Die neue EuGVVO tritt ab dem 10. Januar 2015 in Kraft
Ab dem 10. Januar 2015 gilt die „Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen“ („EuGVVO n.F.“). Sie ersetzt die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 („EuGVVO a.F.“) und bringt eine Reihe von Neuerungen mit sich.
I. Vollstreckbarerklärung entfällt (Art. 39 ff. EuGVVO n.F.)
Besonders zu begrüßen ist die Neufassung der EuGVVO im Hinblick auf die grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa. Bisher war die Vollstreckung aus einer gerichtlichen Entscheidung eines anderen Mitgliedstaats erst nach einem kostspieligen und zeitaufwändigen Anerkennungsverfahren im Vollstreckungsstaat (sog. „Exequatur-Verfahren“) möglich. Die Entscheidung musste nämlich für vollstreckbar erklärt werden. Dies geschah auf Antrag des Berechtigten. Zuständig hierfür war das Gericht am Wohnsitz des Schuldners oder das Gericht am Ort, an dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden sollte. Künftig entfällt das Exequatur-Verfahren (Art. 39). Stattdessen hat der Antragsteller nun nur noch der Vollstreckungsbehörde die Ausfertigung der Entscheidung im Original und eine nach Art. 53 ausgestellte Bescheinigung, mit der bestätigt wird, dass die Entscheidung vollstreckbar ist, vorzulegen. Entscheidungen in diesem Sinne können nicht nur Urteile, sondern auch Beschlüsse, Zahlungsbefehle und Vollstreckungsbescheide sowie bestimmte einstweilige Maßnahmen sein. Eine entsprechende Legaldefinition findet sich in Art. 2 lit. a EuGVVO n.F. Unklar bleibt jedoch, ob es sich um eine rechtskräftige Entscheidung handeln muss, oder ob auch vorläufig vollstreckbare Entscheidungen genügen können. Für letzteres spricht sicherlich die Intension der Verordnung, den Zeit- und Kostenaufwand bei Vollstreckungen innerhalb der Europäischen Union zu minimieren.
II. Stärkung von ausschließlichen Gerichtsstandvereinbarungen (Art. 31 Abs. 2, 3 EuGVVO n.F.)
Eine weitere wichtige Änderung in der EuGVVO betrifft die Durchsetzbarkeit von Gerichtsstandvereinbarungen. Früher konnten Gerichtsstandvereinbarungen zumindest faktisch dadurch umgangen werden, dass vor Einreichung einer Leistungsklage durch den Berechtigten am vereinbarten Gerichtsstand eine negative Feststellungsklage vor einem unzuständigen (und für seine langsame Bearbeitung bekannten) ausländischen Gericht erhoben wurde (sog. „Torpedoklage“). Die Vorschriften der EuGVVO a.F. sahen nämlich die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts vor, selbst wenn dieses bei Berücksichtigung der Gerichtsstandvereinbarung eigentlich unzuständig war (Art. 27 Abs. 1 EuGVVO a.F.). Das nachfolgend angerufene Gericht, das entsprechend der Parteivereinbarung ursprünglich eigentlich zuständig sein sollte, musste das bei ihm anhängige Verfahren von Amts wegen so lange aussetzen, bis das unzuständige Gericht seine Unzuständigkeit festgestellt hatte (EuGH, Urt. vom 09.12.2003 – C-116/02, EuZW 2004, 188, 191). Fortan sind Torpedoklagen nicht mehr möglich in Fällen, in denen sich die Vertragsparteien über einen ausschließlichen Gerichtsstand geeinigt haben. Ruft eine Partei das in einer solchen Gerichtsstandvereinbarung festgelegte Gericht an, muss das früher angerufene mitgliedstaatliche Gericht sein Verfahren so lange aussetzen, bis sich das in der Gerichtsstandvereinbarung bestimmte Gericht für unzuständig erklärt hat (Art. 31 Abs. 2). Stellt dieses seine Zuständigkeit fest, muss sich das Gericht des anderen Mitgliedsstaates für unzuständig erklären (Art. 31 Abs. 3).
III. Ausweitung hinsichtlich Klagen vor Drittstaaten (Art. 33, 34 EuGVVO n.F.)
Darüber hinaus ermöglichen die Bestimmungen der EuGVVO n.F. einem mitgliedstaatlichen Gericht zukünftig einen Rechtsstreit auch dann aussetzen, wenn bereits ein Verfahren vor dem Gericht eines Drittstaates anhängig ist und dieses denselben Anspruch betrifft (Art. 33) oder beide Verfahren im Zusammenhang stehen (Art. 34). Eine solche Aussetzung verlangt allerdings, dass die Entscheidung des drittstaatlichen Gerichts in dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannt und gegebenenfalls vollstreckt werden kann. Außerdem muss das Gericht des Mitgliedstaats zu der Überzeugung gelangen, dass die „Aussetzung des Verfahrens im Interesse einer geordneten Rechtspflege erforderlich ist“. Hierbei hat es alle Umstände des bei ihm anhängigen Falles zu prüfen, wie etwa die Verbindungen des Streitgegenstandes und der Parteien zum betreffenden Drittstaat oder die Frage, wie weit das drittstaatliche Verfahren zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung beim Gericht des Mitgliedstaates bereits fortgeschritten war.