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Erhöhtes Kurzarbeitergeld – Eine Herausforderung für die Gestaltungspraxis?

30.04.2020

Als eines der wichtigsten Instrumente zur Reduzierung von (ungenutztem) Personalaufwand und der damit verbundenen finanziellen Belastungen hat sich für Unternehmen in wirtschaftlichen Krisenzeiten die Einführung von Kurzarbeit erwiesen. Mittels Kurzarbeit wird vorübergehend die regelmäßige Arbeitszeit (ggf. bis „auf Null“) verringert. Damit einhergehend reduziert sich entsprechend auch der Arbeitsentgeltanspruch des von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber. Durch die Einführung von Kurzarbeit können daher aus Arbeitgebersicht Annahmeverzugsrisiken minimiert und rein faktisch auch betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden.

Die mit der Einführung von Kurzarbeit verbundenen finanziellen Einbußen der betroffenen Arbeitnehmer werden unter den Voraussetzungen der §§ 95 ff. SGB III dadurch abgemildert, dass die Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld gewährt, das dann von dem Arbeitgeber an die Arbeitnehmer ausgezahlt wird (näher zu den Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit und die Gewährung von Kurzarbeitergeld). Von Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer erhalten damit im Ergebnis (ein gegenüber ihrem üblichen Entgelt verringertes) Arbeitsentgelt für die (verkürzte) Arbeitszeit und zusätzlich Kurzarbeitergeld.

Höhe des Kurzarbeitergelds bislang

Die Höhe des Kurzarbeitergelds beträgt bislang grundsätzlich 60 % des ausgefallenen pauschalierten Nettoentgelts. Bei Arbeitnehmern mit berücksichtigungsfähigem Kind beträgt das Kurzarbeitergeld 67 % des ausgefallenen pauschalierten Nettoentgelts. Das für den jeweiligen Arbeitnehmer maßgebliche pauschalierte Nettoentgelt kann der entsprechenden Verordnung der Bundesregierung entnommen werden. Auf dieser Basis kann mithilfe der hierzu von der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung gestellten Tabelle die Höhe des Kurzarbeitergelds berechnet werden.

Zum Beispiel:

Arbeitnehmer, Steuerklasse III
und Kinderfreibetrag 1,0

Bruttogehalt
 

Pauschaliertes
Nettogehalt 

Leistungssatz:
67 % 

Monatliches Bruttogehalt    2.500,00 Euro  1.933,00 Euro  1.295,11 Euro
Monatliches Bruttogehalt bei 50 % Kurzarbeit    1.250,00 Euro  1.008,00 Euro  675,36 Euro
Kurzarbeitergeld       = 619,75 Euro
              
Monatliches Bruttogehalt  4.000,00 Euro   2.809,65 Euro    1.882,47 Euro
Monatliches Bruttogehalt bei 50 % Kurzarbeit  2.000,00 Euro  1.600,00 Euro    1.072,00 Euro
Kurzarbeitergeld           = 810,47 Euro

Aufstockung von Kurzarbeitergeld

Gelegentlich sehen Vereinbarungen zur Einführung von Kurzarbeit vor, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmern einen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld gewährt. Solche Vereinbarungen sind zulässig und die Gewährung eines Zuschusses zum Kurzarbeitergeld führt nach § 106 Abs.2 Satz 2 SGB III nicht zu einer Minderung des Kurzarbeitergelds.

Sofern die Verpflichtung zur Zahlung eines Zuschusses zum Kurzarbeitergeld nicht Bestandteil eines für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifvertrags ist, handelt es sich bei einem seitens des Arbeitgebers gewährten Zuschuss zum Kurzarbeitergeld um eine freiwillige Leistung, auf deren Gewährung der einzelne Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Anspruch hat. Auch der Betriebsrat kann nicht verlangen, dass mit ihm eine Vereinbarung abgeschlossen wird, wonach den Arbeitnehmern ein Zuschuss zum Kurzarbeitergeld gewährt wird. Allerdings – dies ist insbesondere bei einer seitens des Arbeitgebers gewünschten sehr kurzfristigen Einführung von Kurzarbeit im Betrieb mittels Betriebsvereinbarung nicht zu verkennen – wird die Bereitschaft des Betriebsrats zum kurzfristigen Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung häufig deutlich erhöht sein, wenn sich der Arbeitgeber bereit zeigt, einen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld zu zahlen.

Angesichts dessen, dass sich durch die Gewährung eines solchen Zuschusses die mit der Einführung von Kurzarbeit grundsätzlich verbundene finanzielle Entlastung des Unternehmens in wirtschaftlich häufig ohnehin bereits angespannten Zeiten verringert, sollte mit der Zusage bzw. der Gewährung eines Zuschusses zum Kurzarbeitergeld indes zurückhaltend umgegangen werden und dies auf Ausnahmesituationen begrenzt bleiben.

Beschluss des Koalitionsausschusses zur Höhe des Kurzarbeitergelds

Am 22.04.2020 wurde im Koalitionsausschuss unter anderem beschlossen, längstens bis 31.12.2020 das Kurzarbeitergeld für Arbeitnehmer, die Corona-Kurzarbeitergeld für ihre um mindestens 50 % reduzierte Arbeitszeit beziehen, ab dem vierten Monat des Bezugs auf 70 % (bzw. 77 % für Haushalte mit Kindern) und ab dem siebten Monat des Bezugs auf 80 % (bzw. 87 % für Haushalte mit Kindern) des pauschalierten Nettoentgelts zu erhöhen.

Bewertung für die betriebliche Praxis

Es ist davon auszugehen, dass für die Berechnung des Zeitpunkts, ab dem die schrittweise Erhöhungen des Kurzarbeitergelds greifen sollen, der 01.03.2020 als Stichtag für den Bezug von „Corona-Kurzarbeitergeld“ im Sinne des Beschlusses des Koalitionsausschusses maßgeblich ist. Dies bedeutet, dass es in Betrieben, in denen aufgrund der von der Bundesregierung am 25.03.2020 erlassenen „Verordnung über Erleichterung der Kurzarbeit (Kurzarbeitergeldverordnung – KugV)“ (rückwirkend) zum 01.03.2020 Kurzarbeit eingeführt wurde, ab dem 01.06.2020 zu den erhöhten Zahlungen kommt. Arbeitgeber sind gut beraten, bis dahin zu prüfen, ob die bestehenden betrieblichen Regelungen zur Kurzarbeit angepasst werden müssen.

Auswirkungen eines erhöhten Kurzarbeitergelds für die Gestaltungspraxis

Ob sich aus der Erhöhung des Kurzarbeitergelds Handlungsbedarf für betroffene Betriebe ergibt, hängt in erster Linie davon ab, wie die betrieblichen Regelungen zur Kurzarbeit ausgestaltet sind.
Soweit die relevanten Betriebs- oder Individualvereinbarungen zur Einführung von Kurzarbeit keine arbeitgeberseitige Aufstockung des staatlichen Kurzarbeitergelds vorsehen, bedarf es aktuell keiner Anpassung.

Anders verhält es sich dagegen in Betrieben, in denen mit dem Betriebsrat oder individuell mit den Arbeitnehmern eine Aufstockung des Kurzarbeitergelds vereinbart wurde. Hier kommt es für die Beantwortung der Frage, ob Anpassungsbedarf besteht, maßgeblich auf den konkreten Wortlaut der jeweiligen Vereinbarung an.

Keine Anpassung der Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit ist in der Regel notwendig, wenn die Aufstockung des Kurzarbeitergelds auf einen fest definierten Prozentsatz vorgesehen ist. Eine Regelung, die beispielsweise für Arbeitnehmer ohne berücksichtigungsfähiges Kind eine arbeitgeberseitige Aufstockung des Kurzarbeitergelds auf 80 % der Nettoentgeltdifferenz vorsieht, ist insoweit eindeutig. Die arbeitgeberseitig zugesagte Aufstockung des Kurzarbeitergelds kann – sofern auch die weitere Voraussetzung, dass nämlich eine um mindestens 50 % reduzierte Arbeitszeit vorliegt – für den Zeitraum der Geltung des staatlich erhöhten Kurzarbeitergelds zunächst ab dem vierten Monat der Kurzarbeit des jeweiligen Arbeitnehmers um 10 % reduziert und sodann ab dem siebten Kurzarbeitsmonat vollständig ausgesetzt werden. Sollte die eingeführte Kurzarbeit über den 31.12.2020 hinaus fortdauern, müsste der vollständige Aufstockungsbetrag – sofern nicht zwischenzeitlich der Gesetzgeber nochmals aktiv wird – ab Januar 2021 seitens des Arbeitgebers wieder gezahlt werden.

Handlungs- und Anpassungsbedarf besteht aus Arbeitgebersicht hingegen, wenn in der Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit „lediglich“ festgelegt wurde, dass die Bezüge während der Kurzarbeit arbeitgeberseitig um beispielsweise 20 % aufgestockt werden. Eine solche Regelung lässt Interpretationsraum, da aus ihr nicht hervorgeht, ob der Arbeitgeber eine Aufstockung bis auf 100 % des Nettoentgelts zusagen wollte. Im Übrigen könnte eine solche Regelung zu einer Benachteiligung von Arbeitnehmern mit berücksichtigungsfähigem Kind gegenüber solchen, die kein berücksichtigungsfähiges Kind haben, führen. Arbeitnehmer mit berücksichtigungsfähigem Kind erhalten zukünftig ab dem siebten Monat des Bezugs von Kurzarbeitsgeld 87 % der Nettoentgeltdifferenz als Kurzarbeitsgeld. Die beispielhaft genannte arbeitgeberseitige Aufstockung von 20 % müsste für diese Arbeitnehmer auf 13 % reduziert werden, da es andernfalls zu einer faktischen Gehaltserhöhung kommen würde. Solche Regelungen sollten daher dringend angepasst und unmissverständlich gefasst werden. Es darf durch die Aufstockungsbeträge nicht zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern mit und ohne berücksichtigungsfähigen Kindern kommen. Außerdem sollte aus der Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit eindeutig herausgelesen werden können, ob der Arbeitgeber eine Aufstockung lediglich bis zu einem bestimmten Prozentsatz (beispielsweise auf 80 % der Nettoentgeltdifferenz) vornehmen möchte, oder ob es seine Absicht ist, die Aufstockung auch bei einer Erhöhung des staatlichen Kurzarbeitergelds beizubehalten.