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Einigung zwischen Union und SPD

03.12.2020

Am vergangenen Freitag (27. November 2020) erzielten die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD nach zähem Ringen nun doch eine Einigung im Hinblick auf das avisierte Arbeitsschutzkontrollgesetz. Damit stehen Leiharbeit und Werkverträge in der Fleischwirtschaft im Jahr 2021 vor dem Aus.

I. Hintergrund

Als sich ca. zur Mitte diesen Jahres einige Landkreise ausgehend von einzelnen Betrieben der Fleischwirtschaft zu sog. „Corona-Hotspots“ entwickelten, fand sich die gesamte Branche auch in einem Hotspot der Berichterstattung wieder. Der hierdurch entstandene Druck auf die politischen Akteure sowie die pandemiebedingte Sondersituation dürften verantwortlich dafür zeichnen, dass das politische Berlin in sonst nicht gekannter Eile bereits am 20. Mai 2020 im Kabinett die Eckpunkte eines „Arbeitsschutzprogramms für die Fleischwirtschaft“ beschloss.

Ein entsprechender Gesetzesentwurf aus dem Hause von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ließ nicht lange auf sich warten. Kern des avisierten Legislativaktes, zumindest wenn man nach dem Grad der medialen Aufmerksamkeit geht, ist ein weitgehendes Verbot des Einsatzes von Leiharbeitnehmern sowie des Einsatzes von Fremdpersonal via Werkvertragskonstellationen im Kerngeschäft der Fleischwirtschaft. Denn diesen Beschäftigungsformen maß man – sicherlich in einer nicht über jeden Zweifel erhabenen Art und Weise – einen maßgeblichen Beitrag am stattgefundenen Infektionsgeschehen bei.

Im Zuge der regen Diskussion um das Vorhaben und wohl nicht unerheblich beflügelt durch die bestehende Handlungsbereitschaft Berlins, wurden schnell erste Stimmen laut, die im Vorgehen eine generelle Linie erkennen wollten. Befürchtet wurde, dass das Verbot in der Fleischwirtschaft lediglich einen ersten Test darstelle und weitere Verbote folgen würden. Dahingehenden Vermutungen wurde jedoch durch die Antworten der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion Die Linke der Wind aus den Segeln genommen.

Im Anschluss wurde es aber still um diese Gesetzesinitiative. Dem Vernehmen nach gab es inhaltliche Differenzen zwischen Union und SPD. Während die Mitglieder der Unionsfraktion zu weitgehende Restriktionen scheuten, fürchtete die SPD-Fraktion um eine Verwässerung des Gesetzes. Die bestehenden Differenzen konnten nun offenbar beigelegt werden. Vergangenen Freitag wurde bekannt, dass es zu einer Einigung gekommen sei: Das Arbeitsschutzkontrollgesetz kommt.

II. Maßgebliche Konturen des Arbeitsschutzkontrollgesetz

Um den bereits in Zeiten vor der Corona-Pandemie angeprangerten Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft zu begegnen und „die zum Geschäftsmodell gewordene Ausbeutung“ zu beenden, wird das Arbeitsschutzkontrollgesetz noch vor Weihnachten im Bundestag verabschiedet werden (so Arbeitsminister Heil in einer Pressekonferenz am 27. November 2020).

Die maßgeblichen Eckpunkte sehen Folgendes vor:

  • Ausweitung der Kontrollen: Es wird flächendeckende Quoten zur Kontrolle der Einhaltung der Arbeitsschutzregelungen geben. Damit werden die Arbeitsschutzkontrollbehörden der Länder häufiger als bisher die Einhaltung von betrieblichen Arbeitsschutzmaßnahmen kontrollieren.

  • Arbeitszeiterfassung: Die Manipulationen der aufgezeichneten Arbeitszeit soll zum Schutz der Beschäftigten verhindert werden. In Betrieben der Fleischwirtschaft muss die geleistete Arbeitszeit daher zukünftig digital und manipulationssicher erfasst werden. Bei Verstößen droht ein nunmehr erhöhtes Bußgeld von bis zu 30.000 Euro.

  • Unterbringung: Mit dem Ziel, die Unterbringung von Saisonarbeitern in der Landwirtschaft sowie von Beschäftigten der Fleischwirtschaft in Gemeinschaftsunterkünften – auch außerhalb des Betriebsgeländes oder auf einer Baustelle – mit gesteigerten Mindestanforderungen zu belegen, wird der Regelungsumfang der Arbeitsstättenverordnung ergänzt. So sind z. B. Unterkünfte zur längeren Unterbringung etwa mit Möglichkeiten zum Waschen und Trocknen von Kleidung sowie Essbereiche mit Einrichtungen zum Zubereiten und Aufbewahren von Speisen und Spülgelegenheiten auszustatten.

  • Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen: Darüber hinaus wird es ein vollständiges Verbot des Einsatzes von Fremdpersonal im Kerngeschäft der Fleischwirtschaft geben. Der Einsatz von Fremdpersonal via Werkvertragsgestaltung ist dabei bereits ab dem 1. Januar 2021 verboten, für den Einsatz von Leiharbeitnehmern gilt dies erst ab dem 1. April 2021. Dauerhaft ausgenommen sind Unternehmen, die in der Regel nicht mehr als 49 Personen tätig werden lassen.

Neben dieser bereits zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens vorhandenen Ausnahme haben die inhaltlichen Differenzen zwischen Union und SPD zur Aufnahme einer weiteren Ausnahme geführt. Laut Arbeitsminister Heil soll in fleischverarbeitenden Betrieben der Einsatz von Leiharbeitnehmern für bis zu weitere drei Jahre grundsätzlich gestattet sein. Prämisse ist allerdings das Vorliegen einer tariflichen Regelung. Darüber soll der Einsatz nur bis zu einer gewissen Quote (8 % der Beschäftigten) sowie nur für einen gewissen Zeitraum (max. 4 Monate) zulässig sein. Ferner sind den eingesetzten Leiharbeitnehmern ab dem ersten Tag ihres Einsatzes die gleichen Arbeitsbedingungen wie sie den Stammbeschäftigten zu gewähren.

III. Ausblick

Auch wenn mit diesen Entwicklungen Klarheit über den Abschluss des Gesetzgebungsprozesses besteht, wird dies erst der Beginn der wirklichen Diskussion um die Inhalte der Reform sein.

In einem früheren Beitrag haben wir bereits auf die – zum Teil berechtigten – kritischen Stellungnahmen der Literatur zur Verfassungskonformität maßgeblicher Reformbestandteile hingewiesen. Auch vor dem Hintergrund der weiterhin kritischen Position einer Vielzahl von Akteuren ist mit einem Abschluss der Diskussion in naher Zukunft nicht zu rechnen. Dass das Arbeitsschutzkontrollgesetz in der Folge früher oder später einmal Gegenstand eines Verfahrens in Karlsruhe sein wird, ist daher gegenwärtig überwiegend wahrscheinlich.

Aber auch über diesen Kern hinaus hat die Reform das Potenzial, die Arbeitslandschaft in Deutschland nachhaltig zu verändern. Mit Blick auf die vielfältigen Problemstellungen des Arbeitszeitrechts fällt es nicht schwer, sich weitere gesetzliche Initiativen im Sinne des Arbeitnehmerschutzes auszumalen, sollte sich zeigen, dass es einer ganzen Branche möglich und praktikabel sein sollte, die Arbeitszeit der Beschäftigten manipulationssicher digital zu erfassen. In dem Gesetz könnte insoweit lediglich ein erster nach Halt tastender Vorstoß liegen.

Vor dem Gesagten fast schon nebensächlich, steht selbstverständlich auch die Umsetzung der Auswirkungen des Arbeitsschutzkontrollgesetzes in der Fleischwirtschaft sowie in anderen primär betroffenen Branchen an. Zum Teil wird es hier um nicht weniger als die Neuausrichtung ganzer betriebswirtschaftlicher Unternehmenskonzepte gehen.

Arbeitsrecht

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