Neufassung der EU-Screening-Verordnung - ebnen die neuen Vorschläge den Weg für eine erhebliche Ausweitung der Investitionskontrolle?
Am 8. Mai 2025 hat das Europäische Parlament („EP“) einen Änderungsvorschlag („EP-Vorschlag“, siehe hier) zur geplanten Überarbeitung der EU-Verordnung über die Prüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Europäischen Union („EU-Screening-Verordnung“) gemacht. Nachdem die Europäische Kommission im Januar 2024 einen ersten Entwurf der neuen EU-Screening-Verordnung veröffentlicht hatte („EC-Vorschlag“, siehe unseren Artikel vom 29. Januar 2025 hier), hat das EP weitere Änderungen vorgeschlagen, die den Umfang der Überprüfung ausländischer Investitionen in der Europäischen Union deutlich erweitern würden. Am 12. Juni 2025 hat seinerseits der Rat der Europäischen Union („Rat“) einen eigenen Änderungsvorschlag („Ratsvorschlag“, siehe hier) zur EU-Screening-Verordnung unterbreitet. Der Ratsvorschlag stimmt in vielen Punkten mit dem des EP überein und betont die Bedeutung der wirtschaftlichen Sicherheit in der Europäischen Union, sieht jedoch weniger weitreichende Maßnahmen vor.
In diesem Artikel stellen wir die wichtigsten Änderungen vor, die vom Parlament und vom Rat vorgeschlagen wurden. Sie bilden die Grundlage für die Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission („Trilogverhandlungen“) und werden daher wahrscheinlich einen erheblichen Einfluss auf die neue Fassung der EU-Screening-Verordnung haben.
I. Verpflichtende Investitionsprüfungsmechanismen der EU-Mitgliedstaaten
Grundsätzlich unterstützen sowohl das EP als auch der Rat den Vorschlag der Europäischen Kommission, einen verbindlichen Investitionsprüfungsmechanismus für alle EU-Mitgliedstaaten einzuführen und auch Investitionen von in der EU ansässigen Tochtergesellschaften ausländischer Investoren zu erfassen, um Umgehungen zu verhindern. Hintergrund ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Xella“, dem zufolge die EU-Screening-Verordnung im Falle von Investitionen durch in der Europäischen Unsion ansässige Tochtergesellschaften ausländischer Investoren nicht gilt, solange diese Strukturen nicht zur Umgehung der Investitionsprüfung genutzt werden.
Was den Anwendungsbereich solcher verpflichtenden Investitionsprüfungsmechanismen angeht, schlägt das EP vor, eine Reihe neuer Sektoren einzuführen, für die die Investitionsprüfung verpflichtend werden soll: (i) Transportindustrie, Technologien und Infrastrukturkomponenten von kritischer Bedeutung; (ii) Mediendienste; (iii) Wahlinfrastruktur; (iv) kritische Rohstoffe und (v) Landwirtschaft. Das EP beabsichtigt außerdem, die Anwendbarkeit der verpflichtenden Investitionsprüfung auf die Bereiche Halbleiter und künstliche Intelligenz auszuweiten. Der Vorschlag des Rates betont hingegen, dass militärische Güter und Dual-Use-Güter als wesentliche Sektoren in die nationalen Prüfmechanismen aufgenommen werden sollten, da diese Produkte und die dazugehörige Technologie für die Sicherheit von entscheidender Bedeutung sind. Die Mitgliedstaaten sollten weiterhin die Möglichkeit haben, zusätzliche Wirtschaftszweige in ihre nationalen Systeme zur Investitionsprüfung miteinzubeziehen.
Abgesehen von den Unterschieden hinsichtlich der konkreten Sektoren, die in die verpflichtenden Investitionsprüfungsmechanismen einbezogen werden sollen, unterscheiden sich der EP-Vorschlag und der Ratsvorschlag insbesondere in Bezug auf das Recht der EU-Mitgliedstaaten, von der Definition der sensiblen Sektoren in der EU-Screening-Verordnung abzuweichen. Während der Vorschlag des EP sehr weit gefasste Definitionen der sensiblen Sektoren in Anhang II der Verordnung enthält, ohne Spielraum für Präzisierungen durch die Mitgliedstaaten zu lassen, schlägt der Rat vor, es in das Ermessen der EU-Mitgliedstaaten zu stellen, ergänzende oder auch spezifischere Bestimmungen in ihre nationalen Investitionsprüfungsmechanismen aufzunehmen.
Auch in Bezug auf Greenfield-Investitionen vertreten das EP und der Rat unterschiedliche Standpunkte: Nach dem Vorschlag des EP sollen die EU-Mitgliedstaaten ihre Investitionsprüfungsmechanismen auf bestimmte Greenfield-Investitionen ausdehnen; der Rat hingegen schlägt vor, dass die EU-Mitgliedstaaten individuell über verpflichtende Anmeldungen für Greenfield-Investitionen entscheiden sollen.
II. Befugnis der Europäischen Kommission, ausländische Investitionen abzulehnen
Der Vorschlag des EP würde der Europäischen Kommission die Befugnis verleihen, ausländische Investition zu untersagen, selbst wenn der Mitgliedstaat, in dem die Investition erfolgt, sie genehmigt. Wenn entweder die Europäische Kommission oder ein anderer Mitgliedstaat „hinreichend begründete Einwände“ gegen eine angemeldete Auslandsinvestition erhebt, kann die Europäische Kommission die Investition danach Auflagen machen oder die geplante Investition sogar untersagen und damit das Prüfverfahren übernehmen. Viele EU-Mitgliedstaaten sehen darin einen Eingriff in ihre Zuständigkeit für Fragen der nationalen Sicherheit. Was als nationale Sicherheit gilt, variiert in den Mitgliedstaaten mitunter erheblich.
Der Ratsvorschlag weicht von dem EP-Vorschlag ab, was die Befugnis der EU-Kommission betrifft, ausländische Investitionen abzulehnen. Während der Ratsvorschlag befürwortet, dass die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission und den EU-Mitgliedstaaten effektiver gestaltet werden sollte, ist er nicht damit einverstanden, der Europäischen Kommission die Befugnis zu erteilen, eine ausländische Investition letztendlich zu verbieten.
III. Kriterien für die Feststellung möglicher negativer Auswirkungen auf die Sicherheit und die öffentliche Ordnung
Das EP schlägt vor, die Prüfkriterien zu erweitern, anhand derer beurteilt werden kann, ob eine ausländische Investition wahrscheinlich negative Auswirkungen auf die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung hat, um beispielsweise die Sicherheit militärischer Einrichtungen, die Lebensmittelsicherheit oder die Fähigkeit zur Vermeidung und Bewältigung strategischer Abhängigkeiten zu berücksichtigen. Darüber hinaus enthält der EP-Vorschlag zusätzliche investorenbezogene Kriterien. So soll etwa berücksichtigt werden können, ob der Investor in einem Drittland ansässig ist, dessen nationale Geldwäschebekämpfungsvorschriften strukturelle Mängel aufweisen.
Der Ratsvorschlag begrüßt zusätzliche investorenbezogene Kriterien und unterstützt weitgehend die vom EP vorgeschlagene Liste von Faktoren. Darüber hinaus soll nach dem Ratsvorschlag berücksichtigt werden können, ob Projekte und Programme von Unionsinteresse betroffen sind, die in Anhang I und Anhang II aufgeführt sind (z.B. Weltraumprogramm, Europäisches Programm zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich oder Europäischer Verteidigungsfonds).
Mögliche Auswirkungen auf die Kontrolle ausländischer Investitionen in Deutschland und der EU
Die vorgeschlagenen Änderungen der EU-Screening-Verordnung hätten erhebliche Auswirkungen sowohl auf den deutschen Mechanismus zur Investitionskontrolle als auch auf die Prüfung von Auslandsinvestitionen in der EU insgesamt.
Der Anwendungsbereich des deutschen Investitionsprüfungsmechanismus müsste möglicherweise in den folgenden Bereichen erweitert werden:
- Sollte der Vorschlag des EP angenommen werden, müsste die Meldepflicht auf bestimmte Greenfield-Investitionen ausgeweitet werden.
- Der Umfang der Unternehmen, deren Erwerb zu melden ist, müsste erheblich erweitert werden, einerseits, um wesentlich weiter gefassten Definitionen (z.B. im Bereich der künstlichen Intelligenz) Rechnung zu tragen, andererseits, um einige gänzlich neue Sektoren zu berücksichtigen, die bislang noch nicht vom deutschen Investitionsprüfungsmechanismus erfasst werden (z.B. Wahlinfrastruktur). Ob den Mitgliedstaaten das Recht eingeräumt wird, die weit gefassten Definitionen zu präzisieren, wird – wie dargestellt – ein Kernthema der Trilogverhandlungen sein.
Darüber hinaus müssten einige investorenbezogenen Kriterien sowie die Faktoren für die inhaltliche Überprüfung, die derzeit nicht ausdrücklich im deutschen Recht verankert sind, neu aufgenommen werden (im Rahmen der stets erforderlichen Gesamtbewertung können diese Faktoren allerdings auch schon nach geltender Rechtslage berücksichtigt werden).
Beide Vorschläge würden zu einer stärkeren Harmonisierung der nationalen Investitionsprüfungsmechanismen führen. Sollte der Vorschlag des Europäischen Parlaments angenommen werden und die Europäische Kommission damit die Befugnis erhalten, bestimmte kritische Prüfverfahren zu übernehmen und eine eigenständige (Untersagungs-) Entscheidung zu treffen, würde die Prüfung von ausländischen Direktinvestitionen in der EU (die bisher ein rein nationales Vorrecht war) in eine neue Ära eintreten.
Insgesamt wäre die Straffung der derzeit zersplitterten nationalen Investitionsprüfungsverfahren zwar begrüßen, doch ist zu erwarten, dass der erweiterte Anwendungsbereich der Investitionsprüfung die Zahl der Transaktionen, bei denen eine Investitionsprüfung in (mehreren) EU-Mitgliedstaaten künftig verpflichtend sein wird, deutlich erhöhen wird. Die Investoren müssten sich daher auf eine verstärkte Investitionsprüfung in der EU sowie auf eine mögliche Auseinandersetzung mit der Europäischen Kommission in kritischen Fällen einstellen. Für grenzüberschreitende Transaktionen erfordert dies eine rechtzeitige Bewertung der Anforderungen an die Anmeldung von Direktinvestitionen in den verschiedenen Rechtsordnungen sowie eine wirksame Koordinierung aller vorgeschriebenen Anmeldungen.
Der Trilog zwischen der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Rat ist derzeit im Gange, um einen gemeinsamen Standpunkt zur Neufassung der EU-Screening-Verordnung zu erarbeiten. Optimisten rechnen mit der Verabschiedung der neuen EU-Screening-Verordnung noch während der dänischen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2025. Sobald die neue EU-Screening-Verordnung in Kraft getreten ist, haben die Mitgliedstaaten wohl bis zu zwei Jahre Zeit für ihre Umsetzung.
Bestens
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