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Der Digital Services Act tritt in Kraft: Neue Pflichten für digitale Vermittlungs­dienste

16.11.2022

Zum Jahresende kommt es zu einer umfassenden Weiterentwicklung der Online-Regulierung: Am 16. November 2022 tritt der Digital Services Act („DSA“) als Verordnung (EU) 2022/2065 in Kraft. Er enthält vielfältige und teils völlig neuartige Regeln für digitale Vermittlungsdienste. Dazu gehören Haftungsvorschriften für illegale Inhalte, ein weitreichendes System von verschärften und neuen Sorgfaltspflichten sowie ein effektives Durchsetzungsregime. Bei Pflichtverletzungen drohen Bußgelder von bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes.

Anbieter von Vermittlungsdiensten müssen die Pflichten des DSA schrittweise spätestens bis zum 17. Februar 2024 umsetzen. Angesichts des Umfangs der Anforderungen bleibt nicht mehr viel Zeit. Unternehmen sollten zeitnah prüfen, inwiefern sie von den neuen Pflichten betroffen sind und sodann rechtzeitig Compliance-Strukturen umstellen, notwendige Änderungen an den Diensten vornehmen sowie ihre AGB anpassen.

Anwendungsbereich

Der DSA gilt für digitale Vermittlungsdienste. Darunter fallen Internetzugangsdienste (z.B. Telekom und Vodafone), soziale Netzwerke (z.B. Facebook und Twitter), Online-Marktplätze (z.B. eBay und Amazon) und Suchmaschinen (z.B. Google und Bing) sowie alle sonstigen sog. Access-, Caching- und Hosting-Provider – neben den großen Tech-Unternehmen auch kleine und sehr kleine Anbieter bis zum einzelnen geschäftlichen WLAN-Betreiber. Wie die DSGVO setzt der DSA lediglich voraus, dass der Dienst in der EU angeboten wird, unabhängig davon, wo der Anbieter seinen Sitz hat.

Haftung für illegale Inhalte

Von großer praktischer Relevanz ist, dass der DSA die aus der E-Commerce-Richtlinie (und dem deutschen TMG) bekannten Haftungsprivilegierungen für Online-Dienste bei der Verbreitung illegaler Inhalte durch Nutzer beibehält. Auch weiterhin haften Online-Dienste im Grundsatz zunächst nicht selbst, wenn Nutzer über ihre Dienste illegale Inhalte verbreiten. Anbieter müssen erst bei Kenntniserlangung von einem rechtswidrigen Inhalt tätig werden. Es gilt keine allgemeine Überwachungspflicht. Diese Regelungen ergänzt der DSA durch einheitliche Verfahrensanforderungen für Lösch- und Auskunftsanordnungen von Behörden.

Sorgfaltspflichten

Herzstück des DSA sind die zahlreichen Sorgfaltspflichten, die digitale Vermittlungsdienste künftig befolgen müssen. Die Sorgfaltspflichten stehen als echte Handlungspflichten der Anbieter unabhängig neben die Frage der Haftung für fremde illegale Inhalte. Um die spezifischen Risiken der Online-Dienste zu erfassen, setzt der DSA auf ein nach Art und Größe der Dienste abgestuftes System von Sorgfaltspflichten:

Bild zum News-Beitrag DSA 15.11.2022 DE 

Zu den wichtigsten Anforderungen gehören die Pflichten, Kontaktadressen für Nutzer und Behörden anzubieten und ein Notice-and-Takedown-Verfahren für illegale Inhalte einzurichten. Für Online-Plattformen bestehen zudem – vergleichbar mit dem deutschen NetzDG – spezifische Verfahrensanforderungen bei der Moderation von Inhalten sowie zwingende Beschwerde- und Streitbeilegungsmechanismen. Der DSA macht nicht zuletzt umfassende Vorgaben für die Gestaltung von Diensten, etwa Regeln zur Kennzeichnung von Online-Werbung, ein Verbot von manipulativen Designelementen (sog. Dark Patterns) und Maßnahmen zum Schutz minderjähriger Nutzer. Für Handelsplattformen gelten ergänzende Prüfpflichten, um den Online-Handel mit illegalen Waren und Dienstleistungen einzudämmen.

Besonders strenge Vorgaben gelten für sehr große Online-Plattformen und -Suchmaschinen mit mindestens 45 Millionen monatlich aktiven Nutzern in der EU. Diese sehr großen Dienste müssen die systemischen Risiken ihrer Dienste untersuchen, etwa im Hinblick auf die Verbreitung von schädlichen Inhalten und die Auswirkungen auf Wahlen, Menschenrechte oder die psychische Gesundheit der Nutzer, und Maßnahmen zur Minimierung erkannter Risiken ergreifen. Die Risikobeurteilung muss jährlich durch einen unabhängigen Audit geprüft werden. Für sehr große Dienste wird daher in Zukunft ein umfassendes und fortlaufendes Risiko- und Compliancemanagement notwendig sein.

Durchsetzung und Sanktionen

Der DSA wird kein Papiertiger. Auf eine effektive und einheitliche Durchsetzung des DSA hat der europäische Gesetzgeber ganz besonders großen Wert gelegt. Die zahlreichen Vorschriften lesen sich teils wie eine direkte Antwort auf Durchsetzungsdefizite der DSGVO. Zu den größten Neuerungen gehört, dass die Aufsicht über sehr große Dienste weitgehend bei der Europäischen Kommission zentralisiert ist und zwischen den mitgliedstaatlichen Behörden umfassende Kooperationsrechte und -pflichten bestehen. Die Behörden bekommen eine Reihe effektiver Durchsetzungsbefugnisse – bis hin zur Sperrung des Dienstes. Bei Verstößen gegen die Pflichten des DSA drohen Unternehmen außerdem Bußgelder von bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes.

Zudem stellt der DSA klar, dass neben der behördlichen Durchsetzung auch betroffenen privaten Akteuren der Rechtsweg offensteht. Damit setzt sich die Tendenz zum ergänzenden sog. Private Enforcement europäischer Rechtsakte fort, was die Sanktions- und Haftungsrisiken für Unternehmen deutlich erhöht. Private können sich dabei auch schon vor Klageerhebung von spezialisierten Verbänden und Organisationen vertreten lassen.

Ausblick

Zwar wird sich erst in einigen Jahren zeigen, wie Behörden und Gerichte die Vorschriften des DSA in der Praxis anwenden. Sicher ist allerdings schon jetzt, dass auf digitale Vermittlungsdienste erhöhter Compliance-Aufwand zukommt. Ganz besonders gilt dies für Anbieter sehr großer Dienste. Sie müssen nicht nur weitgehende Sorgfaltspflichten erfüllen, sondern dies auch schon vier Monate, nachdem die Europäische Kommission sie durch Beschluss als sehr großer Dienst bestimmt – auch wenn dieser Zeitpunkt vor dem 17. Februar 2024 liegt. Unternehmen sollten schon jetzt prüfen, was sie im Rahmen ihrer internen Strukturen, der Darbietung ihrer Dienste sowie ihrer AGB verändern müssen sowie entsprechende Prozesse anstoßen.

Zudem sollten Unternehmen auch die weiteren Gesetze und Gesetzesvorhaben im Auge behalten, mit denen die EU die digitale Welt regulatorisch einzuhegen versucht und die Teil der Digitalstrategie der Kommission sind. Dazu gehören der Data Governance Act sowie Gesetzesvorhaben wie der Data Act und der AI Act. Besonders eng mit dem DSA verwandt ist der Digital Markets Act (DMA), der spezielle wettbewerbliche Verhaltensregelungen für große Plattformen mit Gatekeeper-Funktion aufstellt, um die Marktmacht der großen Digitalkonzerne zu begrenzen.

Ausführliche Informationen zum DSA finden Sie im Handbuch „Das neue Recht der digitalen Dienste“, herausgegeben von Dr. Torsten Kraul und bearbeitet unter anderem von Dr. Marvin Bartels und Dr. Niklas Maamar. 

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