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Mindest­lohn in der Medien­branche

26.06.2015

Am 01. Januar 2015 ist das politisch umstrittene Mindestlohngesetz in Kraft getreten. Der breiten Öffentlichkeit ist bekannt, dass nun jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen Stundenlohn von mindestens 8,50 Euro hat. Weniger bekannt sind die zahlreichen praktischen Zweifelsfragen in der Durchführung: Welche Zulagen und Zuschläge dürfen berücksichtigt werden? Wie werden Arbeitszeiten rechtssicher erfasst? Welche Risiken drohen Auftraggebern von Werk- und Dienstleistungen? Gerade auch für Unternehmen der Medienbranche besteht hier weiterhin großer Handlungsbedarf.

I. Welche Gehaltsbestandteile zählen zum Mindestlohn?

Während manche Arbeitnehmer nach einem festen Stunden- oder Monatslohn vergütet werden, besteht die Vergütung in vielen Branchen aus einer vergleichsweise geringen Grundvergütung und zahlreichen Zulagen und Zuschläge (etwa Wochenend-, Nacht- oder Überstundenzuschläge). Achtung: nicht alle Vergütungsbestandteile sind auch „mindestlohnwirksam“. Auch wenn der Arbeitnehmer im Schnitt mehr als 8,50 Euro pro Stunde erhält, droht der Arbeitgeber gegen das MiLoG zu verstoßen.

Nach der Rechtsprechung sind nur solche Vergütungsbestandteile mindestlohnwirksam, die mit der Grundvergütung „funktionell gleichwertig“ sind. Der Arbeitgeber muss also prüfen, welche Vergütungsbestandteile für die „Normalleistung“ des Arbeitnehmers gezahlt werden. Vergütungsbestandteile, die der Arbeitnehmer für besondere Belastungen erhält, aber auch Leistungs- und Qualitätsprämien, die besondere Leistungen honorieren sollen, werden nicht für die „Normalleistung“ des Arbeitnehmers gezahlt. Sie sind deshalb nicht mindestlohnwirksam.

Erhalten Arbeitnehmer Sachbezüge, etwa Unterkunft, Verpflegung, Trinkgelder, etc. sind diese nicht mindestlohnwirksam; eine Ausnahme gilt lediglich für Saisonarbeitskräfte. Aufwandsentschädigungen (etwa: Reisekosten) sind ebenfalls nicht mindestlohnwirksam. Einmalzahlungen (Weihnachts- und Urlaubsgeld) sind zwar mindestlohnwirksam. Allerdings verlangt § 2 MiLoG die Auszahlung des Mindestlohns spätestens zum Ende des Folgemonats. Insofern sind Einmalzahlungen nur im Zahlungsmonat mindestlohnwirksam.

Achtung auch bei der vertraglich vereinbarten Abgeltung von Überstunden! Zum einen kann eine solche pauschale Abgeltung bereits arbeitsvertraglich unwirksam sein. Zum anderen muss die tatsächlich geleistete mindestlohnrelevante Vergütung geteilt durch die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden stets mindestens 8,50 Euro betragen.

II. Auch die neuen Dokumentationspflichten bergen Risiken

Entgegen weit verbreiteter Auffassungen waren Arbeitgeber bisher nicht generell verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer zu erfassen; es bestand lediglich die Pflicht nach § 16 Abs. 2 ArbZG, bestimmte Überstunden zu erfassen.

Das MiLoG zwingt künftig weit mehr Arbeitgeber zur Aufzeichnung, und zwar unabhängig davon, ob die Arbeitnehmer mit 8,50 Euro je Zeitstunde vergütet werden:

  • Nach § 17 Abs. 1 MiLoG sind zum einen Arbeitgeber in bestimmten vom Gesetzgeber als gefährdet erachteten Branchen verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aller Arbeitnehmer zu erfassen; die Branchen sind in § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz festgelegt.
  • Zum anderen sind nach § 17 Abs. 1 MiLoG Arbeitgeber in allen Branchen verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aller geringfügig Beschäftigten (also sogenannte 450-Euro-Kräfte aber auch sozialversicherungsfreie „Sommeraushilfen“) aufzeichnen.

Die Daten müssen innerhalb von sieben Kalendertagen nach dem Tag der Arbeitsleistung erfasst und im Anschluss mindestens zwei Jahre zu Kontrollzwecken aufgezeichnet werden. Weitere Einzelheiten regelt das MiLoG nicht. In vielen Fällen genügt eine einfache tabellarische Übersicht, die nach überwiegender Ansicht auch durch den Arbeitnehmer selbst erstellt werden kann. Der Arbeitgeber selbst bleibt freilich zur Anleitung und zu Stichproben verpflichtet.

Inzwischen wurden für wenige Arbeitnehmergruppen erste Erleichterungen geschaffen: bei Arbeitnehmern mit „ausschließlich mobilen Tätigkeiten“ genügt nach der MiLoAufzV unter bestimmten Umständen die Aufzeichnung der Dauer der täglichen Arbeitszeit. Für Arbeitnehmer, deren regelmäßiges verstetigtes Monatsentgelt brutto 2.958,00 Euro überschreitet, bestehen nach der MiLoDokV keine Aufzeichnungspflichten. Es bleibt abzuwarten, ob die Bundesregierung nach der angekündigten Überprüfung weitere Vereinfachungen beschließen wird.

Für den Arbeitgeber ist die Aufzeichnungspflicht nicht nur im Hinblick auf den Mindestlohn riskant: die einmal erfassten Daten können natürlich auch in einem Prozess wegen Überstundenvergütung oder bei der Prüfung von Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz verwendet werden.

III. Praktikanten, Trainees

Bereits vor einigen Jahren standen Praktika im Zentrum der rechtspolitischen Debatte („Generation Praktikum“); insbesondere unbezahlte Praktika werden von Arbeitnehmervertretern skeptisch beäugt. Deshalb war auch im Gesetzgebungsverfahren zum MiLoG umstritten, ob und inwieweit Praktikanten, Trainees und andere Erscheinungsformen der „untypischen Ausbildung“ vom MiLoG erfasst werden sollen. Das Ergebnis ist ein Kompromiss: Auf der einen Seite sind erwünschte Formen des Praktikums weiterhin ohne Zahlung eines Mindestlohns möglich. Insbesondere Praktika von Hochschulabsolventen sind hingegen nicht mehr „privilegiert“. Ist ein als Praktikum bezeichnetes Rechtsverhältnis in Wahrheit ein Arbeitsverhältnis, gilt sowieso Mindestlohn.

Praktikanten haben also künftig wie Arbeitnehmer Anspruch auf den Mindestlohn, außer das Praktikum ist verpflichtend aufgrund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie zu leisten. In diesen Fällen gilt die Privilegierung unabhängig von der Länge des Praktikums. Wichtig ist, dass der Arbeitgeber aus Beweiszwecken hier (gegebenenfalls unter Hinzuziehung der entsprechenden Hochschulordnung) dokumentiert, dass es sich um ein Pflichtpraktikum handelt. Gleichwohl hat der Arbeitgeber kaum eine Möglichkeit zu überprüfen, welche Praktika der Bewerber tatsächlich bereits abgeleistet an. Auch die Hochschulen besitzen dieses Wissen selten und sind erfahrungsgemäß darüber hinaus wenig auskunftsfreudig.

Praktika für eine Länge bis zu drei Monaten sind daneben vom Mindestlohn ausgenommen, wenn sie entweder zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder die Aufnahme eines Studiums geleistet werden. Auch dieser Zweck sollte entsprechend dokumentiert werden. Unabhängig von jedem Zweck ist ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung vom Mindestlohn ausgenommen, wenn zuvor ein solches Praktikumsverhältnis nicht mit denselben Ausbilder bestanden hat.

Weitere Ausnahmen sieht das MiLoG für ehemalige Langzeitarbeitslose vor. Wichtig für Arbeitgeber ist hier stets eine entsprechende Dokumentation.

IV. Auftraggeberhaftung

Schließlich sollten sich auch die Arbeitgeber, die für ihre eigenen Arbeitnehmer alle Pflichten aus dem MiLoG erfüllen, bewusst sein, dass ihnen Risiken aus dem MiLoG drohen, wenn sie als Auftraggeber bei anderen Unternehmern Werk- oder Dienstleistungen in Auftrag geben. Nach § 13 MiLoG kann auch ein Auftraggeber als selbstschuldnerischer Bürge dafür haften, dass der Auftragnehmer die Mindestlohnansprüche seiner Arbeitnehmer erfüllt. Die Bürgenhaftung gilt nach dem klaren Willen des Gesetzgebers sogar verschuldensunabhängig! Ein Auftraggeber muss deshalb nicht nur dafür sorgen, dass er selbst alle MiLoG-Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt, sondern muss gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass auch seine Auftragnehmer das MiLoG ernst nehmen.

Für Auftraggeber erfordert dies erhöhte Sorgfalt bei der Auswahl von Auftragnehmern und gesteigerten Aufwand bei der Vertragsgestaltung. Zwar kann die Haftung aus § 13 MiLoG nicht abbedungen werden, durch geschickte Vertragsgestaltung können aber zumindest die wirtschaftlichen Risiken reduziert werden. Je nach Gefährdungslage bieten sich verschiedene Sicherungsmittel an, angefangen bei einer bloßen Bestätigung des Auftragnehmers, über die Vereinbarung von Sonderkündigungs- und Kontrollbefugnissen bis hin zu komplexen Auditverfahren. Es muss deshalb im jeweiligen Einzelfall geprüft werden, welche Klauseln empfehlenswert und natürlich auch wirtschaftlich durchsetzbar sind.

V. Ausblick

Nach dem politischen Wirbel rücken nun die „handwerklichen Fragen“ des MiLoG in den Fokus der Unternehmen. Bisher praktizierte Entgeltsysteme müssen überprüft werden, um sicherzustellen, dass der Lohn auch „mindestlohnwirksam“ ist. Die Dokumentationspflichten treffen auch Arbeitgeber, die weit über dem gesetzlichen Mindestlohn bezahlen. Es bleibt abzuwarten, ob die Politik im Sommer ernst macht und die Bürokratielasten für Unternehmen verringert. Für Auftraggeber verbleiben stets Risiken, die durch Vertragsgestaltung zumindest verringert werden können. Dies sollte in Abstimmung mit erfahrenen Rechtsanwälten erfolgen.

 

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