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Kein branchenübergreifendes Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen - Vorerst?

13.10.2020

Nachdem der Gesetzgeber ein mögliches Verbot von Leiharbeits- und Werkverträgen in der Fleischindustrie auf den Weg gebracht hat, äußerte sich die Bundesregierung anlässlich einer Kleinen Anfrage einiger Abgeordneter und der Fraktion Die Linke nunmehr zu einer branchenübergreifenden Reform des Fremdpersonaleinsatzes. 

I. Hintergrund

Durch die Corona-Krise und die hohe Zahl an Infektionen innerhalb einiger Betriebe der Fleischindustrie wurde die Öffentlichkeit auf die dortigen Arbeitsbedingungen aufmerksam. Als Ursache hierfür wurde – ob zurecht oder unrecht sei dahingestellt – insbesondere der Einsatz von Leiharbeits- und Werkverträgen angesehen. Dies veranlasste die Bundesregierung Maßnahmen zu ergreifen, um möglichen Missständen entgegenzuwirken. An oberster Stelle steht hierbei das Verbot von Leiharbeits- und Werkverträgen in der Fleischindustrie. Dieses soll 2021 in Kraft treten. Wir berichteten hierzu bereits in einem früheren Artikel.

Das neu entstandene Problembewusstsein wurde darüber hinaus zum Anlass genommen, auch in anderen Branchen über mögliche Mängel der Arbeitnehmerüberlassung und der Verwendung von Werkverträgen nachzudenken und Reformen anzustreben. Bereits im Juli kündigte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil an: „Wir werden uns Branche für Branche angucken und dann für die jeweilige Branche geeignete Maßnahmen ergreifen, wenn es nötig ist“. Ähnlich äußerte sich auch der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Rolf Mützenich: „Wir kümmern uns jetzt um die Fleischindustrie. Aber das Ziel ist klar: Ich will, dass der Missbrauch von Leih- und Werkverträgen in allen Bereichen der Wirtschaft verboten wird".

Einen ersten Vorstoß in diese Richtung lieferte nunmehr eine Kleine Anfrage im Bundestag. Durch diese sollte geklärt werden, ob die Bundesregierung auch für die anderen Branchen Handlungsbedarf sieht und wenn dies der Fall sein sollte, wie mögliche Maßnahmen aussehen könnten.

II. Branchenübergreifendes Verbot und sonstige Maßnahmen

Ohne Zweifel hat die momentane Pandemiesituation gezeigt, dass zumindest in gewissen Branchen und Bereichen Handlungsbedarf besteht. Mögliche Gefahren ausbeuterischer Arbeitsbedingungen ergeben sich nach Ansicht der Bundesregierung dort, wo Arbeitnehmer eine schwache Stellung auf dem Arbeitsmarkt haben.

Für die Frage, in welchen Branchen es gehäuft zur illegalen Arbeitnehmerüberlassung kommt, verweist die Bundesregierung auf die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Zollverwaltung. Bußgeldverfahren wegen illegaler Arbeitnehmerüberlassung wurden hiernach besonders häufig in den folgenden Branchen eingeleitet: Fleischwirtschaft, Arbeitnehmerüberlassung, Forstwirtschaft, Pflege, Baugewerbe, Speditions-, Transport- und damit verbundenes Logistikgewerbe und Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe.

Dennoch ergebe sich hieraus nicht die Notwendigkeit eines generellen, branchenübergreifenden Verbots. Zwar ließe die Auswertung der Finanzkontrolle Rückschlüsse auf mögliche Mängel innerhalb dieser Branchen zu, diese rechtfertigen jedoch noch kein generelles Verbot der Arbeitnehmerüberlassung. Es handle sich auch weiterhin um branchenspezifische Probleme, die nicht verallgemeinerungsfähig seien.

Auch eine angedachte Vermutungsregelung, welche im Falle eines Fremdpersonaleinsatzes von einem Leiharbeitsverhältnis ausgehen würde (Beweislastumkehr), wird trotz der oben genannten Befunde nicht für nötig empfunden.

Als weitere mögliche Maßnahme wurden zeitliche Begrenzungen des Einsatzes von Leiharbeitern (über die bereits bekannte, arbeitnehmerbezogene Überlassungshöchstdauer hinaus) und Werkverträgen in Betracht gezogen. Dies wurde mit der Feststellung begründet, dass Werkverträge in der Fleischindustrie nicht nur für kurzzeitigen Personalmangel und Auftragsspitzen eingesetzt, sondern als langfristige Lösung genutzt würden. Auch eine solche Begrenzung wurde jedoch mit dem Argument abgelehnt, es handle sich um eine rein branchenspezifische Erkenntnis, welche nicht pauschal auf andere Branchen übertragen werden könne. 

III. Entwicklung

Auch wenn ein generelles Verbot von Werk- und Leiharbeitsverträgen vorerst nicht zu erwarten ist, wird weiterhin von einem Handlungsbedarf in einigen Branchen ausgegangen. Dass momentan keine weitreichenden Änderungen im Bereich des Fremdpersonaleinsatzes vorgesehen sind, spricht somit nicht gegen mögliche spätere Reformen.

Dennoch können die Arbeitgeber zumindest dahingehend beruhigt werden, dass ein Verbot des Einsatzes von Leiharbeits- und Werkverträgen, in anderen Branchen als der Fleischindustrie, zumindest in naher Zukunft nicht notwendig erscheinen. Die für die Praxis bestehenden erheblichen Probleme, welche mit einem solchen Verbot einhergehen würden, erscheinen vorerst abgewendet. Dies sorgt zumindest vorübergehend für eine gewisse Planungssicherheit.

Es darf zudem nicht vergessen werden, dass solchen weitreichenden Verboten erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken begegnen. Insbesondere in der Literatur wurden kritische Stimmen laut (NZA 2020, 1160; NZA 2020, 773). Es bleibt abzuwarten, ob ein Verbot der Leiharbeit und des Einsatzes von Werkverträgen in der Fleischindustrie diesen Bedenken standhält. Die Verfassungswidrigkeit eines Verbots in der Fleischindustrie würde zumindest gegen eine Erweiterung auch auf andere Branchen sprechen.

Im Fokus der Arbeitgeber sollten in naher Zukunft deshalb auch weiterhin mögliche Kontrollen stehen. Eine verstärkte Kontrolle ist, gerade mit Blick auf die bereits erwähnten Branchen, nicht unwahrscheinlich.

Arbeitsrecht

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