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Premiere: Kommission veröffentlicht erste Phase 2-Entscheidung nach der FSR (e&/PPF)

16.04.2025

Die Europäische Kommission („Kommission“) hat am Freitag, den 4. April 2025, die lang erwartete nicht-vertrauliche Fassung ihres Beschlusses im Verfahren Emirates Telecommunications Group („e&“) / PPF Telecom Group („PPF“) veröffentlicht. Bereits im September 2024 hatte die Kommission die (Teil-)Übernahme der PPF durch e& genehmigt (mehr dazu auf Noerr Insights), doch der Beschluss wurde bislang noch nicht vollständig veröffentlicht.

Die Entscheidung ist von besonderer Bedeutung, da sie die bis heute einzige öffentlich bekannte Durchführung einer eingehenden Prüfung („Phase 2-Prüfung“) einer M&A-Transaktion unter der Foreign Subsidies Regulation („FSR“) ist. Sie ist insbesondere praxisrelevant, weil sie Aufschluss über den materiellen Prüfungsmaßstab gibt, den die Kommission bei der Bewertung drittstaatlicher (d. h. Nicht-EU-) Subventionen anlegt.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Entscheidung sowie deren praktische Implikationen stellen wir im Folgenden dar.

Zum Hintergrund der Transaktion e&/PPF

Die Erwerberin, e&, ist ein staatlich kontrollierter Telekommunikationsanbieter aus den Vereinigten Arabischen Emiraten („VAE“) und wird von einem staatlichen Vermögensfonds, der Emirates Investment Authority („EIA“), kontrolliert. PPF ist ein europäischer Telekommunikationsanbieter mit Sitz in den Niederlanden, der in der Tschechischen Republik, Bulgarien, Ungarn, Serbien und der Slowakei tätig ist. Die Geschäftsbereiche von PPF umfassen Telekommunikationsdienstleistungen und die zugrunde liegende Infrastruktur. PPF verfügt im Telekommunikationssektor über 10 Millionen Kunden.

Die M&A-Transaktion wurde bei der Kommission am 26. April 2024 angemeldet. Im Rahmen der Vorprüfung („Phase 1-Prüfung“) wurden hinreichende Anhaltspunkte für drittstaatliche Subventionen, die den europäischen Binnenmarkt verzerren könnten (mehr dazu auf Noerr Insights), festgestellt. Bei den fraglichen drittstaatlichen Subventionen handelte es sich vor allem um (i) eine unbegrenzte Garantie der VAE und (ii) einen Kredit zugunsten der EIA durch von den VAE kontrollierte Banken. Die am 10. Juni 2024 eingeleitete Phase 2-Prüfung beendete die Kommission mit einer bedingten Genehmigung, d. h. vorbehaltlich der Einhaltung der zugesagten Verpflichtungen.

Deutliche Bezüge zum EU-Beihilferecht bei der materiellen Prüfung einer drittstaatlichen Subvention

Inhaltlich prüfte die Kommission insbesondere, ob die Parteien der M&A-Transaktion von drittstaatlichen Subventionen profitieren und ob dies zu einer Verzerrung auf dem europäischen Binnenmarkt führt. Die Tatbestandsmerkmale der staatlichen Zuwendung sowie der Verfälschung des Wettbewerbs existieren bereits im EU-Beihilferecht. Der nun veröffentlichte Beschluss zeigt, dass sich die Kommission bei der Anwendung der FSR auch inhaltlich auf das EU-Beihilferecht bezieht.

I. Befreiung vom allgemeinen Insolvenzrecht eines Drittstaates kann unbegrenzte drittstaatliche Garantie begründen

Eine drittstaatliche Subvention nahm die Kommission unter anderem in der für e& vorgesehenen Ausnahme vom allgemeinen Insolvenzrecht der VAE an, da sie diese mit einer unbegrenzten Garantie durch den Staat gleichsetzte.

Bei der Einordnung orientierte sich die Kommission auch am EU-Beihilferecht. In ihrer Entscheidung nimmt sie Bezug auf die Mitteilung über die Anwendung der Artikel 87 und 88 des EG-Vertrags auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften. Darin heißt es in Punkt 1.2.: „Als Beihilfe in Form einer Garantie wertet die Kommission auch die günstigeren Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, deren Rechtsform einen Konkurs oder andere Insolvenzverfahren ausschließt oder dem Unternehmen eine ausdrückliche staatliche Garantie oder Verlustübernahme durch den Staat verschafft.“ Unter Anwendung dieser Grundsätze ergab sich aus Sicht der Kommission das Vorliegen einer unbegrenzten staatlichen Garantie zugunsten von e&. Denn, neben der Ausnahme vom allgemeinen Insolvenzrecht, müsste e&, nach ihrer Einschätzung, seine Verbindlichkeiten im Fall einer Zahlungsunfähigkeit wohl nicht selbst tragen, da die VAE unterstützend eingreifen würden. Die Kommission stellte auch klar, dass eine gesetzliche Grundlage, die ein Eingreifen des Staates vorschreibt, für das Vorliegen einer unbegrenzten Garantie nicht erforderlich sei, sofern sich aus den rechtlichen und tatsächlichen Umständen das Bestehen einer unbegrenzten staatlichen Garantie ergebe.

II. Vorgehensweise der Kommission bei der Feststellung der Verzerrung des europäischen Binnenmarktes

Grundsätzlich muss die Kommission zur Annahme einer Verzerrung auf dem europäischen Binnenmarkt feststellen, dass die drittstaatliche Subvention (i) die Wettbewerbsposition des Unternehmens verbessert, das von der Subvention profitiert und (ii) den Wettbewerb dadurch tatsächlich oder potenziell beeinträchtigt. Anders als im EU-Beihilferecht, in dem eine Binnenmarktverzerrung vermutet wird, wenn ein in der EU tätiges Unternehmen einen finanziellen Vorteil durch einen EU-Mitgliedsstaat erhält, kann eine Binnenmarktverzerrung unter der FSR jedoch nicht allein auf Grundlage einer gewährten drittstaatlichen Subvention vermutet werden. Die Verzerrung auf dem europäischen Binnenmarkt muss vielmehr durch die Kommission ermittelt werden. Wie detailliert die Prüfung der Kommission ausfällt, hängt von der Kategorie drittstaatlicher Subventionen ab. Die gegenständliche unbegrenzte Garantie ist eine drittstaatliche Subvention, bei der mit größter Wahrscheinlichkeit eine Verzerrung des europäischen Binnenmarktes stattfindet („Art. 5 -Subvention“). In der Entscheidung im Fall e&/PPF musste die Kommission deshalb keine detaillierte Prüfung auf Basis der Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 FSR vornehmen, da bei Art. 5-Subventionen vermutet wird, dass sie grundsätzlich mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verzerrung des europäischen Binnenmarktes führen.

Unternehmen können jedoch auch im Fall von Art. 5-Subventionen im Einzelfall nachweisen, dass die konkrete drittstaatliche Subvention den europäischen Binnenmarkt unter den bestimmten Umständen des jeweiligen Falls nicht verzerren würde.

Im vorliegenden Fall gelang es e& nach Art. 5 Abs. 2 FSR zu beweisen, dass die drittstaatlichen Subventionen nicht zu einer Beeinträchtigung des Kaufprozesses selbst führten. Denn e& war nicht nur der einzige Bieter, sondern hat zudem über ausreichende Mittel für den Erwerb von PPF verfügt, sodass die drittstaatlichen Subventionen den Kaufprozess nicht beeinflusst haben.

Allerdings stellte die Kommission fest, dass das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen infolge der unbegrenzten Garantie des Käufers von einer verbesserten Wettbewerbsposition im Telekommunikationsdienstleistungssektor profitieren könnte, insbesondere durch Vorzugsbedingungen für die Finanzierung seiner Tätigkeiten in der EU. Dadurch wären (potenzielle) negative Auswirkungen auf den Wettbewerb zwischen Telekommunikationsdienstleistern, die mit hohen Ausgaben für die Digitalisierung konfrontiert sind, entstanden.

III. Die Bestimmung der Zurechnung einer Subvention zu einem Drittstaat

Weitere Erkenntnisse gab es zu den Voraussetzungen, unter denen die Kommission eine finanzielle Zuwendung einem Drittstaat zurechnet. Nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 lit. b FSR können Handlungen einer drittstaatlichen öffentlichen Einrichtung — unter Berücksichtigung der Merkmale der betreffenden Einrichtung, des rechtlichen und wirtschaftlichen Umfelds in dem Land, in dem die Einrichtung tätig ist, einschließlich der Rolle der Regierung in der Wirtschaft — dem Drittstaat zugerechnet werden. Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass ein Kredit zugunsten von e& durch von den VAE kontrollierte Banken den VAE zurechenbar ist.

Bei der Bewertung nahm die Kommission Bezug auf die Stardust Marine-Rechtsprechung des EuGH aus dem EU-Beihilferecht. Danach reicht es für die Zurechnung aus, dass es unter den spezifischen Umständen des Falles unwahrscheinlich ist, dass der Staat nicht in die Gewährung der finanziellen Zuwendung involviert war.

Vorliegend kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass es unwahrscheinlich ist, dass die VAE nicht in die Gewährung des Kredits durch die von den VAE kontrollierten Banken involviert waren. Ausschlaggebend war hier unter anderem, dass die Banken mehrheitlich dem Staat gehören und die Mehrheit und/oder die ranghöchsten der leitenden Vorstandsmitglieder der Banken bedeutende öffentliche Ämter in den VAE bekleiden.

Fazit

Die Entscheidung ist für die Praxis ein wichtiger Präzedenzfall und liefert, insbesondere mit der deutlichen Orientierung am EU-Beihilferecht bei der Auslegung der materiellen Kriterien der FSR, wichtige Anhaltspunkte für zukünftige Anmeldungen und Verfahren nach der FSR. Die Entscheidung dient auch als Hilfestellung für Unternehmen, um potenzielle Problemfelder frühzeitig zu erkennen und ggf. Abhilfemaßnahmen zu entwickeln, um ein reibungsloses Anmeldeverfahren bei der Kommission zu gewährleisten.

Auch die für Anfang 2026 angekündigten Leitlinien der Kommission zur FSR dürften diesen Bezug zum EU-Beihilferecht aufgreifen und so weitere Klarheit für künftige Anmeldungen und Verfahren schaffen (mehr dazu auf Noerr Insights).

Unser Noerr Kompetenzteam besteht aus erfahrenen Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der FSR, des EU-Beihilferechts sowie der Fusionskontrolle und steht für Rückfragen und bei Unterstützungsbedarf gerne zur Verfügung. Melden Sie sich auch gerne hier an, um alle unsere News Alerts zur FSR zu erhalten oder klicken Sie hier , um zu unserem neuen FSR-Checker zu gelangen und herauszufinden, ob Ihre M&A-Transaktion anmeldepflichtig ist.

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