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Leiharbeit: Reform des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes erhöht bürokratischen Aufwand für Entleiher

18.08.2020

Mit Wirkung vom 30. Juli 2020 sind die Änderungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/957 in Kraft getreten. Sie zielen auf die Erhöhung des Arbeitnehmerschutzstandards ab und weiten im Zuge dessen auch die Pflichten von Entleihern bei grenzüberschreitenden Sachverhalten aus. Nachfolgend beleuchten wir deshalb vor allem die Neuerungen in Bezug auf grenzüberschreitende Leiharbeit und deren Auswirkungen für die Praxis in Ergänzung unserer Bewertung Neuregelungen für langzeitentsandte Arbeitnehmer näher.

I. Hintergrund

Ziel der umgesetzten EU-Richtlinie ist die Ausdehnung des Schutzes entsandter Arbeitnehmer und damit auch von Leiharbeitnehmern v.a. unter dem Aspekt des gleichen Entgelts, um Lohndumping und Wettbewerbsverzerrung entgegen zu wirken.

II. Wesentliche Änderungen

1. Unterrichtungspflichten des Entleihers

War die grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung bislang nicht schon aufgrund des typischerweise bestehenden Doppelerlaubniserfordernisses kompliziert und aufwendig genug, so werden dem Entleiher gegenüber dem Verleiher nach § 15a AEntG nunmehr auch noch weitere Unterrichtungspflichten auferlegt. Dem Verleiher soll dadurch als Arbeitgeber die Überwachung der Einhaltung der entsprechenden nun geltenden Arbeitsbedingungen durch den Entleiher ermöglicht werden.

Absatz 1 der Neuregelung betrifft die Sonderkonstellation, dass nicht der Verleiher den Arbeitnehmer grenzüberschreitend nach Deutschland verleiht, sondern der Entleiher mit Sitz im Ausland den Arbeitnehmer in Deutschland einsetzt. Vor Entsendung nach Deutschland muss der Entleiher den Verleiher hierüber in Textform i.S.v. § 126 BGB unterrichten und diesen so über die Anwendbarkeit deutschen Rechts informieren.

Absatz 2 der Neuregelung besitzt einen breiteren Anwendungsbereich: Der Entleiher ist im Vorhinein verpflichtet, einen im Ausland ansässigen Verleiher in Textform i.S.v. § 126b BGB über die wesentlichen Arbeitsbedingungen, die in seinem Betrieb für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gelten, einschließlich der Entlohnung, zu informieren. So soll ein nicht mit der deutschen Rechtsordnung vertrauter Verleiher in die Lage versetzt werden, die Gleichbehandlung des Leiharbeitnehmers nach Artikel 5 der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. L 327 vom 5.12.2008, Seite 9) zu gewährleisten.

2. Aufzeichnungspflichten für Prüfungen durch Zoll

Gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 AEntG sind außerdem nun Beginn, Dauer und Ende von zuschlagsgewährenden Tätigkeiten durch den Arbeitgeber (und inländischen Entleiher) zu erfassen, um auch hier eine effektive Kontrolle gewährleisten zu können.

III. Folgen für die Praxis und Ausblick

Die Änderungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes stärken die Rechte der entsprechenden Arbeitnehmer, v.a. mit Blick auf das Entgelt und bei Langzeitentsendung. Kritisiert wird zum Teil das Bestehen einer aus der Nichtanwendbarkeit regionaler Tarifverträge resultierenden Schutzlücke.

Ferner schaffen die differenzierte Betrachtung der Entsendezuschläge und ihrer Anrechnungsfähigkeit sowie die Statuierung detaillierter Ausnahmen Rechtsklarheit.

Negativ ins Gewicht fällt besonders der neu geschaffene bürokratische Aufwand und die damit einhergehenden Kosten für die Arbeitgeber und Entleiher im Inland, um allen Dokumentations- und Informationsverpflichtungen gerecht zu werden. Diese könnten gerade kleine und mittelständische Unternehmen von der Beschäftigung entsandter Arbeitnehmer abhalten und so das grds. Ziel der grundlegenden Richtlinie 96/71/EG, die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Dienstleistungsfreiheit zu fördern, teilweise vereiteln. Ein Verstoß des Entleihers gegen die Pflichten aus § 15a AEntG kann zu Schadensersatzansprüchen des Verleihers wegen Nebenpflichtverletzung führen. Der Verstoß des Arbeitgebers gegen § 19 Abs. 1 Satz 1 AEntG stellt sogar gem. § 23 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 3 AEntG eine mit einer Geldstrafe von bis zu 30.000 Euro bedrohte Ordnungswidrigkeit dar.

Die Änderungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes führen somit primär für Arbeitnehmer zu auf den ersten Blick positiven Veränderungen, beinhalten neben Klarstellungen aber auch Risiken und zusätzlichen Arbeits- und Kostenaufwand für Arbeitgeber und Entleiher, der eine abschreckende Wirkung entfalten könnte.

Arbeitsrecht

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