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Beweis­erleichterung bei (angeblich) fehlerhaften Ad-Hoc-Mitteilungen

21.04.2016

I. Untersuchungsgegenstand und Fragestellung

In jüngster Zeit mehren sich die Fälle, in denen – meist institutionelle – Anleger gegen Wertpapieremittenten auf Zahlung von Schadensersatz klagen, weil sie von diesen über möglicherweise kursrelevante Tatsachen nicht korrekt oder nicht rechtzeitig informiert worden sein sollen. In diesem Zusammenhang seien etwa die aufsehenerregenden Verfahren genannt, wie sie in Folge der versuchten Übernahme der Volkswagen AG durch die Porsche Automobil Holding SE geführt wurden. Angesichts derart prominenter Verfahren, in denen Ansprüche wegen (angeblich) fehlerhafter Kapitalmarktinformationen geltend gemacht werden, stellt sich Anlegern wie Emittenten die Frage, ob und inwieweit einem Kläger dabei Beweiserleichterungen zugutekommen. Zwischen klagenden Anlegern und dem beklagten Emittenten ist im Prozess regelmäßig der – wahre – Inhalt der in Rede stehenden Insiderinformation bzw. der – zutreffende – Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung streitig. Für die Prozesspraxis ist daher relevant, ob in solchen Konstellationen Beweiserleichterungen greifen, welche die Geltendmachung von Ansprüchen zu Gunsten eines klagenden Anlegers vereinfachen.

Der Beitrag „Beweiserleichterungen bei (angeblich) fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen?“ in NZG 2016, 454 ff. stellt die hierfür verfügbaren zivilprozessualen Instrumente dar und geht der Frage nach, ob bzw. mit welchen Besonderheiten diese auf die wertpapierrechtlichen Grundkonstellationen Anwendung finden.

II. Ergebnisse im Überblick

  • Mit Blick auf die diesem Beitrag zu Grunde liegenden Grundkonstellationen kennt das Zivilprozessrecht insbesondere zwei Institute einer Beweiserleichterung: Das Institut der sekundären Darlegungs- und Beweislast sowie das Institut des Anscheinsbeweises.

    • Das Institut der sekundären Darlegungs- und Beweislast kommt insbesondere dann zur Anwendung, wenn zwischen dem Anspruchsteller einerseits und dem Anspruchsgegner andererseits ein deutliches Informationsgefälle besteht.

    • Das von der Rechtsprechung entwickelte Institut des Anscheinsbeweises greift bei typisierbaren Geschehensabläufen ein, bei denen ein bestimmter Sachverhalt nach der Lebenserfahrung auf den Eintritt einer bestimmten Folge schließen lässt. Ist ein solcher Schluss möglich, so führt das Institut des Anscheinsbeweises nach herrschender Meinung nicht zu einer Beweislastumkehr zu Gunsten der beweisbelasteten Partei, sondern wird entweder als Beweiswürdigungsregel, welche das Gericht zu beachten hat, oder aber als Absenkung des Regelbeweismaß zu Gunsten der beweispflichtigen Partei verstanden.

  • In den vorliegenden Grundkonstellationen kommen die soeben skizzierten prozessualen Institute sowohl hinsichtlich der Tatsachen in Betracht, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit bzw. Verspätung der Kapitalmarktinformation ergeben soll, als auch hinsichtlich der Tatsachen, aus denen der Anleger die haftungsbegründende Kausalität zwischen Information und Schaden ableiten will.

    • Zu Gunsten des Anlegers kann die sekundäre Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Vorliegens einer Insiderinformation, ihres Entstehungszeitpunkts sowie des Zeitpunkts der Kenntniserlangung durch den Emittenten eingreifen. Sie wird von der Rechtsprechung zumindest dann anerkannt, wenn der Anleger in der ihm möglichen und zumutbaren Weise bereits konkret zu den Gründen vorgetragen hat, welche die Annahme einer fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilung zumindest indiziell stützen.

      Dies ist insbesondere in Konstellationen, in denen sich der Anleger auf eine vermeintlich verspätete Veröffentlichung einer Kapitalmarktinformation i.S.d. § 37b WpHG beruft, der Fall. Hier trifft ihn im Grundsatz die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Fragen, ob und ab wann der Emittent veröffentlichungspflichtig war. Regelmäßig stammt die in Rede stehende Information aber aus der Sphäre des Emittenten, der dann sekundär darlegungs- und beweisbelastet ist. Anderes gilt freilich in Konstellationen, in denen die ggf. ad-hoc-pflichtige Information aus Umständen abgeleitet werden soll, die außerhalb der Sphäre des Emittenten liegen.

      Entsprechendes gilt auch dann, wenn der Anleger vorträgt, der Emittent habe eine unwahre Information i.S.d. § 37c WpHG veröffentlicht.

    • Im Bereich der haftungsbegründenden Kausalität hat die Rechtsprechung hingegen beweiserleichternden Instituten zu Gunsten eines klagenden Anlegers grundsätzlich eine Absage erteilt. Hier bleibt es dabei, dass der klagende Anleger die haftungsbegründende Kausalität konkret darlegen und beweisen muss, was in den bislang entschiedenen Fällen nur äußerst selten gelungen ist.

III. Ausblick

Es ist anzunehmen, dass die Anzahl an Verfahren, in denen Anleger von Wertpapieremittenten Schadenersatz wegen (angeblich) fehlerhafter oder verspäteter Informationen ad-hoc pflichtiger Tatsachen verlangen, zunehmen wird. Damit wird auch die Bedeutung der Rechtfragen steigen, die sich bei Anwendung der entsprechenden wertpapierrechtlichen Spezialvorschriften ergeben, wozu insbesondere auch zivilprozessuale Fragen der Beweislastverteilung bzw. -erleichterung gehören.

In der Rechtsanwendung ist zu beachten, dass in Konstellationen, in denen dem Anleger eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast des Emittenten zugutekommen soll, der Anleger grundsätzlich Indizien für die Fehlerhaftigkeit der Kapitalmarktinformation vortragen, d.h. entsprechende Tatsachen „anbeweisen“ muss. Hierzu wird er insbesondere darlegen müssen, woraus eine frühere Kenntnis des Emittenten von der ad-hoc-pflichtigen Tatsache resultieren sollte.

Schiedsverfahren

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