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Änderung der SektVO – Entwurf eines Gesetzes zur Beschleu­nigung der Vergabe öffent­licher Aufträge – Noerr Insight No 5

05.09.2025

Der Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge („Vergabebeschleunigungsgesetz“) soll ein wesentlicher Schritt sein, um staatliche Beschaffungsprozesse an die aktuellen Anforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft anzupassen. Im Rahmen einer Newsbeitragsreihe erläutern wir die wichtigsten Aspekte des Gesetzentwurfs sowie die geplanten Änderungen des Vergaberechts ausführlich.

Im ersten Teil dieser Reihe wurden die politischen Hintergründe und die übergeordneten Ziele des Vergabebeschleunigungsgesetzes skizziert sowie ein Überblick über die wesentlichen Änderungen beim vergaberechtlichen Rechtsschutz gegeben. Bereits dort wurde deutlich, dass die geplante Reform tief in bestehende Strukturen eingreift, mit dem Ziel, die öffentliche Beschaffung effizienter, digitaler und innovationsfreundlicher zu gestalten.

Der zweite Teil der Beitragsreihe beleuchtet die geplanten Änderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen („GWB“) hinsichtlich der Gestaltung der Vergabeverfahren. Aus diesen ergeben sich weitreichende Flexibilisierungen und Maßnahmen für Auftraggeber.

Mit dem dritten Teil der Beitragsreihe haben wir die beabsichtigten Neuerungen der Vergabeverordnung („VgV“) dargestellt, welche insbesondere der Förderung junger Unternehmen und des Mittelstandes, der Stärkung der Innovation sowie der Beschleunigung der Vergabeverfahren dienen sollen.

Im vierten Teil der Beitragsreihe werden die Änderungen der Konzessionsvergabeverordnung („KonzVgV“) sowie der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit („VSVgV“) und die darin angelegten Möglichkeiten zur Flexibilisierung und Vereinfachung der Vergabeverfahren dargestellt.

Der nunmehrige fünfte Beitrag dieser Reihe erörtert die künftigen Änderungen der Sektorenverordnung („SektVO“) und die ihnen zugrundeliegenden Ziele und innewohnenden Potentiale, die aufmerksamen Lesern des vierten Teils dieser Beitragsreihe bereits bekannt vorkommen dürften. Die SektVO gilt für Auftraggeber in den Bereichen Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung. Sie konkretisiert die Vorgaben des GWB für diese besonderen Sektoren, in denen Unternehmen wegen ihrer marktbeherrschenden Stellung einem eigenen, teils erleichterten Vergaberegime unterliegen.

A. Beschleunigung der Verfahren

Parallel zum Regelungsgehalt des neueingeführten § 42 Abs. 4 VgV verfolgt der Gesetzgeber auch durch die Ersetzung des § 51 Abs. 1 SektVO das Anliegen, das Vergabeverfahren zu beschleunigen, indem das vereinfachte Wertungsverfahren zum Regelfall erklärt wird. Bisher sieht das Gesetz vor, dass der Auftraggeber zunächst die Eignung aller Bieter und erst danach die inhaltliche Angebotswertung prüft. In Zukunft soll die Angebots- vor der Eignungsprüfung erfolgen. Doch auch wie bei § 42 Abs. 4 VgV liegt die Entscheidung beim Auftraggeber, welches Wertungsverfahren er wählt. Er kann von dem vom Gesetzgeber intendierten vereinfachten Wertungsverfahren abweichen, wenn dies einen erhöhten zeitlichen und/oder personellen Aufwand vermeiden kann. Dabei soll aber auch der potenzielle Aufwand der Bieter berücksichtigt werden. Diese Regelung zielt auf ein Austarieren von Beschleunigung durch Entlastung öffentlicher Stellen und einer Unternehmensförderung bzw. zumindest nicht nachteiligen Belastung ab. Gerade hierin liegt großes Potential für KMU und Startups, die zuerst ihre Angebote einreichen und dadurch überzeugen können, ohne dass der Auftraggeber von möglicherweise noch geringen Referenzen abgeschreckt wird. Wichtig ist jedoch, dass die Unterlagen für die Eignungsprüfung schnell und vollständig eingereicht werden, um den positiven Eindruck aufrecht zu erhalten. Offen bleibt jedoch, inwiefern die öffentlichen Stellen den anzufallenden Aufwand bei potenziellen Bietern berücksichtigen, hierin liegt besonders für auf dem Markt neue Player die größte Unsicherheit.

Mit der Streichung des § 106 Abs. 3 GWB sollen auch die Änderungen der in der SektVO geltenden Schwellenwerte nach § 106 Abs. 2 Nr. 2 GWB nicht mehr im Bundesanzeiger, sondern nur noch dem EU-Amtsblatt entnommen werden. Dies ist allerdings eher für die Auftraggeber relevant, da sie so das entsprechende Vergabeverfahren mit den jeweiligen Anforderungen zu wählen haben.

Letztlich verfolgt auch die Ergänzung um das Kriterium der Angemessenheit in § 46 SektVO, der die Anforderungen an die Auswahlkriterien niederlegt, das Ziel der Beschleunigung, indem Sektorenauftraggeber keine überzogenen Anforderungen an die Unternehmen stellen sollen. Dies erweitert den Spielraum hinsichtlich der im Sektorenbereich ohnehin geltenden weiten Spielräume hinsichtlich der Auswahlkriterien. Weitere Entlastung und Beschleunigung soll dadurch erreicht werden, dass zumindest in der Gesetzesbegründung auch die Option eröffnet wird, entsprechende Nachweise nur von aussichtsreichen Unternehmen anfordern zu können.

B. Stärkung der Innovation

In Kongruenz zur geplanten Änderung des § 28 Abs. 1 VgV soll auch § 26 Abs. 1 SektVO dahingehend angepasst werden, dass die dem eigentlichen Vergabeverfahren vorgehende Markterkundung sowohl soziale, umweltbezogene als auch Aspekte der Qualität und Innovation umfassen kann.

Ebenso verhält es sich mit den Änderungen des § 33 SektVO, die denen des § 35 VgV entsprechen. Auch hier wird ein „Äußerungs- und Entscheidungsgebot“ bezüglich der Zulassung, Vorschrift oder dem Ausschluss von Nebenangeboten umgesetzt. Erklärtes Ziel ist es auch hier, dass innovative Lösungen in das Vergabeverfahren eingebracht werden können. Davon sind insbesondere auch solche umfasst, die vom Auftraggeber vorher nicht bedacht waren. Dies ermöglicht KMUs und Startups in besonderer Weise, ihre innovativen Lösungen einzubringen und dadurch den Auftraggeber zu überzeugen, vor allem, wenn diese besonders technisch innovativ oder nachhaltig sind. Zudem muss der Auftraggeber sich in Zukunft aktiv entscheiden, ob er Nebenangebote zulässt oder diese ausschließt, die Vermutungsregel des § 33 Abs. 2 Satz 2 SektVO entfällt. Hierdurch soll eine aktivere Auseinandersetzung des Auftraggebers mit dem Instrument der Nebenangebote forciert werden. Eine Begründung dieser Entscheidung, ob Nebenangebote zugelassen werden, ist jedoch nicht verpflichtend.

C. Explizites Ansprechen junger Unternehmen und des Mittelstandes

Der § 46 SektVO wird parallel zu § 42 VgV um einen Absatz ergänzt, der sicherstellen soll, dass die Umstände für junge Unternehmen und KMU bei der Auswahl der Kriterien und Eignungsnachweise berücksichtigt werden. Eine Begründung für die Auswahlentscheidung ist jedoch nicht erforderlich, was dem Auftraggeber – ganz im Geiste des zentralen Anliegens der Beschleunigung – einen Beurteilungsspielraum belässt. Als mögliche Umstände, die zu berücksichtigen sind, nennt die Gesetzesbegründung zu § 42 Abs. 2 VgV, auf die die Begründung zu § 46 Abs. 4 SektVO verweist, hohe Anforderungen an die Höhe der Mindestjahresumsätze oder Projektreferenzen, die im Rahmen der öffentlichen Konsultation zur Reform des Vergaberechts im Jahre 2023 als zentrale Probleme identifiziert wurden. Offen bleibt, inwiefern diese Regelung Startups und KMU wirklich besserstellen wird. Die fehlende Begründungspflicht gewährleistet zwar den gewünschten geringen Aufwand für den Auftraggeber, ist jedoch zugleich Einfallstor für eine fehlerhafte Festlegung von Kriterien. Nichtsdestotrotz sollten betroffene Unternehmen ihr Innovationspotential und ihre Kompetenz klar herausstellen. Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass sich diese Kompetenz auch aus etwaiger wissenschaftlicher Arbeit oder wissenschaftlichen Kooperationen oder Pilotprojekten ergeben kann.

D. Änderung der Regelung über Nachforderungen

Durch die Neufassung des § 51 Abs. 2 SektVO soll dieser näher an den Wortlaut des Art. 76 Abs. 4 der Richtlinie 2014/25/EU gebracht werden und die Voraussetzungen für Nachforderungen durch den Auftraggeber erleichtern. Diese Änderung ist gleichlaufend zu der in § 56 Abs. 2 VgV. Auch vorliegend wird die Differenzierung zwischen unternehmensbezogenen und leistungsbezogenen Unterlagen aufgegeben. Durch diese Neuregelung soll verhindert werden, dass Unternehmen angesichts formeller Fehler vorschnell aus dem Vergabeverfahren ausscheiden, obwohl sie den materiellen Anforderungen gerecht werden. Allerdings soll die Möglichkeit der Nachforderung von Unterlagen weiterhin im Ermessen des Auftraggebers stehen.

E. Ausblick und Fazit

Die geplanten Änderungen der SektVO, die inhaltlich denen der VgV überwiegend gleichkommen, dienen auch hier der Flexibilisierung, Beschleunigung und Innovation. Gerade durch die Umsetzung des bereits in der Praxis häufig anzutreffenden Vorgehens einer Angebotsprüfung vor der Eignungsprüfung kann das Vergabeverfahren weiter beschleunigt werden. Lobenswert ist die Förderung junger und innovativer Unternehmen sowie KMU, wie sie auch im VgV Einzug gefunden hat. Bei einer Gesamtbetrachtung der neuen Chancen und Risiken für diese Gruppe wird deutlich, dass diese von dem Gesetzesvorhaben besonders profitieren können, sofern die Sektorenauftraggeber, denen im Rahmen der SektVO ein besonders weiter Beurteilungsspielraum zusteht, diesen richtig ausnutzen und sich auf „frischen Wind“ einlassen. Auch wenn dies im Einzelnen noch ungewiss ist, sollten sich KMU und Startups rechtzeitig mit der Frage auseinandersetzen und sich vorbereiten, ob und wenn ja, wie sie sich den Auftraggebern präsentieren wollen, um die Potentiale bestmöglich auszuschöpfen.

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