Nicht jeder Mietspiegel hat gesetzliche Beweiskraft
Nicht jeder Mietspiegel, der von einer Kommune als "qualifizierter Mietspiegel" bezeichnet wird, hat den erhöhten Beweiswert des § 558 d Abs. 3 BGB i.V. mit § 418 und § 292 ZPO. BGH, Urteil vom 6. November 2013 Az. VIII ZR 346/12.
Der Fall
Ein Immobilienunternehmen fordert für eine Wohnung in Berlin-Mitte eine Mieterhöhung und stützt sich auf sechs Vergleichswohnungen. Der Mieter widerspricht mit Hinweis auf den als qualifiziert bezeichneten Berliner Mietspiegel, der für diese einfache Lage eine geringere Höchstmiete vorsieht. Der klagende Vermieter wandte ein, dass der Mietspiegel nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden sei, u.a. weil er die Kategorie beste Wohnlage , wie sie der Münchner Mietspiegel vorsieht, nicht kennt. Der BGH verwies den Fall zurück an das Berufungsgericht. Er befand, dass der Berliner Mietspiegel vom Vermieter so hinreichend angegriffen sei, dass Beweis erhoben werden muss: ob der Berliner Mietspiegel den an einen qualifizierten Mietspiegel zu stellenden Voraussetzungen genügt und ob die begehrte Miete ortsüblich ist.
Die Folgen
Dem Vermieter stehen Sachverständigengutachten, Vergleichswohnungen und Mietspiegel als gleichwertige Begründungsmittel in der außergerichtlichen Phase des Mieterhöhungsverlangens zur Verfügung. Im gerichtlichen Streit tritt aber der qualifizierte Mietspiegel in den Vordergrund, weil sein Inhalt als richtig gilt. Es sei denn, der Vermieter kann den Vollbeweis des Gegenteils führen, was nur selten und mit hohem Aufwand möglich sein wird. Der BGH hat Vermietern einen einfacheren Weg eröffnet: Der Vermieter kann auch bestreiten, dass der angewendete Mietspiegel zu den so genannten qualifizierten Mietspiegeln gehört, für die allein die besondere gesetzliche Richtigkeitsvermutung gilt. Die Anforderungen an ein solches Bestreiten hat der BGH auf einem erfüllbaren Niveau konkretisiert.
Was ist zu tun?
In vielen Städten bildet der Mietspiegel die Realität auf dem Wohnmarkt nicht mehr ab. Mitunter tritt bei ihrer Erstellung die Wissenschaftlichkeit hinter den gewünschten Mietpreisdämpfungseffekt zurück. Vermieter sollten daher fachkundig überprüfen lassen, ob die räumlich geltenden Mietspiegel wirklich als qualifizierte Mietspiegel zu behandeln sind, insbesondere ob ernsthafte Einwendungen gegen die Wissenschaftlichkeit der Datenerhebung und Auswertung bestehen. Derartig substantiierte Einwendungen können dann im Mieterhöhungsprozess geltend gemacht und durch einen alternativen Beweisantritt zur ortsüblichen Miete unterfüttert werden. Wenn Vermieter örtliche Mietspiegel derart erfolgreich angegriffen haben, werden die Urteile zukünftig über den jeweiligen Einzelfall hinaus Bedeutung erlangen. Nämlich insoweit als Mietspiegel nach den Plänen der großen Koalition zukünftig nicht nur Mieten im laufenden Mietverhältnis, sondern auch Erstmieten in Neuverträgen begrenzen sollen.
Dieser Beitrag ist in der Immobilien Zeitung vom 19.12.2013 erschienen.
Weiterer Artikel: Die neuen Regelungen zur Mietpreisbremse - Auswirkungen auf den deutschen Immobilienmarkt
Bestens
informiert
Jetzt unseren Newsletter abonnieren, um zu aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden zu bleiben.
Jetzt anmelden