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Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung – Überblick über die wesentlichen Erleichterungen

18.09.2023

Am 18. August 2023 hat der Gesetzgeber das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung erlassen und geht damit einen weiteren Schritt in Richtung eines modernen Aufenthaltsrechts.

Die nachfolgenden Erleichterungen bei der Einwanderung nach Deutschland werden gestaffelt in der Zeit zwischen dem 18. November 2023 und dem 01. Januar 2026 in Kraft treten:

Folgende wesentlichen Änderungen im Aufenthaltsgesetz („AufenthG“) werden bereits zum 18. November 2023 in Kraft treten:

Grundsatz: Eine Fachkraft, d.h. eine Person

  • mit qualifizierter Berufsausbildung (§ 18a AufenthG n.F.) oder
  • mit akademischem Hochschulabschluss (§ 18b AufenthG n.F.),

kann dann mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit – anders als bisher – jede qualifizierte Beschäftigung ausüben. Das bedeutet, dass der Beruf- oder Hochschulabschluss inhaltlich nicht mehr zur geplanten Beschäftigung passen muss.

Aber: Für die Erteilung einer Blauen Karte EU muss auch weiterhin der Hochschulabschluss mit der geplanten Beschäftigung übereinstimmen.

Erleichterungen gibt es bei der Blauen Karte EU (§ 18g AufenthG n.F.) allerdings in anderen Bereichen:

  • So wird insbesondere das Mindest-Bruttojahresgehalt für die Erteilung der Blauen Karte EU gesenkt, für die sog. große Blaue Karte auf 50% der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (in 2023: EUR 43.800,00) und für die sog. kleine Blaue Karte für die Mangel- und Engpassberufe (MINT-Fächer) auf 45,3% (in 2023: EUR 39.682,80).
  • Zudem wird die Blaue Karte EU für Berufsanfänger eingeführt. Einer Fachkraft, die ihren Hochschulabschluss nicht mehr als drei Jahre vor Antragsstellung erworben hat, kann in Zukunft – unabhängig von ihrer Berufsgruppe – bei Erreichen der Mindestgehaltsgrenze (45,3 %) die kleine Blaue Karte EU erteilt werden.
  • Neu eingeführt wird die Möglichkeit der Blauen Karte EU für eine Fachkraft, die ein tertiäres Bildungsprogramm (Fachhochschule, Berufsakademie o.Ä.) abgeschlossen hat, das mit einem Hochschulabschluss gleichwertig ist, mindestens drei Jahre Ausbildungsdauer erfordert und in Deutschland mindestens der Stufe 6 der Internationalen Standardklassifikation im Bildungswesen (ISCED 2011) oder Stufe 6 des Europäischen Qualifikationsrahmens zugeordnet ist. Damit kann einer Fachkraft eine (große/kleine) Blaue Karte EU auch ohne einen Hochschulabschluss erteilt werden.
  • Komplett auf die Voraussetzung eines Hochschulabschlusses verzichtet wird darüber hinaus im IT-Bereich (Berufsgruppen 133 und 25 der ISCO-08, d.h. der „International Standard Classification of Occupations-08“). Einem/einer Ausländer*in wird nach dem neuen § 18g Abs. 2 AufenthG n.F. mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit eine kleine Blaue Karte EU zur Ausübung eines IT-Berufs erteilt, wenn die Mindestgehaltsschwelle erreicht wird, der/die Ausländer*in über eine mindestens dreijährige einschlägige Berufserfahrung verfügt und dadurch die erforderlichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, deren Niveau mit einem Hochschulabschluss bzw. mit einem tertiären Bildungsprogramm vergleichbar ist.
  • Auch gibt es Erleichterungen im Bereich der lang- und kurzfristigen Mobilität innerhalb der Europäischen Union für Inhaber der Blauen Karte EU, im Bereich des Familiennachzugs zu Inhabern der Blauen Karte EU und bei Arbeitgeberwechseln. Zudem muss die Beschäftigung in Deutschland, für die die Blaue Karte EU erteilt werden soll, nur noch einen Mindestdauer von sechs Monaten betragen. Bisher war eine Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses von einem Jahr (ungeschriebene) Voraussetzung.

Zum 01. März 2024 treten insbesondere folgende weitere Erleichterungen in Kraft:

Die Beschäftigung von Studierenden wird erleichtert, indem ein Arbeitstagekonto eingeführt und die Höchstbeschäftigungszeit auf 140 Arbeitstage im Jahr aufgestockt wird, wobei studentische Nebentätigkeiten nicht angerechnet werden. Wird der/die Studierende in Teilzeit beschäftigt, erfolgt die Anrechnung der Arbeitszeit auf dem Arbeitstagekonto in Abhängigkeit davon, was für den/die Studierende am günstigsten ist, entweder (i) tagesgenau (wobei ein Arbeitstag mit bis vier Stunden als halber Arbeitstage gerechnet wird) oder (ii) unabhängig von der Arbeitszeitverteilung mit 2,5 Arbeitstagen pro Woche. Innerhalb der Vorlesungszeit darf die Wochenarbeitszeit des/der Studierenden maximal 20 Stunden betragen.

Erst zum 01. Juni 2024 in Kraft treten insbesondere folgende weitere Erleichterungen:

Es wird eine neue punktebasierte Aufenthaltserlaubnis – die sog. Chancenkarte (§ 20a AufenthG n.F.) – neu eingeführt.

Die Chancenkarte ist eine zunächst auf ein Jahr befristete Aufenthaltserlaubnis zur Suche nach einer Erwerbstätigkeit oder zur Durchführung von Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen (Such-Chancenkarte). Die Chancenkarte kann einem/einer Ausländer*in erteilt werden, wenn er/sie (i) entweder die Voraussetzungen einer Fachkraft erfüllt oder (ii) er/sie mindestens sechs „Punkte“ erreicht und sein/ihr Lebensunterhalt gesichert ist.

Punkte erhält der/die Ausländer*in dabei entsprechend nachfolgender Tabelle für Qualifikation, Deutsch- und Englischkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter und Potenzial der Lebens- oder Ehepartnerinnen oder -partner:

 Merkmal nach §20b Abs.1 AufenthG Punkte 

 Nr.1: Festgestellte Gleichwertigkeit einer ausländischen Berufsqualifizierung bzw. Erteilung einer Berufsausübungserlaubnis für einen reglementierten Beruf

4
 Nr.2: Gute Deutschkenntnisse (mind. Niveau B2) 3
 Nr.3: Ausreichende Deutschkenntnisse (mind. Niveau B1) 2
 Nr.4: Hinreichende Deutschkenntnisse (mind. Niveau A2) 1
 Nr.5: Englischkenntnisse auf dem Niveau C1 1
 Nr.6: Fünf Jahre im Zusammenhang mit der Berufsqualifikation stehende
Berufserfahrung binnen der letzten sieben Jahre
3
 Nr.7: Zwei Jahre im Zusammenhang mit der Berufsqualifikation
stehende Berufserfahrung binnen der letzten sieben Jahre
2
 Nr.8: Berufsqualifikation in einem Mangelberuf 1
 Nr.9: Nicht älter als 35 Jahre 2
 Nr.10: Alter als 35 aber jünger als 40 Jahre 1
 Nr.11: Rechtmäßiger mind. sechsmonatiger Voraufenthalt im Bundesgebiet 1
 Nr.12: Ehegatte/Lebenspartner erfüllt die Voraussetzungen der Chancenkarte, beantragt bei derselben zuständigen Stelle eine Chancenkarte und ist gemeinsam nach Deutschland eingereist 1

Mit der Chancenkarte ist der/die Ausländer*in berechtigt, durchschnittlich 20 Stunden pro Woche zu arbeiten und eine Probebeschäftigung von jeweils höchstens zwei Wochen auszuüben, die jeweils qualifiziert sein muss, auf eine Ausbildung abzielen oder geeignet sein muss, im Rahmen einer Maßnahme zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen nach § 16d AufenthG aufgenommen zu werden.

Die zunächst auf ein Jahr befristete Such-Chancenkarte kann zudem um bis zu zwei Jahre verlängert werden, wenn der/die Ausländer*in einen Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot für eine inländische qualifizierte Beschäftigung hat, die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt und keine andere Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann (Folge-Chancenkarte).

Im Zuge der Novelle des Aufenthaltsgesetzes haben das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie das Bundesministerium des Innern und für Heimat am 31. August 2023 zudem die Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung erlassen und dadurch auch die Beschäftigungsverordnung modernisiert.

Die wichtigsten Änderungen der Beschäftigungsverordnung („BeschV“) werden ab dem 18. November 2023 sukzessive unter anderem folgende Regelungen betreffen:

Die in § 26 Abs. 2 BeschV enthaltene sog. Westbalkan-Regelung wird ab dem 18. November 2023 auf unbestimmte Zeit weitergelten.  
Zum 01. Juni 2024 wird das Kontingent der Zustimmungen zu Aufenthaltstiteln von derzeit 25.000 auf 50.000 angehoben werden. Damit können jährlich 50.000 Staatsangehörige von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien auch nach Deutschland kommen, um hier jede Art von Beschäftigung (= auch unqualifizierte Beschäftigungen) auszuüben.

Zum 01. März 2024 tritt der neu eingeführte § 6 BeschV in Kraft. Demnach erteilt die Bundesagentur für Arbeit ihre Zustimmung zur Beschäftigung eines/einer Ausländer*in, der/die einen im seinem/ihrem Heimatland staatlich anerkannten Berufs- oder Hochschulabschluss – unabhängig von deutschen Standards – besitzt, in den letzten fünf Jahren eine mindestens zweijährige einschlägige Berufserfahrung gesammelt hat und in Deutschland einen Arbeitsplatz hat bzw. angeboten bekommt, bei dem das Bruttojahresgehalt mindestens 45% der Beitragsbemessungsgrenze (für 2023: rund EUR 39.420,00) beträgt. Für Berufe im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie reicht für die Erteilung der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit sogar aus, dass der/die Ausländer*in die erforderliche Berufserfahrung und das Mindestgehalt vorweisen kann.

Bewertung und Ausblick

Der Gesetzgeber hat mit der Novelle des Aufenthaltsgesetzes ein modernes und facettenreiches Aufenthaltsrecht geschaffen. Mit der Schaffung eines neuen Aufenthaltsrechts und der Vereinfachung der Erteilung der Blauen Karte EU kann Deutschland seinem Anspruch gerecht werden, ein attraktives Einwanderungsland für Fachkräfte zu sein. Die Änderungen der Beschäftigungsverordnung runden die Novelle des Aufenthaltsgesetzes erfreulich ab; der sog. Westbalkan bleibt als Markt für Arbeitskräfte nicht nur erhalten bleibt, sondern wird auch mit dem Anheben des Kontingents aufgewertet.