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BGH: Vertretung der AG durch den Aufsichtsrat gegenüber Gesellschaften im Alleinbesitz eines (künftigen) Vorstandsmitglieds

14.03.2019

Der BGH hat mit drei zusammenhängenden Urteilen vom 15. Januar 2019 (II ZR 392/17, II ZR 393/17, II ZR 394/17) entschieden, dass eine AG nicht nur bei Rechtsgeschäften mit einem Vorstandsmitglied durch den Aufsichtsrat vertreten wird, sondern auch bei Rechtsgeschäften mit einer Gesellschaft, die im Alleinbesitz eines im Zusammenhang mit dem Rechtsgeschäft noch zu bestellenden Vorstandsmitglieds steht.

Wesentlicher Sachverhalt

Gegenstand der Entscheidungen waren wechselseitige Klagen der drei Parteien eines Geschäftsanteilskaufvertrags. Die Käuferin, eine AG, wurde bei dem Vertragsschluss durch einen Bevollmächtigten des Vorstands vertreten, die beiden Verkäufer, jeweils eine GmbH, durch ihre jeweiligen Geschäftsführer und Alleingesellschafter. In dem Vertrag war an mehreren Stellen vorgesehen, dass die Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Verkäufer zu Vorstandsmitgliedern der Käuferin bestellt werden sollen. Die Bestellung zum Vorstandsmitglied und die Zahlung von Teilen des Kaufpreises erfolgten unmittelbar nach Abschluss des Vertrages.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der BGH erachtete den Vertrag wegen Verstoßes gegen § 112 Satz 1 AktG aus folgenden Gründen als nichtig, wobei der Senat mangels Genehmigung durch den Aufsichtsrat die Rechtsfolge des Verstoßes (§ 134 BGB oder § 177 BGB) dahinstehen lassen konnte.

Vertragspartner im Alleinbesitz eines Vorstandsmitglieds

Der Vertrag sei zwar nicht unmittelbar mit einem Vorstandsmitglied geschlossen worden. Mit der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sei jedoch anzunehmen, dass eine AG über den Wortlaut des § 112 Satz 1 AktG hinaus auch bei Rechtsgeschäften mit einer Gesellschaft, deren alleiniger Gesellschafter ein Vorstandsmitglied ist, durch den Aufsichtsrat vertreten werde.

  • In zahlreichen anderen Normen des Gesellschaftsrechts sei anerkannt, dass jeweils auch Unternehmen erfasst werden, an denen eine unmittelbar von der jeweiligen Norm adressierte Person maßgeblich beteiligt ist (z.B. § 57 AktG, § 30 GmbHG).

  • Zudem entspreche eine erweiternde Auslegung dem Schutzzweck des § 112 Satz 1 AktG, Interessenkollisionen vorzubeugen. In Fällen wirtschaftlicher Identität zwischen einem Vorstandsmitglied und dem jeweiligen Vertragspartner der AG sei die abstrakte Gefahr der Befangenheit des Vorstandsmitglieds in gleicher Weise gegeben wie bei einem unmittelbar mit dem Vorstandsmitglied abgeschlossenen Vertrag. Dies sei jedenfalls in Fällen einer 100 %-Beteiligung des Vorstandsmitglieds der Fall.

  • Rechtsunsicherheit entstehe durch die erweiternde Auslegung nicht. Ob der Vertragspartner eine Ein-Personen-Gesellschaft ist, sei auch für die AG ohne Weiteres feststellbar, zumal das Vorstandsmitglied mit Blick auf seine Treuepflichten und das Wettbewerbsverbot gemäß § 88 Abs. 1 AktG zur Offenlegung verpflichtet sei.

  • Der durch die erweiternde Auslegung entstehende Widerspruch zu dem grundsätzlichen Geschäftsführungsverbot des Aufsichtsrats gemäß § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG sei schließlich in § 112 Satz 1 AktG angelegt und zur Vermeidung einer Umgehung von § 112 Satz 1 AktG hinzunehmen.

Rechtsgeschäfte vor der Bestellung zum Vorstandsmitglied

§ 112 Satz 1 AktG sei zudem auch auf Rechtsgeschäfte anzuwenden, die zeitlich vor der Bestellung zum Vorstandsmitglied vorgenommen werden. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn das jeweilige Rechtsgeschäft im Vorfeld der beabsichtigten Bestellung erfolgt und mit dieser im Zusammenhang steht. Andernfalls könne § 112 Satz 1 AktG je nach der zeitlichen Abfolge des Vertragsschlusses und der Bestellung umgangen werden.

Bewertung und Ausblick

Die vorliegende Entscheidung des BGH reiht sich nahtlos ein in eine Vielzahl ober- und höchstrichterlicher Entscheidungen zu § 112 AktG in den letzten Jahren. Viele potentielle Anwendungsfälle sind fortwährend umstritten (vgl. überblicksartig: Theusinger/Guntermann, AG 2017, 798). Ausdrücklich offengelassen hat der BGH etwa die umstrittene Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 112 Satz 1 AktG (Nichtigkeit gemäß § 134 BGB oder schwebende Unwirksamkeit gemäß § 177 BGB). Auch die Erstreckung von § 112 Satz 1 AktG auf Rechtsgeschäfte mit Gesellschaften, an denen ein Vorstandsmitglied nicht als Alleingesellschafter, sondern nur maßgeblich oder beherrschend beteiligt ist, bleibt fortwährend ungeklärt. Vor diesem Hintergrund ist Gesellschaften zu raten, in Zweifelsfällen die Vertretungsberechtigung des Handelnden stets sorgfältig zu prüfen.

Kapitalmarktrecht

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