News

Unions­parteien und SPD einigen sich auf neues Sonder­vermögen für Infra­struktur und Teil­reform der Schulden­bremse

Bundestagswahl Insights

06.03.2025

Bereits am Tag nach der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 entbrannte die politische Debatte um eine Reform der Schuldenbremse erneut. Im Rahmen der Sondierungsgespräche haben sich die Parteispitzen von CDU, CSU und SPD nun auf neue Schulden für Infrastruktur und Verteidigung geeinigt. Die hierfür notwendigen Grundgesetzänderungen sollen noch mit den Mehrheitsverhältnissen des alten Bundestages beschlossen werden, um die Sperrminorität von Linkspartei und AfD im neuen Bundestag zu umgehen.

I. Wesentliche Inhalte der Einigung

Neben der Ermöglichung neuer Schulden des Bundes für Infrastruktur und Verteidigung sieht die Einigung auch die teilweise Aufhebung des Neuverschuldungsverbots für die Bundesländer vor.

1. Neue Schulden für Infrastruktur und Verteidigung

Die geltenden grundgesetzlichen Regelungen der Schuldenbremse begrenzen die jährliche strukturelle Neuverschuldung des Bundes auf 0,35 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts („BIP“). Eine Überschreitung dieser Obergrenze ist nur in Ausnahmefällen verfassungsrechtlich möglich. Kritiker bemängeln, dass die Schuldenbremse dem Haushaltsgesetzgeber keine ausreichenden Investitionsspielräume lässt. Insbesondere vor dem Hintergrund der sich verändernden außen- und sicherheitspolitischen Lage Europas, einer schwächelnden Wirtschaft und der maroden Infrastruktur des Landes seien schuldenfinanzierte Investitionen zwingend notwendig, die unter den bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Neuverschuldung jedoch kaum zu stemmen seien. Ökonomen gehen von einem Finanzbedarf der Bundeswehr von bis zu 400 Milliarden Euro aus. Für die Infrastruktur von Bund und Ländern seien sogar 400 bis 500 Milliarden Euro notwendig. SPD und CDU/CSU planen daher Verfassungsänderungen, die neue Schulden in diesen beiden Bereichen ermöglichen sollen.

a) Teilausnahme von der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben

Die Parteispitzen einigten sich im Rahmen der Sondierungsgespräche darauf, dass Verteidigungsausgaben nur noch in Höhe von 1 % des BIP innerhalb des Geltungsbereichs der Schuldenbremse abgebildet werden sollen. Darüber hinausgehende Ausgaben für die Verteidigung sollen demgegenüber nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden. Konkret würde dies bedeuten, dass ca. 40 Milliarden Euro des Verteidigungsetats weiterhin als Teil des normalen Bundeshaushalts abgebildet sein müssen, für den die Verschuldungsgrenze auch zukünftig gelten soll. Mehrausgaben könnten jedoch ohne Einhaltung der Schuldengrenze kreditfinanziert werden. Die geplante Novelle soll eine pauschale Ausnahme von der Neuverschuldungsgrenze kodifizieren und stellt somit eine Teilreform der Schuldenbremse dar.

Strebt die künftige Bundesregierung das NATO-Ziel von Verteidigungsausgaben in Höhe von 2 % der nationalen Wirtschaftsleistung an, wäre mit Krediten in Höhe von ca. 40 Milliarden Euro jährlich für die Verteidigung zu rechnen. Die Bundesrepublik hatte dieses Ziel im Jahr 2024 mithilfe des 2022 in Art. 87a Abs. 1a GG eingeführten Sondervermögens für die Bundeswehr erstmals erreicht. Die Mittel dieses Sondervermögens sollen nach Vorstellung der Unionsparteien und der SPD nun zügig eingesetzt werden. Hierfür soll die neue Bundesregierung innerhalb eines halben Jahres ein Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz für die Bundeswehr vorlegen. Nach Abfluss des Sondervermögens für die Bundeswehr würde eine neue Ausnahme von der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben besonders relevant, da diese in der Zukunft voraussichtlich sogar deutlich über 2 % des BIP liegen werden.

b) Sondervermögen für die Infrastruktur

Zweiter wesentlicher Eckpfeiler der geplanten Verfassungsänderungen ist die Einführung eines Sondervermögens für Infrastruktur mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro und einer Laufzeit von zehn Jahren. Es soll insbesondere Investitionen in Zivil- und Bevölkerungsschutz, Verkehrsinfrastruktur, Krankenhausinfrastruktur, Energieinfrastruktur, Bildungs- Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur sowie in Forschung, Entwicklung und Digitalisierung ermöglichen. Den Ländern und Kommunen sollen insgesamt 100 Milliarden Euro des geplanten Sondervermögens zufließen.

Als Sondervermögen wird die verfassungsrechtliche Ermächtigung des Staates zur Aufnahme neuer Kredite bezeichnet. Es steht neben dem regulären Haushalt. Da ein solches Sondervermögen auf Ebene des Grundgesetzes verankert wird, gelten die verfassungsrechtlichen Vorschriften zur Neuverschuldung für dieses nicht. Die dem Sondervermögen zugeordneten Kredite sind zwar zweckgebunden. Die Finanzierung von Infrastrukturprojekten mit den Mitteln des Sondervermögens könnte den Bundeshaushalt jedoch insgesamt entlasten und so möglicherweise Spielräume bei der Finanzierung anderer Haushaltsposten eröffnen.

2. Reform des Neuverschuldungsverbots für die Bundesländer

Darüber hinaus ist eine verfassungsrechtliche Anpassung des Neuverschuldungsverbots für die Bundesländer geplant. Bisher gilt gem. Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG, dass der Haushalt der Länder ohne Kredite auszugleichen ist. Während dieser Grundsatz durch den Bund gem. Art. 115 Abs. 2 Satz 2 GG bereits dann eingehalten wird, wenn die strukturelle Neuverschuldung die Obergrenze von 0,35 % des nominalen BIP nicht überschreitet, gibt es eine derartige Konkretisierung der Neuverschuldungsregel für die Länder bislang nicht. Ihnen sind neue Schulden nur in Krisensituationen möglich. So erlaubt Art. 109 Abs. 3 Satz 2 Fall 1 GG die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung einer antizyklischen Haushaltspolitik. Gem. Art. 109 Abs. 3 Satz 2 Fall 2 GG können Kredite auch zur Bewältigung von Naturkatastrophen oder sonstigen Notsituationen aufgenommen werden. Diese Ausnahmen unterliegen jedoch engen Grenzen (hierzu auch unser Beitrag vom 27. Februar 2025, I. 2.).

Auch den Bundesländern soll nach der Vorstellung der Koalitionäre in spe zukünftig eine jährliche Neuverschuldung von bis zu 0,35 % des BIP möglich sein, ohne gegen das Neuverschuldungsverbot zu verstoßen.

II. Reform mit Mehrheit des alten Bundestages rechtlich, politisch und rechtzeitig möglich?

Da Linke und AfD im neuen 21. Bundestag gemeinsam auf über ein Drittel aller Stimmen kommen und Grundgesetzänderungen demnach nur mit Zustimmung einer der beiden Fraktionen beschlossen werden können, planen Union und SPD die Teilreform der Schuldenbremse und das Sondervermögen mit den Mehrheitsverhältnissen des (noch) aktuellen 20. Bundestages durchzusetzen. Verfassungsrechtlich ist dies zulässig, da dem „alten“ Bundestag bis zur Konstituierung des neugewählten Bundestages die vollen Rechte der Volksvertretung zustehen.

Auch im 20. Bundestag kommen die Unions- und die SPD-Fraktion jedoch gemeinsam nicht auf die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Sie sind zusätzlich auf Stimmen der Fraktion Bündnis90/Die Grünen oder der FDP-Fraktion angewiesen. Deren Spitzen wurden zwar über die Ergebnisse informiert, waren aber in die Gespräche selbst nicht involviert. Ihre Positionierung ist noch unklar. Während die FDP signalisierte, insbesondere dem Sondervermögen nicht zustimmen zu wollen, könnten die Grünen etwa auf die zusätzliche Berücksichtigung klimapolitischer Aspekte bei der Verwendung des Sondervermögens drängen.

Für eine Grundgesetzänderung ist auch die Zustimmung des Bundesrats mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Hier verfügen CDU, SPD und Grüne über 41 der 46 notwendigen Stimmen. Es wird daher zusätzlich auf die Zustimmung Bayerns unter Beteiligung der Freien Wähler oder der Landesregierungen Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt mit FDP-Beteiligung ankommen.

Die Zeit für eine Umsetzung des Vorhabens drängt. Spätestens am 25. März 2025 tritt der neu gewählte Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Bis zu diesem Zeitpunkt muss der aktuelle Bundestag die notwendigen Grundgesetzänderungen beschließen. Nach aktuellem Zeitplan ist ein solcher Beschluss des Bundestages für den 17. März und ein Beschluss des Bundesrates für 21. März geplant. Die Beteiligung des Bundesrats noch vor Konstituierung des neuen Bundestages ist verfassungsrechtlich jedoch nicht zwingend. Der Bundesrat kann auch nach Ende der Wahlperiode einen Gesetzesbeschluss des vorangegangenen Bundestages weiterbehandeln.

Begleitende und Umsetzungsgesetze sollen hingegen erst nach der Konstituierung des neuen Bundestags beschlossen werden. Hierfür würde die einfache Mehrheit von CDU/CSU und SPD ausreichen.

III. Grundlegende Novelle der Schuldenbremse vertagt

Bei den nun anvisierten Grundgesetzänderungen wollen es CDU/CSU und SPD nicht belassen. Vereinbart wurde in den Sondierungsgesprächen auch, dass eine Expertenkommission einen Vorschlag für die weitere Modernisierung der Schuldenbremse entwickeln soll, die dauerhaft zusätzliche investive Ausgaben verfassungsrechtlich ermöglichen soll. Auf Grundlage dieser Ergebnisse soll bis Ende des Jahres 2025 eine grundlegende Reform der Regelungen zur Neuverschuldung umgesetzt werden. Für diese werden im 21. Bundestag auch die Stimmen der Grünen und der Linkspartei benötigt. Die Verhandlungen hierüber dürften sich kompliziert gestalten. Insofern haben die aktuellen Vorschläge einen Überbrückungscharakter und sollen die drängendsten Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung verfassungsrechtlich absichern.

 

Dieser Artikel erscheint im Rahmen unserer Bundestagswahl Insights. Alle Bundestagswahl Insights und mehr Informationen zur Bundestagswahl und deren Auswirkungen auf Industrie und Wirtschaft finden Sie auf unserem Election Hub (hier).