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Praxis­übliche Rechts­wahl­klausel in AGB unwirksam

25.06.2013

Am 19.7.2012 hat der Bundesgerichtshof ein Urteil veröffentlicht (I ZR 40/11), das vor allem für den internationalen Online-Handel von großer Bedeutung ist. Von der Entscheidung betroffen sind darüber hinaus alle Unternehmen, die gegenüber Verbrauchern Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) mit einer von der gesetzlichen Anknüpfung abweichenden Rechtswahlklausel verwenden oder ihren Vertriebspartnern solche AGB zur Verwendung empfehlen.

Transparenzgebot für Rechtswahlklausel in AGB

Im vom BGH entschiedenen Fall ging es um eine niederländische Versandapotheke, deren in deutscher Sprache abgefasste AGB eine in der Praxis weitverbreitete Rechtswahlklausel enthielt. Nach dieser Klausel sollte auf „alle im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung entstehenden Meinungsverschiedenheiten und Rechtsstreitigkeiten … ausschließlich niederländisches Recht“, also das am Sitz des Verkäufers geltende Recht anwendbar sein. Der BGH erkannte zunächst an, dass im internationalen Vertragsrecht eine Rechtswahl grundsätzlich auch gegenüber deutschen Verbrauchern (d. h. Verbrauchern mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland) zulässig sei. Der Wortlaut der Klausel erwecke jedoch den Eindruck, dass selbst die zwingenden Vorschriften des privaten und öffentlichen Rechts, die dem Schutz deutscher Verbraucher dienten, keine Anwendung fänden. Da solche Vorschriften jedoch anwendbar seien, sei die Klausel nicht klar und verständlich und stelle eine unangemessene Benachteiligung deutscher Verbrauchers dar. Auf Abmahnung der Wettbewerbszentrale erklärte der BGH die Rechtswahlklausel daher wegen Intransparenz nach deutschem AGB-Recht für unwirksam und verurteilte die Versandapotheke zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.

Folgerungen für Unternehmen im europäischen Verbrauchermarkt

Das Urteil betrifft vordergründig alle Unternehmen, die auf den deutschen Verbrauchermarkt ausgerichtet sind, somit auch deutsche Online-Händler, die regelmäßig nur an deutsche Verbraucher liefern. Enthalten deren AGB – wie allgemein üblich – für den Fall einzelner Lieferungen an ausländische Verbraucher dennoch eine nach den Kriterien des BGH intransparente Rechtswahlklausel zugunsten des deutschen Rechts, kann hierin eine unangemessene Benachteiligung der ausländischen Kunden liegen. Erst recht betroffen sind Unternehmen, die auf Basis einer „zentralen“ Rechtswahlklausel zugunsten ihres Sitzrechts tatsächlich auf verschiedene europäische Märkte ausgerichtet sind, wie insbesondere deutsche und ausländische Online-Shops, die in mehrere europäische Länder liefern. Alle diese Unternehmen müssen ihre Rechtswahlklauseln dem letztlich europaweit geltenden Transparenzgebot des AGB-Rechts anpassen, andernfalls drohen – zumindest in Deutschland – Abmahnungen von Verbraucherschutzverbänden und Konkurrenten sowie die unmittelbare Anwendbarkeit des ausländischen Rechts auf mit ausländischen Kunden abgeschlossenen Verträge.

Weitere Anforderungen an die Rechtswahl

Weiterhin ist zu beachten, dass die Rechtswahl der Parteien gemäß der EU-Verordnung Nr. 593/2008 zum anwendbaren Vertragsrecht (sogenannte „Rom I-VO“) „ausdrücklich erfolgen oder sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergeben“ muss. Entgegen der gängigen Praxis ist äußerst zweifelhaft, ob eine lediglich in den AGB abgedruckte Rechtswahlklausel hierfür genügt. Dies gilt umso mehr als sich der Verbraucher für die Frage, ob er der Rechtswahl sowie überhaupt dem gesamten Vertrag zugestimmt hat, im Zweifel wiederum auf die Bestimmungen seines Heimatrechts berufen kann.

Vorrang des Verbraucherheimatrechts trotz Rechtswahl

Aber auch wenn die Rechtswahlklausel als solche transparent und auch sonst wirksam ist, besteht kein Grund zur Entwarnung: Aufgrund der Rom I-VO sind nämlich die für den ausländischen Verbraucher günstigeren Schutzvorschriften seines Heimatrechts auch dann auf den Vertrag anwendbar, wenn die Vertragsparteien „eigentlich“ das Heimatrecht des Unternehmers gewählt haben. Auf diesen Vorrang des jeweiligen Verbraucherschutzrechts stellte auch der BGH in seiner Entscheidung ab. So kann es beispielsweise für einen internationalen Online-Shop erforderlich sein, je nach Lieferland völlig unterschiedliche Vorschriften etwa zum Vertragsschluss, dem Widerrufsrecht des Verbrauchers oder zur Mängel- und Schadensersatzhaftung einzuhalten. Das jetzt verabschiedete Gesetz zur Umsetzung der neuen Verbraucherrechterichtlinie wird hieran nur beschränkt etwas ändern. Noch völlig ungeklärt ist außerdem, ob bei einer wirksamen „zentralen“ Rechtswahl im Prinzip einheitliche AGB nach dem Heimatrecht des Unternehmers verwendet werden können (wofür es gute Argumente gibt) oder ob gleichwohl eine „vorauseilende“ Detailanpassung der AGB an die zwingenden rechtlichen Anforderungen der jeweiligen Verbraucherheimatrechte (beim Onlineshop also der Lieferländer) geboten ist.

Bitte zögern Sie nicht, mit konkreten Fragestellungen auf uns zuzukommen. Warten Sie nicht, bis auch Ihr Unternehmen wegen einer unwirksamen Rechtswahl in Deutschland abgemahnt wird, im Ausland ein Bußgeld kassiert oder Ihre Kunden reihenweise Ihnen unbekannte Rechte bis hin zur Unwirksamkeit des Vertrages reklamieren. Beugen Sie durch exzellente Rechtsberatung vor.

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