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Bußgeldrisiken durch Verletzung verbraucherschützender Normen

08.07.2022

Seit 28. Mai 2022 ist Art. 246e EGBGB in Kraft und setzt die Änderungen der Omnibus-Richtlinie (EU) 2019/2161 um, die zu einer Reihe von Änderungen im Verbraucherschutzrecht geführt hat. Damit sind nun bestimmte grenzüberschreitende Verstöße gegen zivilrechtliche Verbraucherschutzvorschriften ordnungswidrig und können teils enorme Bußgelder nach sich ziehen.

I. Voraussetzungen des Bußgeldtatbestands

Voraussetzung des Bußgeldtatbestands ist zunächst, dass nach Art. 246e § 1 Abs. 1 EGBGB eine Verletzung von Verbraucherinteressen im Zusammenhang mit Verbraucherverträgen vorliegt, bei der es sich um einen weitverbreiteten Verstoß gemäß Art. 3 Nr. 3 oder einen weitverbreiteten Verstoß mit Unions-Dimension gemäß Art. 3 Nr. 4 der Verordnung (EU) 2017/2394 (CPC-VO) handelt. Die Verletzung von Verbraucherinteressen wird in Abs. 2 und 3 konkreter definiert.

Eine solche Verletzung ist verboten und ist nach Art. 246e § 2 EGBGB eine Ordnungswidrigkeit.

Nach Art. 3 Nr. 3 CPC-VO setzt ein weitverbreiteter Verstoß voraus, dass eine grenzüberschreitende Handlung in mindestens drei Mitgliedstaaten gegen Unionsrecht zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen verstößt. Ein weitverbreiteter Verstoß mit Unions-Dimension liegt vor, wenn eine Schädigung von Verbraucherinteressen in mindestens zwei Dritteln der Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens zwei Drittel der Bevölkerung der Union ausmachen, droht oder bereits erfolgt ist.

Von Art. 246e EGBGB nicht definiert ist, was unter „kollektiven Verbraucherinteressen“ zu verstehen ist. An anderer Stelle hat der EU-Gesetzgeber jedoch Kollektivinteressen von Verbrauchern als „das allgemeine Interesse der Verbraucher und […] die Interessen einer Gruppe von Verbrauchern“ definiert, vgl. Art. 3 Nr. 3 der Verbandsklage-RL. Trotz der Unbestimmtheit dieser Definition ist jedenfalls ein Verstoß gegen Verbraucherinteressen notwendig, der über die unmittelbaren Interessen einzelner Verbraucher hinausgeht und vielmehr struktureller Natur ist (Schubert/Schmitt/Jacobs, BKR 2021, 689, 691).

Art. 246e § 1 Abs. 2 EGBGB enthält 15 Unterfälle. Die für Praxis wichtigsten sind folgende Fälle:

1. Verstoß gegen § 309 BGB

Von besonderer Praxisrelevanz dürfte eine Verletzung von Art. 246e § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a) EGBGB sein. Danach liegt eine Verletzung von Verbraucherinteressen vor, wenn ein Unternehmer in AGB eine Bestimmung verwendet oder empfiehlt, die nach § 309 BGB unwirksam ist. Es sollten daher alle AGB auf mögliche Verstöße gegen den Katalog des § 309 BGB überprüft werden. Schon der erstmalige, fahrlässige Verstoß kann nämlich bußgeldbewehrt sein. Insbesondere betrifft dies Klauseln zum Haftungsausschluss, zu Preiserhöhungen, Aufrechnungsverboten, Schadenspauschalierungen, Vertragsstrafen oder Formvorschriften.

Ein bußgeldbewehrter weitverbreiteter Verstoß im Sinne des Art. 246e § 1 Abs. 1 EGBGB kommt daher in Betracht, wenn ein Unternehmen seine Waren in mindestens drei Mitgliedstaaten bewirbt und gegenüber Verbrauchern Klauseln verwendet, die nach § 309 BGB unwirksam sind.

Zu beachten ist hierbei, dass nach Art. 246e § 1 Abs. 3 EGBGB eine Verletzung von Verbraucherinteressen auch dann vorliegt, wenn eine Klausel gegen § 309 BGB verstößt und auf den Verbrauchervertrag das nationale Recht eines anderen EU-Mitgliedstaates anwendbar ist, welches eine Vorschrift enthält, die dem Verbot des § 309 entspricht. Voraussetzung des Ordnungswidrigkeitstatbestandes dürfte daher sein, dass die Klausel sowohl gegen § 309 BGB als auch gegen entsprechende ausländische Regelungen verstößt.

Der Katalog verbotener Klauseln in § 309 BGB ist europäisch jedoch nicht vereinheitlicht, sodass hier eine Prüfung der Vorschriften der Staaten notwendig ist, in denen das Unternehmen seine Waren oder Dienstleistungen bewirbt.

2. Verstoß gegen Informationspflichten

Betroffen sind zudem nach Art. 246e § 1 Abs. 2 Nr. 9 EGBGB auch Informationspflichten von Unternehmern im elektronischen Geschäftsverkehr. Danach liegt ein Verstoß von Verbraucherinteressen vor, wenn die Angaben auf den Webseiten nicht den Anforderungen von § 312j Abs. 1 bis 3 BGB entsprechen. Insbesondere kann dies der Fall sein, wenn der Bestellbutton nur unzureichend beschriftet ist und der Bestellprozess nicht korrekt wie gesetzlich vorgesehen abgebildet wird.

Ebenfalls fallen die neuen Informationspflichten für Betreiber von Onlinemarktplätzen nach § 312l BGB unter den Verbotstatbestand des Art. 264e § 1 Abs. 2 Nr. 10 EGBGB. Einzelheiten der Informationspflichten sind in dem neuen Art. 246d EGBGB festgelegt. Unter anderem werden nun Angaben dazu verlangt, nach welchen Hauptparametern der Online-Marktplatz die dem Nutzer präsentierten Rankings festlegt. Außerdem muss der Online-Marktplatz die Unternehmereigenschaft der Anbieter angeben und ob das Verbraucherschutzrecht anzuwenden ist.

II. Bußgeldrahmen

Der Bußgeldrahmen ist nach Art. 246e § 2 Abs. 2 S. 2 EGBGB mit bis zu maximal 4% des Jahresumsatzes des Unternehmens erheblich. Dieser Bußgeldrahmen gilt jedoch nur gegenüber Unternehmern, die in den von dem Verstoß betroffenen Mitgliedstaaten in dem vorausgegangenen Geschäftsjahr mehr als 1,25 Mio. Euro Jahresumsatz erzielt haben.

In sonstigen Fällen beträgt das Bußgeld nach Art. 246e § 2 Abs. 2 S. 1 EGBGB bis zu 50.000 EUR.

Die Ordnungswidrigkeit kann jedoch nach Art. 246e § 2 Abs. 3 EGBGB nur im Rahmen einer koordinierten Durchsetzungsmaßnahme geahndet werden, was die praktische Bedeutung der Bußgeldvorschriften einschränkt. So kann ein Mitgliedsstaat die Teilnahme an einer solchen Aktion ablehnen, wenn etwa wegen desselben Verstoßes gegen den Unternehmer bereits ein Gerichtsverfahren eingeleitet wurde, Art. 18 Abs. 1 Buchst. a) CPC-VO.

Sachlich zuständig für den Bußgelderlass ist das Bundesamt für Justiz (Art. 246e § 2 Abs. 4 EGBGB).

Hinweis für die Praxis

Aufgrund des erheblichen Bußgeldrahmens sollte eine sorgfältige Erstellung oder Kontrolle von AGB im grenzüberschreitenden Kontext nunmehr erfolgen. Zudem ist im elektronischen Geschäftsverkehr und bei Online-Marktplätzen die Ausgestaltung der Webseite und die darüber abrufbaren Informationen entscheidend.

In Transaktionen mit grenzüberschreitender Dimension werden Verbraucher-AGBs und die Prüfung des Online-Auftritts künftig mehr Aufmerksamkeit benötigen. Im Rahmen des SPA sollte ggf. ausdrücklich auch die AGB-rechtliche Rechtskonformität Berücksichtigung finden.

Klar erkennbar und bemerkenswert ist die Tendenz des Gesetzgebers, Rechtsverstöße im privatrechtlichen Bereich zunehmend mit Geldbußen zu bedrohen. So sieht z.B. auch das am 1. August in Kraft tretende reformierte Nachweisgesetz vor, dass in Arbeitsverträgen gesetzlich definierte Mindestbedingungen festzulegen sind. Ein Verstoß hiergegen stellt künftig eine Ordnungswidrigkeit dar mit einem Bußgeld von bis zu 2.000 EUR je Verstoß. Ähnliches gilt im Bereich des Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetzes, das die Vorgaben der UTP-Richtlinie (EU 2919/633) umsetzt. Das AgrarOLkG verbietet beispielsweise für Lieferverträge im Lebensmittelbereich die Verwendung bestimmter Klauseln. Auch hier ist der Verstoß gegen die inhaltlichen Vorgaben für Lieferverträge mit empfindlichen Geldbußen sanktioniert.