mit einem Netzwerk verbunden sind und aus der Ferne gesteuert werden können. Speziell benannt werden am Körper getragene Geräte (Wearables, wie Smart Watches oder Fitness-Tracker) sowie „intelligente Heimgeräte“ (wie mit dem Internet verbundene Kühlschränke, Smart-TVs und Waschmaschinen). Im Bereich Dienstleistungen, die über Smart Devices angeboten werden, stehen digitale Sprachassistenten und Musik- und Video-Streaming-Dienste im Fokus.

Die kartellrechtlichen Bedenken der Kommission beruhen vor allem auf Ausmaß und Kontinuität der Datenflüsse, die Smart Devices von Verbrauchern sammeln. Der Zugang zu diesen Daten kann für die Entwicklung von Marktmacht und Wettbewerbsstrukturen nicht nur im Bereich IoT, sondern z.B. auch bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz eine zentrale Rolle spielen. Marktteilnehmer sollen ihre Kontrolle über diese Daten nicht dazu missbrauchen, den Wettbewerb zu verfälschen oder auf andere Weise Wettbewerber von (neu entstehenden) Märkten auszuschließen.

Ein weiterer Fokus der Sektoruntersuchung liegt auf der Beziehung zwischen Sprachassistenten bzw. Home-Hubs auf der einen und IoT-Geräten auf der anderen Seite. Hierzu soll untersucht werden, wie Schnittstellen und Kommunikationsstandards zwischen beiden Seiten entstehen und funktionieren. Die Kommission scheint insbesondere zu befürchten, dass Sprachassistenten zu „digitalen Torwächtern“ des verbraucherbezogenen IoT werden könnten. Als solche könnten sie Marktstandards vorgeben und dadurch potentielle Wettbewerber ausschließen sowie den Innovationswettbewerb behindern.

Eine Sektoruntersuchung ist eine der Ermittlungsmethoden, die der Kommission zur Verfolgung potentieller Verstöße gegen das europäische Kartellrecht zur Verfügung steht. Ihre Einleitung ist noch kein Anzeichen für das Vorliegen eines Verstoßes. Eine Sektoruntersuchung richtet sich auch nicht gegen ein bestimmtes Unternehmen. Allerdings hat die Kommission in der Vergangenheit die aus einer Sektoruntersuchung gewonnenen Erkenntnisse bereits zur Einleitung von Einzelverfahren genutzt. Außerdem beeinflussen Ergebnisse von Sektoruntersuchungen regelmäßig neue Rechtsakte der Europäischen Union.

Die Kommission wird zunächst Marktteilnehmer durch Auskunftsersuchen befragen. Diese können auch verpflichtend sein. Ein vorläufiger Abschlussbericht ist momentan für das Frühjahr 2021 avisiert.

Die Einleitung der Sektoruntersuchung ist für die Kommission ein weiterer Schritt in Richtung eines „Europa für das digitale Zeitalter“, wie der neue Aufgabenbereich von Exekutiv-Vizepräsidentin und Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager überschrieben ist (siehe hierzu unseren Competition Outlook 2020). Sie fügt sich ein in eine breite Agenda an digitalen Themen, die sowohl die Kommission als auch die nationalen Wettbewerbsbehörden, wie das Bundeskartellamt, aktuell bearbeiten, und sollte daher aufmerksam verfolgt werden.