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Das DiRUG in der Praxis

08.11.2022

Die fortschreitende Digitalisierung erreicht seit der Corona-Pandemie auch vermehrt das rechtliche Umfeld. Dies geht einher mit dem Bedürfnis der grenzüberschreitenden Transaktionspraxis nach schnellen, kosteneffizienten und nutzerfreundlichen notariellen Dienstleistungen.

Am 1. August 2022 ist das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRuG) in Kraft getreten. Es schafft die rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass Handelsregisteranmeldungen und GmbH-Gründungen auch per Videokommunikation mit dem Notar durchgeführt werden können. Die wesentlichen Neuerungen haben wir bereits hier aufgeführt.

Im Folgenden sollen der rechtliche Rahmen und die technische Umsetzung dieses Verfahrens näher beleuchtet und anschließend auf die praxisrelevante Beglaubigung eingegangen werden.

Gesetzesumsetzung und Anwendungsbereich

Während das DiRUG in der Fassung vom 13. August 2021 noch eine Beschränkung des Anwendungsbereiches auf Einzelkaufleute, Kapitalgesellschaften und Zweigniederlassungen von in- und ausländischen Kapitalgesellschaften enthielt, sah sich der Gesetzgeber in Folge zahlreicher kritischer Stimmen aus Wissenschaft und Praxis und aufgrund einer Empfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des deutschen Bundestages in der Pflicht, nachzubessern. Dem Entwurf der Bundesregierung vom 13. April 2022 folgend sind in der nun gültigen Gesetzesfassung auch Personenhandelsgesellschaften und Genossenschaften in den Anwendungsbereich des notariellen Verfahrens für Online-Beglaubigungen von Registeranmeldungen einbezogen, vgl. § 12 Abs. 1 S. 2 HGB. Ferner sind auch Anmeldungen zum Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister umfasst.

Anmeldevorgang

Die Online-Beglaubigung ist gem. § 40a Abs. 1 S. 1 BeurkG ausschließlich über das von der Bundesnotarkammer betriebene Videokommunikationssystem gem. § 78p BNotO zulässig. Die näheren technischen Bestimmungen regelt gem. § 78p Abs. 3 BNotO die Verordnung über den Betrieb eines Videokommunikationssystems für notarielle Urkundstätigkeiten (NotViKoV), die hier abrufbar ist.

I. Registrierung

Zu Beginn des Verfahrens steht die Registrierung im Online-Portal der Bundesnotarkammer unter https://www.onlineverfahren.notar.de. Hierbei ist zunächst die Rolle auszuwählen, die man in dem Beglaubigungsvorgang einnimmt. Beteiligte sind grundsätzlich alle, deren Erklärungen beglaubigt werden sollen. Dritte, z.B. Rechtsanwälte, können als Gäste an der Videokonferenz teilnehmen. Das Online-Portal der Bundesnotarkammer ermöglicht neben der sicheren Videokommunikation zwischen dem Notar und den Beteiligten auch den sicheren Austausch von Entwürfen und sonstigen Dokumenten. Die Anwendung ist vollständig browserbasiert, zusätzliche Hard- oder Software ist nicht nötig. Der Anmeldevorgang kann auch per Smartphone über die „Notar App“ der Bundesnotarkammer gestartet werden, die die Beteiligten durch den Anmeldevorgang leitet. Zur erneuten späteren Anmeldung wird der Beteiligte aufgefordert, seine E-Mail-Adresse zu hinterlegen und ein Passwort zu vergeben.

II. Identifizierung des Beteiligten

Bei der Registrierung muss sich der Beteiligte mithilfe eines elektronischen Identitätsnachweises (e-ID) ausweisen. Für die Identifizierung benötigt der Beteiligte ein NFC-fähiges Smartphone sowie die „Notar App“. Sodann kann der Beteiligte über die App durch Eingabe der sechsstelligen PIN, die er bei der Aktivierung der Online-Funktion der e-ID gewählt hat, die entsprechende Chipkarte auslesen. Die zugelassenen Mobilgeräte sind unter folgendem Link aufgezählt: https://www.ausweisapp.bund.de/mobile-geraete.

Die Identifizierung dient zum einen dazu, dass dem Notar zur Vorbereitung der Urkunde authentische Nutzerdaten zur Verfügung stehen, § 3 Abs. 3 NotViKoV. Zum anderen soll er das Ablaufdatum des e-ID prüfen, da dieser im Zeitpunkt des Beglaubigungstermins noch gültig sein muss. § 16c S. 1 BeurkG normiert die gültigen Identifizierungsmittel. Diese sind aktuell

  • der deutsche Personalausweis gem. § 18 PAuswG (sofern die Online-Funktion freigeschaltet ist),

  • die seit dem 1. Januar 2021 neu eingeführte deutsche eID-Karte für EU/EWR-Staatsangehörige (alle EU-Staaten sowie Island, Lichtenstein und Norwegen), und

  • der elektronische Aufenthaltstitel gem. § 78 Abs. 5 AufenthG für Drittstaatsangehörige.

Die neue eID-Karte bietet sich insbesondere für ausländische Beteiligte an, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Sie kann entweder beim Bürgerbüro am deutschen Wohnort oder bei den vom Auswärtigen Amt benannten deutschen Auslandsvertretungen beantragt werden, § 1 Abs. 1, §§ 7f. eiDKG. Die Gültigkeitsdauerdauer beträgt ohne Verlängerungsmöglichkeit zehn Jahre, die Bearbeitungskosten belaufen sich auf 37,00 EUR und die Bearbeitungszeit liegt je nach Wohnort zwischen zwei und fünf Wochen.

Darüber hinaus kann auch jedes andere europäische Identifizierungsmittel i.S.v. Art. 3 Nr. 2 eIDAS-VO verwendet werden, sofern es gem. Art. 9 eIDAS-VO notifiziert ist und dem Sicherheitsniveau „hoch“ gem. Art. 8 Abs. 2 lit. c eIDAS-VO entspricht. Die Ergebnisse des Notifizierungsverfahrens aktualisiert die Kommission regelmäßig im Amtsblatt (siehe zuletzt vom 24. Juni 2022: EU 2022/C 241/13).

Bis zum heutigen Tage haben folgende Länder ein Identifizierungsmittel mit dem Sicherheitslevel „hoch“ notifiziert, wobei es sich meistens um das Pendant zum deutschen Personalausweis handelt:

Belgien, Deutschland, Estland, Italien (CIE), Kroatien, Lettland (eID karte), Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande (DigiD Hoog), Österreich, Portugal, Slowakei, Spanien, Tschechische Republik.

Die folgenden Länder haben entweder kein Identifizierungsmittel notifiziert oder es wurde nicht mit dem entsprechenden Sicherheitslevel bewertet:

Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Polen, Rumänien, Schweden, Slowenien, Ungarn, Zypern.

III. Zuständiger Notar

Bei der Registrierung wählen die Beteiligten außerdem einen örtlich zuständigen Notar. Während das Gesetz bei Präsenzterminen bisher die freie Auswahl des beglaubigenden Notars vorsah, gilt nun im Videoverfahren das Amtsbereichsprinzip gem. § 10a Abs. 3 BNotO. Die Zuständigkeit „innerhalb des Amtsbereichs“ liegt beim Videoverfahren entweder am Gesellschaftssitz (Satzungssitz) der betroffenen Gesellschaft oder dem Wohnsitz (melderechtlicher Hauptwohnsitz) oder Sitz (bei Gesellschaften) eines Gesellschafters. Eine Ausnahme besteht gem. § 10a Abs. 2 BNotO bei einem besonderem berechtigten Interesse, welches aber nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein wird. Dieses richtet sich weiterhin nach der Richtlinienempfehlung der Bundesnotarkammer gem. § 78 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 67 Abs. 2 Nr. 9 BNotO. Der Sitz einer beratenden Kanzlei reicht hierfür aber nicht aus, ebenso wenig die Beziehung zu einem Notar als sog. „Hausnotar“. Eine Verletzung des Zuständigkeitsbereichs hat auf die Wirksamkeit der Beglaubigung keinen Einfluss, zieht allerdings standesrechtliche Folgen für den zuwider handelenden Notar nach sich.

Beglaubigung mittels Videokommunikation

I. Zugangsberechtigung und technischer Ablauf

Zur Teilnahme an dem Videoverfahren berechtigt sind neben dem Notar und den Beteiligten auch Dritte, z.B. Rechtsanwälte oder Steuerberater, die im Rahmen der Vorbereitung der Durchführung oder des Vollzugs hinzugezogen worden sind, § 2 Abs. 1 Nr. 4 NotViKoV.

Die §§ 8 ff. NotViKoV regeln die technischen Voraussetzungen für die Videokommunikation. Die Kommunikation erfolgt im Wege der Bild- und Tonübertragung, die nicht aufgezeichnet werden darf. Die Leitung des Verfahrens obliegt dem Notar. Dazu gehört insbesondere auch die Möglichkeit, Nutzer auszuschließen oder die Videokommunikation insgesamt zu beenden, § 9 Abs. 2 NotViKoV. Gem. § 16a Abs. 2 BeurkG soll der Notar das Videoverfahren ablehnen, wenn er auf diese Weise die Erfüllung seiner Amtspflichten nicht gewährleisten kann, insbesondere wenn er sich auf diese Weise keine Gewissheit über die Person eines Beteiligten verschaffen kann oder er Zweifel an der erforderlichen Rechtsfähigkeit oder Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten hat. Die aufgezählten Regelbeispiele sind nicht abschließend.

Während des gesamten Verfahrens müssen die Teilnehmer sowohl in Bild als auch in Ton erreichbar sein, um die Formzwecke des Beglaubigungsverfahren weitgehend funktionsäquivalent abzubilden . Etwaige Verbindungstörungen oder das in der Praxis zu beobachtende Abschalten von Bild oder Ton, um sich parallel anderen Aktivitäten zu widmen, führen dazu, dass die Beteiligten als nicht anwesend gelten und die Beglaubigung unwirksam wäre. Der Notar muss die Anwesenheit überwachen und bei Verbindungs- oder Übertragungsfehlern den entsprechenden Teil unverzüglich wiederholen.

II. Lichtbildabgleich

Auf der 2. Stufe des Identifizierungsverfahrens ist der Notar gem. § 16c S. 1 BeurkG verpflichtet, das Erscheinungsbild eines jeden Beteiligten mit dessen elektronisch übermitteltem Lichtbild abzugleichen, vgl. § 10 Abs. 3 NotViKoV. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Beteiligte dem Notar persönlich bekannt ist, § 16c S. 3 BeurkG.

Das für diesen Abgleich zu verwendende Lichtbild wird gem. § 16c S. 2 BeurkG mit Zustimmung des Inhabers aus dem elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium eines amtlichen Ausweises (z.B. deutscher Personalausweis, der ab dem 2. August 2021 ausgestellt wurde) oder Reisepasses, mit dem die Pass- und Ausweispflicht im Inland erfüllt wird, ausgelesen. Anders als bei der 1. Stufe kann hier aber nicht die eID-Karte verwendet werden, da der Kartenchip kein Lichtbild speichert. Auf Seiten der Beteiligten kann für den Auslesevorgang ein marktübliches Smartphone mit der von der Bundesnotarkammer bereitgestellten App verwendet werden. Hierfür muss die auf dem Ausweisdokument abgedruckte Zugangsnummer (sog. „Card Access Number“ oder „CAN“) eingegeben werden.

III. Nachweis der Vertretungsberechtigung

In Fällen der (ausländischen) rechtsgeschäftlichen Vertretung ist gem. § 12 Abs. 1 S. 2 HGB nur eine notariell errichtete oder zumindest beglaubigte Vollmacht zulässig. Die Vollmachtsurkunde i.S.v. § 172 BGB muss aber weiterhin in Urschrift oder Ausfertigung in Papierform dem Notar vorgelegt werden, § 12 BeurkG. Die elektronische Form bleibt weiterhin ausgeschlossen und auch die Übersendung einer elektronischen (beglaubigten) Abschrift genügt mangels Unikatsfunktion den Anforderungen nicht.

Bei fremdsprachigen Vollmachten fordern die Handelsregister eine Übersetzung durch einen vereidigten Dolmetscher mit entsprechender Apostille bzw. Legalisation. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Notar der fremden Sprache mächtig ist und eine Vertretungsbescheinigung gem. § 21 Abs. 3 BNotO stellen kann.

IV. Elektronische Signatur

Die Identifizierung bei der Anmeldung dient auch einem sekundären Zweck. Gem. § 40a Abs. 1 S. 1 BeurkG werden die Unterschriften der Beteiligten durch qualifizierte elektronische Signaturen („QES“) i.S.v. Art. 3 Nr. 12 eIDAS-VO ersetzt. Die QES muss bestimmte Anforderungen (siehe hierzu: https://www.noerr.com/de/newsroom/news/elektronische-signaturen-bei-transaktionen) erfüllen. Zunächst muss der Beteiligte bei der Anmeldung der Erstellung eines qualifizierten Signaturzertifikats durch die Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer zustimmen. Da es sich um eine sog. Fernsignatur handelt, wird weder eine physische Signaturkarte oder entsprechende Soft- oder Hardware benötigt. Im Anschluss wird das Zertifikat anhand der übermittelten e-ID-Daten erstellt, § 12 Abs. 3 NotViKoV. Im Videoverfahren wird dieses dann durch Auslösung per Mobile-TAN-Verfahren zum Anbringen der QES an die elektronische Niederschrift benutzt.

Schlussbemerkungen

Die Erweiterung des Anwendungsbereiches durch den Gesetzesentwurf ist zu begrüßen. Die Mitwirkung von Bevollmächtigten wird aber so lange Probleme aufwerfen, wie eine elektronische Vollmacht nicht existiert, sondern der Notar die Vollmacht im Original, gegebenenfalls mit Apostille/Legalisation, einfordern muss. Um sich von anderen Staaten in der effizienten und praxisgerechten Nutzung digitaler Möglichkeiten nicht abhängen zu lassen und einen Standortvorteil zu schaffen, sollte der Gesetzgeber das Online-Verfahren im Gesellschaftsrecht in den kommenden Jahren kontinuierlich weiterentwickeln. Erfreulich wäre für die Praxis auch eine Stärkung des Notars als „One-Stop-Shop“, indem man das Online-Portal mit öffentlichen und privaten Schnittstellen besser vernetzt (z.B. mit der Gewerbeanmeldung und der notwendigen Identifizierung für die Eröffnung eines Bankkontos).

 

 

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