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BREXIT – Investoren aus dem Vereinigten Königreich unterliegen deutscher Investitions­kontroll­prüfung

20.01.2021

An Heiligabend 2020 konnten sich die Europäische Kommission und das Vereinigte Königreich über die Bedingungen ihrer zukünftigen Zusammenarbeit einigen und schlossen das Handels- und Kooperationsabkommen („Handelsabkommen“) ab. Wir haben bereits in einem Newsletter die wichtigsten Auswirkungen des Handelsabkommens aus zollrechtlicher Sicht näher betrachtet und beleuchten nun die Auswirkungen für Investoren aus dem Vereinigten Königreich gemäß den deutschen Regelungen für ausländische Direktinvestitionen.

Hintergrund – wachsende Bedeutung der Prüfung ausländischer Direktinvestitionen

In den letzten Jahren ist die Prüfung von ausländischen Direktinvestitionen zu einem immer wichtigeren politischen Instrument für EU-Mitgliedstaaten geworden, von denen die meisten ihre eigenen nationalen Kontrollmechanismen entwickelt haben. Diese nationalen Regime sind Teil des mit der EU-Screening-Verordnung (EU) 2019/452 vom 19. März 2019 eingeführten EU-weiten Kooperationsmechanismus. Der Umfang, in dem das Handelsabkommen Investoren aus dem Vereinigten Königreich in Bezug auf mögliche Investitionen in der EU-27 und umgekehrt Beschränkungen unterwirft, war von Investoren auf beiden Seiten des Ärmelkanals mit Spannung erwartet worden.

In Deutschland war zunächst Ziel der jüngsten Novelle der Außenwirtschaftsverordnung („AWV“) vom 29. Oktober 2020, die EU-Screening-Verordnung umzusetzen. Weitere Änderungen werden für das erste Quartal 2021 erwartet. Deutschland unterscheidet allgemein zwischen einer sektorspezifischen und einer sektorübergreifenden Prüfung von ausländischen Investitionen in Deutschland. So untersucht das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie („BMWi“) bei der sogenannten sektorspezifischen Investitionsprüfung (§§ 60 ff. AWV), ob ausländische Investitionen in Deutschland wesentliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Nach den Regeln der sektorübergreifenden Prüfung (§§ 55 ff. AWV) kann das BMWi ferner untersuchen, ob der Erwerb eines inländischen Unternehmens durch eine Nicht-EU-Person die öffentliche Ordnung oder Sicherheit Deutschlands beeinträchtigt.

Investoren aus dem Vereinigten Königreich unterliegen in Deutschland nun der Investitionsprüfung

Seit dem 01. Januar 2021 werden Investoren aus dem Vereinigten Königreich in Deutschland als Nicht-EU-Personen angesehen. Nach einer kurzen Abstimmungsphase, sowohl intern als offenbar auch mit der Europäischen Kommission, hat das BMWi nun kommuniziert, dass ab dem 01. Januar 2021 Investoren aus dem Vereinigten Königreich vollständig den Regelungen der §§ 55 ff. AWV unterfallen. Das BMWi verweist u.a. ausdrücklich auf die Sicherheitsausnahme des Handelsabkommens und erklärt, dass die Investitionsprüfung eine Maßnahme zur Gewährleistung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten sowie bestimmter EU-Programme sei.

Für Investoren aus dem Vereinigten Königreich ist dies naturgemäß eine unerfreuliche Entwicklung, da die deutsche Investitionskontrolle neben der Fusionskontrolle und potentiell anderen behördlichen Genehmigungserfordernissen eine weitere regulatorische Hürde für den erfolgreichen und vor allem schnellen Vollzug von M&A-Transaktionen darstellt.

Empfehlung

Investoren aus dem Vereinigten Königreich sind in Deutschland gut beraten, freiwillig Unbedenklichkeitsbescheinigungen in den Fällen zu beantragen, in denen ein Risiko verbleibt, dass das BMWi die Transaktion ex officio prüfen kann, und alle Transaktionen anzumelden, die möglicherweise einer Meldepflicht unterfallen. Dadurch ist sichergestellt, dass die Rechtmäßigkeit der Investition nicht gefährdet wird. Es ist zu erwarten, dass sich das Vereinigte Königreich in Bezug auf inländische Investitionen von Investoren aus einem der 27 EU-Mitgliedstaaten in gleicher Weise positionieren wird, so dass auch dort mit einer Investitionsprüfung zu rechnen ist. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass das Vereinigte Königreich erst kürzlich Vorschläge für ein sehr weitreichendes und restriktives Regelungswerk zur Prüfung ausländischer Investitionen vorgelegt hat - den Entwurf des „National Security and Investment Bill“, der derzeit im Parlament beraten wird.

Soweit das Signing im Jahr 2020 erfolgte und das Closing zum Zeitpunkt der Rechtsänderung unmittelbar bevorsteht, ist zu beachten, dass laut Klarstellung des BMWi nur Akquisitionen einer deutschen Investitionsprüfung unterzogen werden, bei denen das Signing nach dem 01. Januar 2021 erfolgte.

Anmerkungen zur Auslegung durch das BMWi

Die im Handelsabkommen verankerten Regeln zur Gleichbehandlung stützen die Auffassung, dass die materiellen Bestimmungen der EU-Screening-Verordnung grundsätzlich nicht für Investoren aus dem Vereinigten Königreich gelten sollten. Die EU-Screening-Verordnung unterscheidet zwischen Investoren, die in der EU ansässig sind, und solchen, die nicht in der EU ansässig sind, und enthält daher eine Ungleichbehandlung, die das Handelsabkommen in den Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich verhindern soll.

Dementsprechend sollte Deutschland Investoren aus dem Vereinigten Königreich Investoren aus EU-Mitgliedstaaten gleichstellen und sie nicht einer sektorübergreifenden Prüfung im Sinne der §§ 55 ff. AWV unterziehen. Anderes gilt, sofern nicht im Einzelfall nachgewiesen werden kann, dass die Ungleichbehandlung von UK-Investoren gemäß der Sicherheitsausnahme des Artikels EXC.4 des Handelsabkommens gerechtfertigt ist. Bisher jedoch scheint das BMWi – wie nachstehend näher besprochen werden wird - geneigt zu sein, sich auf die Sicherheitsausnahme zu berufen, um die sektorübergreifende Prüfung bei UK-Investoren generell und nicht nur in Ausnahmefällen zu rechtfertigen.

Die – uneingeschränkte – Anwendung der sektorspezifischen Prüfungskompetenzen nach §§ 60 ff. AWV auf Investoren aus dem Vereinigten Königreich ist indes folgerichtig. In diesem Kontext liegt keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vor, da Investoren aus anderen EU-Ländern und Investoren aus dem Vereinigten Königreich gleich behandelt werden.

Der vom BMWi verfolgte Ansatz, UK-Investoren vollständig einer sektorübergreifenden Investitionsprüfung nach §§ 55 ff. AWV zu unterwerfen, erscheint zumindest fragwürdig, da er das im Handelsabkommen verankerte Grundgebot der Gleichbehandlung missachten könnte. Das BMWi scheint auf eine Ausnahmeregelung zurückzugreifen, ohne im Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Ausnahme tatsächlich erfüllt sind. Bitte lesen Sie dazu auch unsere detaillierte Analyse hier.

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