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Global Enforcement – verstärkte inter­nationale Kooperation von Wett­bewerbs­behörden

26.07.2018

Ende Juni wurde auf europäischer Ebene durch den sog. Ausschuss der Ständigen Vertreter eine Vereinbarung zwischen dem Rat der EU und dem Europäischen Parlament über neue Maßnahmen gebilligt, die das Wettbewerbsrecht für das digitale Zeitalter anpassen und die Kartellbehörden der EU-Mitgliedstaaten zu seiner effektiveren Durchsetzung befähigen sollen.

Dieser Vorschlag zur Stärkung der nationalen Kartellbehörden der EU-Mitgliedstaaten und ihres Netzwerkes (European Competition Network (ECN)) geht auf einen Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom März 2017 zurück (sog. „ECN+“-Initiative).

Die neuen Maßnahmen zielen auf die wirkungsvollere Umsetzung des Kartellrechts durch nationale Wettbewerbsbehörden ab und fügen sich in eine Reihe von (auch außereuropäischen) bi- und multilateralen Initiativen und Übereinkommen ein, welche man als zunehmenden Trend der Kartellbehörden zur grenzüberschreitenden Kooperation bezeichnen kann.

Im Kern der Entwicklungen stehen neben der Stärkung der Behördenbefugnisse auf Ebene der EU-Mitgliedstaaten vor allem Vereinbarungen zwischen den Kartellrechtshütern zum verstärkten Austausch von Informationen und gemeinsame Überlegungen, um der gestiegenen internationalen Dimension von kartellrechtlichen Themen und den sich oftmals in mehreren Ländern auswirkenden Kartellrechtsverstößen noch wirkungsvoller als bisher begegnen zu können.

Für Unternehmen bietet dieser engere Austausch zwischen Wettbewerbsbehörden einerseits ein erhöhtes Aufgreifrisiko bei Kartellrechtsverstößen auf internationaler Ebene, hat aber auch andererseits das Potenzial für positive Auswirkungen, etwa wenn es um angeglichene Kronzeugenregelungen geht, die so ein größeres Maß an Rechtssicherheit für die mit den Behörden kooperierende Unternehmen schaffen können, oder auch im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen.

„ECN+“-Initiative auf EU-Ebene

Die Wettbewerbsregeln der EU werden von den nationalen Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten parallel zur Europäischen Kommission durchgesetzt. Die Behörden stimmen sich über ihre jeweilige Zuständigkeit im ECN ab und tauschen sich über ihre Erfahrungen aus.

Derzeit bewirken die Unterschiede in der Anwendung dieser Vorschriften jedoch teilweise, dass wettbewerbswidrig handelnde Unternehmen je nach Land, in dem sie tätig sind, im Einzelfall unterschiedlich behandelt werden. Unterschiede gibt es etwa bei Fragen der Haftungsnachfolge und Bußgeldtragungspflicht bei Umstrukturierungen oder auch bei der konkreten Bußgeldfestsetzung und Kooperationsmöglichkeiten von Unternehmen (Kronzeugenregelungen).

Nach dem Richtlinienvorschlag der EU-Kommission sollen die nationalen Wettbewerbsbehörden besser gerüstet sein, um durch das Wettbewerbsrecht untersagte Vereinbarungen, Beschlüsse oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen aufzudecken und den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu verhindern. Damit soll auf EU-Ebene sichergestellt werden, dass die nationalen Behörden die erforderlichen Befugnisse und Mittel haben, um unter Wahrung der Verteidigungsrechte relevante Informationen über Unternehmen sammeln zu können, die Gegenstand von Ermittlungen sind. Auch soll europäisch ein level playing field für die Sanktionierbarkeit von Kartellrechtsverstößen geschaffen werden und die Regelungen über Kooperationsmöglichkeiten (Kronzeugenanträge) vereinheitlicht werden.

Der Trend zur globalen Kooperation auf internationaler Ebene

Auch jenseits der EU und ihrer Harmonisierungsbemühungen lässt sich auf internationaler Ebene ein verstärkter Trend zur Kooperation zwischen Wettbewerbsbehörden beobachten. So haben unlängst die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und die Vorsitzende der mexikanischen Wettbewerbsbehörde COFECE, Alejandra Palacios, in Brüssel eine Kooperationsvereinbarung zwischen den beiden Wettbewerbsbehörden unterzeichnet. Die Vereinbarung soll einen Rahmen für den Dialog über wettbewerbspolitische Fragen bieten und den Austausch für nichtvertrauliche Informationen in Einzelfällen ermöglichen. Zudem werden die Durchsetzungsmaßnahmen der beiden Wettbewerbsbehörden in identischen oder miteinander verbundenen Fällen koordiniert und Möglichkeiten zur Verweisung von Fällen an die jeweils andere Behörde geschaffen. Die Zusammenarbeit kann auch bei der wettbewerblichen Beurteilung von Zusammenschlussvorhaben an Bedeutung gewinnen.

Die Europäische Kommission arbeitet bereits seit vielen Jahren eng mit verschiedenen Wettbewerbsbehörden in Drittländern zusammen. So gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von bilateraler Abkommen oder Absichtserklärungen mit außereuropäischen Wettbewerbsbehörden (zum Teil (wie beispielsweise mit den USA) bereits seit den 1990er Jahren). Darüber hinaus nimmt die Kommission in die Verhandlungen mit Drittstaaten über Freihandelsabkommen grundsätzlich auch ein Wettbewerbskapitel auf, das Regeln und Sanktionen in den Bereichen Kartelle, Fusionen und staatliche Beihilfen enthält (siehe hierzu die entsprechende Übersicht).

Neben Mexiko sind als jüngere Kooperationsbemühungen auch Verhandlungen der EU-Kommission mit China und Japan zu nennen.

Kooperationen des Bundeskartellamtes

Auch das Bundeskartellamt hat unlängst seine internationalen Kooperationsbemühungen – auch jenseits des ECN, in dem das BKartA stark engagiert ist – intensiviert. So haben sich das Amt und die französische Autorité de la concurrence – aufbauend auf einem gemeinsamen Arbeitspapier bereits aus dem Jahre 2016 – dazu entschlossen, zusammen ein Projekt zu initiieren, welches die wettbewerblichen Herausforderungen, die sich durch den Einsatz von Algorithmen ergeben (mehr zum Thema bereits hier), weiter analysieren und in diesem Zusammenhang mögliche konzeptionelle Ansätze im Umgang mit Algorithmen identifizieren soll.

Eine weitere enge Zusammenarbeit des Bundeskartellamtes besteht mit der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde. Die beiden Behörden haben bspw. kürzlich einen gemeinsamen Leitfaden zur Anwendung der in beiden Ländern neu eingeführten Transaktionswert-Schwelle in der Fusionskontrolle erarbeitet und vorgestellt (siehe hierzu auch folgenden Link).  

Fazit und Ausblick

Die jüngsten Kooperationsvereinbarungen zwischen der Europäischen Kommission und einer Reihe von nationalen außereuropäischen Wettbewerbsbehörden sowie auch andere bilaterale Abkommen und Initiativen von Wettbewerbsbehörden untereinander ist Ausdruck einer sich immer enger vernetzenden globalen Gemeinschaft von Kartellrechtshütern, die flankierend zum ohnehin bestehenden Austausch im Rahmen u.a. des International Competition Network (ICN), der OECD und des ECN zukünftig einen noch engeren Schulterschluss der competition enforcers mit sich bringen wird. Initiativen wie ECN+ zielen zudem in Europa darauf ab, für alle nationalen Behörden die gleichen enforcement tools zur Durchsetzung kartellrechtlicher Verbote zu schaffen, was die Sanktionierbarkeit von Kartellrechtsverstößen auf EU-Ebene noch verschärfen wird.

Diese Entwicklung macht es für Unternehmen notwendig, sich noch besser durch den Aufbau und die Implementierung von wirksamen Compliance-Systemen gegen mögliche Rechtsverletzungen zu schützen. Im Falle eines Kartellrechtsverstoßes steigt nämlich das Risiko für global agierende Marktteilnehmer, dass sich die kartellbehördlichen Ermittlungen – bei entsprechenden tatsächlichen Hinweisen – auch über die Landesgrenzen hinaus ausweiten und in anderen Jurisdiktionen aufgegriffen werden. Auch im Rahmen der Fusionskontrolle muss bei Zusammenschlüssen mit einer engeren Kooperation der Behörden gerechnet werden, was sich aber durchaus auch positiv auf Transaktionen auswirken könnte, wenn damit mehr Rechtssicherheit einhergeht.

International tätigen Unternehmen ist in jedem Fall zu raten, ihre bisherigen kartellrechtlichen Compliance-Bemühungen noch einmal daraufhin überprüfen zu lassen, ob sie bereits hinreichend Schutz und Vorkehrungen für etwaige grenzüberschreitende Kartellrechtsverstöße und behördliche Ermittlungen gewährleisten.

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