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Europäische Prospekt­verordnung

12.04.2017

Am 5. April 2017 hat das EU-Parlament der im Dezember 2016 getroffenen Trilog-Einigung für eine Verordnung über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist, zugestimmt. Nun muss auch der EU-Rat noch zustimmen, bevor die Verordnung zwei Jahre später Anwendung finden wird. Die neue Prospektverordnung ist Teil der bis Ende 2019 von der EU-Kommission geplanten Kapitalmarktunion und soll die bisher geltende Prospektrichtlinie 2003/71/EG ersetzen. Auch wenn die neue Prospektverordnung grundsätzlich auf den bereits geltenden Regelungen aufbaut, wird sie – anders als die derzeit noch geltende Prospektrichtlinie – unmittelbar in den Mitgliedstaaten Anwendung finden. Das europäische Prospektrecht dient grundsätzlich der Harmonisierung der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem geregelten Markt einem (potentiellen) Anleger offenzulegenden Informationen. Die Überarbeitung des europäischen Prospektrechts soll insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) durch Vereinfachung der geltenden Vorschriften und Straffung des betreffenden Verwaltungsverfahrens den Zugang zu den Kapitalmärkten erleichtern. Vor diesem Hintergrund enthält die neue Prospektverordnung insbesondere folgende neue Regelungsaspekte:

  • Artikel 1 Abs. 3 ProspektVO-E: Eine Prospektpflicht entfällt für Wertpapierangebote mit einem Umfang von höchstens EUR 1 Mio. über einen Zeitraum von zwölf Monaten.

  • Artikel 3 Abs. 2 S. 1 lit. b) ProspektVO-E: Ein Mitgliedstaat kann Wertpapierangebote (zusätzlich) von der Prospektpflicht ausnehmen, wenn der Gesamtgegenwert des Angebots in der EU über einen Zeitraum von zwölf Monaten EUR 8 Mio. nicht überschreitet. Innerhalb der Spanne von EUR 1 Mio. (keine Prospektpflicht) und EUR 8 Mio. (Möglichkeit der Mitgliedstaaten zur Ausnahmeregelung) können Mitgliedstaaten aber gleichwohl nationale Veröffentlichungspflichten vorsehen, sofern diese keine unverhältnismäßige oder unnötige Belastung darstellen. Die nach nationalem Recht von der Prospektpflicht ausgenommenen Wertpapierangebote können jedoch lediglich in diesem Mitgliedstaat angeboten werden und kommen nicht in den Genuss des sogenannten „Europäischen Passes“ (Erwägungsgrund 13 sowie Artikel 3 Abs. 2 S. 1 lit. a) ProspektVO-E).

  • Artikel 1 Abs. 4 lit. c ProspektVO-E: Ein Prospekt soll zukünftig auch bei allen Wertpapierangeboten mit einer Mindeststückelung von EUR 100.000 (bislang EUR 50.000) nicht erforderlich sein.

  • Artikel 1 Abs. 5 lit. a ProspektVO-E: Der Schwellenwert für die Ausnahme von der Prospektpflicht für die Zulassung von Aktien derselben Gattung zum Handel wurde von 10 % auf 20 % der Zahl der bereits zum Handel zugelassenen Wertpapiere angehoben.

  • Artikel 7 ProspektVO-E: Die in den Prospekten enthaltenen Zusammenfassungen sollen insbesondere durch verständlichere Formulierungen vereinfacht werden; in Einzelfällen soll eine Zusammenfassung entbehrlich sein. Die Gesamtzahl der in die Zusammenfassung aufgenommenen Risikofaktoren über den Emittenten, die Wertpapiere sowie eventuelle Garantiegeber darf zukünftig 15 nicht überschreiten (Artikel 7 Abs. 10 ProspektVO-E), die Gesamtseitenzahl der Zusammenfassung wurde auf maximal sieben DIN-A4-Seiten begrenzt (Artikel 7 Abs. 3 ProspektVO-E).

  • Artikel 9 ProspektVO-E: Ein sogenanntes einheitliches Registrierungsformular wird eingeführt, aus dem sich Angaben zu Organisation, Geschäftstätigkeiten, Finanzlage, Ertrag und Zukunftsaussichten sowie Führung und Beteiligungsstruktur des Unternehmens ergeben. Der durch Billigung des Formulars erlangte Status eines Daueremittenten führt unter anderem zu einer Verkürzung des Zeitraums für die Prospektbilligung von 10 auf 5 Tage (Artikel 20 Abs. 6 ProspektVO-E).

  • Artikel 14 ProspektVO-E: Bei Sekundäremissionen von Emittenten, die bereits seit mindestens 18 Monaten fortlaufend an Aktienmärkten und KMU-Wachstumsmärkten zugelassen sind, gelten zukünftig vereinfachte Prospektpflichten. Dies gilt für die Emission von Wertpapieren, die mit bereits zugelassenen Wertpapieren fungibel sind, die Emission von Nichtdividendenwerten von Emittenten, die bereits Dividendenwerte zugelassen haben und für die Erhöhung eines bereits begebenen Wertpapiers. Der vereinfachte Prospekt soll aus einem speziellen Registrierungsformular, einer Zusammenfassung sowie einer speziellen Wertpapierbeschreibung bestehen.

  • Artikel 15 ProspektVO-E: Als neue Prospektart wird der sogenannte „EU-Wachstumsprospekt“ eingeführt. Er soll erstellt werden können von KMU, Nicht-KMU mit einer durchschnittlichen Marktkapitalisierung von weniger als EUR 500 Mio. zum Ende der vergangenen drei Kalenderjahre, deren Wertpapiere auf einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind, und von nicht-börsennotierten Emittenten von Emissionen mit einem Gesamtgegenwert von Wertpapierangeboten in der EU innerhalb von zwölf Monaten von EUR 20 Mio., die im vergangenen Geschäftsjahr nicht mehr als 499 Arbeitnehmer beschäftigten. Der EU-Wachstumsprospekt soll ein standardisiertes Format haben sowie aus einer Zusammenfassung, einem speziellen Registrierungsformular und einer speziellen Wertpapierbeschreibung bestehen.

  • Artikel 16 ProspektVO-E: Die Darstellung der Risikofaktoren im Prospekt wurde ebenfalls überarbeitet. Es sollen lediglich für die Anlageentscheidung wesentliche Risikofaktoren aufgenommen werden. Der Emittent hat bei der Bewertung der Wesentlichkeit eines Risikofaktors dessen Eintrittswahrscheinlichkeit und die Schwere seiner potentiellen Auswirkungen zu beurteilen. Die wesentlichsten Risikofaktoren sind voranzustellen. ESMA und EU-Kommission können konkretisierende Rechtsakte hierzu erlassen.

Pressemitteilung (englisch) des EU-Parlaments