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Die Mietsicherheit in der Corona-Krise

29.04.2020

Immer häufiger geraten Vermieter unter wirtschaftlichen Druck, weil Einzelhändler aufgrund behördlich angeordneter Ladenschließungen während der Corona-Krise ihre Mietzahlungen aussetzen. Viele Mieter haben sich zu diesem Schritt ab dem 1. April 2020 entschlossen, da sie seitdem aufgrund der neuen Gesetzeslage wegen bestimmter pandemiebedingter Zahlungsrückstände keine außerordentliche Kündigung mehr befürchten müssen (siehe hierzu unsere News). Für Vermieter hat sich die ohnehin angespannte Situation dadurch weiter verschärft.

Um ihre eigenen Verbindlichkeiten gegenüber Banken, Versorgungsunternehmen und Dienstleistern zu erfüllen, streben Vermieter zunehmend die Verwertung der ihnen überlassenen Mietsicherheiten an. Für sie ist deshalb von zentraler Bedeutung, ob auch nach der neuen Gesetzeslage die Verwertung der Mietsicherheit zulässig und der Mieter anschließend zur Wiederauffüllung verpflichtet ist. Zudem stellt sich die Frage, ob der Vermieter bei Verstoß des Mieters gegen eine solche Wiederauffüllungsverpflichtung zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages berechtigt wäre.

Rechtliche Ausgangslage

Bisher enthält allein das Gesetz vom 27. März 2020 zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht („Covid-19-Gesetz“) spezialgesetzliche Bestimmungen für die Corona-Krise in Bezug auf das Mietrecht. Soweit das Covid-19-Gesetz keine speziellen Bestimmungen vorsieht, sind für die Beurteilung der Rechtslage die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen und die mietvertraglichen Vereinbarungen im Einzelfall maßgeblich.

Zentrale Regelung des Covid-19-Gesetzes ist für Mietverhältnisse eine Kündigungsbeschränkung des Vermieters: Ausnahmsweise kann dieser ein Mietverhältnis nicht wegen Zahlungsverzug kündigen, wenn der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet und diese Nichtleistung auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht (vgl. Artikel 5 Covid-19-Gesetz i.V.m. Artikel 240, § 2 Abs. 1 EGBGB n.F.). Neben dieser Kündigungsbeschränkung sieht das Covid-19-Gesetz keine weiteren Modifikationen des Mietrechts vor, sodass die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen und vertraglichen Regelungen ganz überwiegend fortgelten.

Trotz der im Covid-19-Gesetz enthaltenen Kündigungsbeschränkung bleibt es deshalb grundsätzlich bei der Pflicht des Mieters zur Zahlung der vertraglich geschuldeten Miete. Bei Zahlungsverzug des Mieters stehen dem Vermieter – mit Ausnahme des sonst möglicherweise bestehenden Kündigungsrechts – grundsätzlich weiterhin die allgemeinen gesetzlichen und vertraglichen Rechte und Ansprüche zu.

Verwertung der Mietsicherheit

Das Covid-19-Gesetz enthält keine spezielle Regelung zur Verwertung von Mietsicherheiten. Deshalb gilt auch hier: Kommt ein Mieter aufgrund der Corona-Krise in Zahlungsverzug, ist der Vermieter unverändert nach Maßgabe der allgemeinen gesetzlichen oder mietvertraglichen Bestimmungen zur Verwertung der Mietsicherheit berechtigt. Ob ein solches Verwertungsrecht im Einzelfall tatsächlich besteht, ist anhand der konkreten Umstände und Vertragsgestaltungen zu beurteilen. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigten, ob der Mietvertrag eine Verwertung der Sicherheit auch während der Laufzeit des Mietverhältnisses erlaubt und ob die vom Vermieter geltend gemachten Forderungen vom Mieter bestritten wurden. Nur wenn im konkreten Fall die gesetzlichen und vertraglichen Voraussetzungen für eine Verwertung der Mietsicherheit vorliegen, ist dem Vermieter diese gestattet.

In vielen Fällen suchen die Mietvertragsparteien in der aktuellen Situation nach einer einvernehmlichen wirtschaftlichen Lösung, da die Folgen der Covid-19-Pandemie letztlich von keinem Beteiligten verschuldet wurden. Eine Einigung ist jedoch schwer zu finden, wenn es sowohl beim Vermieter als auch beim Mieter gerade an der notwendigen Liquidität fehlt, die in der aktuellen Krisensituation von beiden Parteien dringend benötigt wird.

Vor diesem Hintergrund kann es helfen, die andernfalls ungenutzte finanzielle Reserve der Mietsicherheit kurzfristig liquide zu machen. Wurde die Mietsicherheit in Form einer Bankbürgschaft geleistet, liegt der bürgenden Bank als Sicherheit häufig ein verpfändetes Kontoguthaben des Mieters vor. Soweit sich dieses unter Einbindung der bürgenden Bank kurzfristig auflösen lässt, kann hierdurch zusätzliche Verhandlungsmasse zur Herbeiführung einer Lösung entstehen.

Anspruch auf Wiederauffüllung der Mietsicherheit

In der Praxis entspricht die Höhe der vereinbarten Mietsicherheit in gewerblichen Mietverträgen häufig der Summe von drei Monatsmieten. In diesen Fällen reicht die Mietsicherheit genau für die Zeitspanne vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020, in welcher der Kündigungsschutz des Mieters gemäß dem Covid-19-Gesetz eingreift. Um anschließend nicht ohne jede Sicherheit zu sein, spielt die Wiederauffüllung der Mietsicherheit für den Vermieter eine wichtige Rolle.

Greift der Vermieter während des Mietverhältnisses berechtigterweise auf die Mietsicherheit zurück, steht ihm grundsätzlich ein Anspruch auf Wiederauffüllung der Sicherheit zu. Einer ausdrücklichen mietvertraglichen Vereinbarung bedarf es hierfür nicht. Daran ändern auch die neuen Bestimmungen des Covid-19-Gesetzes nichts: Der Anspruch auf Wiederauffüllung der Mietsicherheit besteht selbst dann, wenn ihre Verwertung aufgrund von Zahlungsrückstanden erfolgt, derentwegen eine Kündigung durch den Vermieter gemäß der Kündigungsbeschränkung im Covid-19-Gesetz ausgeschlossen ist. Erfolgte die Inanspruchnahme der Mietsicherheit hingegen unter Verstoß gegen allgemeine gesetzliche Bestimmungen oder die Vereinbarungen aus dem Mietvertrag, scheidet ein Anspruch gegen den Mieter auf Wiederauffüllung aus. Der Vermieter hat dann selbst für die Wiederauffüllung der unzulässig in Anspruch genommenen Mietsicherheit zu sorgen (z.B. durch Gutschrift des verwerteten Betrages auf dem Mietkautionskonto).

Kündigungsrecht wegen Verstoß gegen Wiederauffüllungsverpflichtung

Vertragliches und gesetzliches Kündigungsrecht

Typischerweise enthalten Gewerbemietverträge spiegelbildlich ein Recht des Vermieters zur außerordentlichen Kündigung, falls der Mieter seiner Wiederauffüllungsverpflichtung nicht vertragsgemäß nachkommt. Grundsätzlich dürfte eine solche Regelung auch in Form einer Allgemeinen Geschäftsbedingung (AGB) zulässig sein, solange die Vertragsbestimmung hinreichend transparent und präzise formuliert ist.

Selbst wenn der Vertrag ein solches Kündigungsrecht nicht ausdrücklich vorsieht, sprechen gute Argumente dafür, dass es dem Vermieter bereits von Gesetzes wegen zusteht. Die Ausgangslage unterscheidet sich nämlich nicht von der Situation, dass der Mieter die vertraglich vereinbarte Mietsicherheit zu Beginn des Mietverhältnisses erst gar nicht leistet. In einem solchen Falls steht dem Vermieter auch im Gewerbemietrecht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Kündigungsrecht zu (vgl. BGH NZM 2007, 400). Aufgrund des vergleichbaren Sicherungsinteresses des Vermieters lässt sich diese Rechtsprechung mit guten Argumenten auf den Verstoß gegen die Wiederauffüllungsverpflichtung des Mieters übertragen.

Beschränkung des Kündigungsrechts durch Covid-19-Gesetz?

Das Covid-19-Gesetz enthält keine ausdrückliche Beschränkung des Kündigungsrechts für den Fall, dass der Mieter die vereinbarte Mietsicherheit nicht ordnungsgemäß wieder auffüllt. Kann der Vermieter den Mietvertrag daher nach den oben genannten Grundsätzen auch kündigen, soweit das Wiederauffüllungsverlangen des Vermieters auf Teile der Mietsicherheit gerichtet war, welche er aufgrund von Mietrückständen aus der Zeit vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 verwertet hat? Dies würde bedeuten, dass der Vermieter zwar gemäß der Kündigungsbeschränkung des Covid-19-Gesetzes nicht direkt aufgrund des Zahlungsrückstandes aus dieser Zeit, wohl aber aufgrund eines Verstoßes gegen die Wiederauffüllungsverpflichtung zur Kündigung berechtigt wäre. Ob die Rechtsprechung ein solches Kündigungsrecht auch während der Corona-Krise zulassen wird, bleibt abzuwarten.

Fazit

Das Covid-19-Gesetz enthält keine spezialgesetzliche Regelung über die Verwertung der Mietsicherheit sowie die Pflicht des Mieters zur Wiederauffüllung. Deshalb gelten insoweit die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen und mietvertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien fort. Falls der Mieter mit der Wiederauffüllung in Verzug gerät, könnte das Kündigungsrecht des Vermieters aufgrund des Schutzgedankens des Covid-19-Gesetzes jedoch in bestimmten Konstellationen von der Rechtsprechung beschränkt werden.

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