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Prognose­methoden für markt­determinierte Wechsel­kurse bei rechtlich geprägten Unternehmens­bewertungen

25.06.2018
Die Bewertung von Unternehmen mit wesentlichen fremdwährungsabhängigen Cashflows erfordert für deren Umrechnung in die Referenzwährung eine Methode zur Wechselkursprognose. In diesem Beitrag werden die Methoden zur Wechselkurs­prognose für marktdeterminierte Wechselkurse im Rahmen rechtlich geprägter Unternehmensbewertungen untersucht. Ausgehend von der in der Unternehmensbewertungspraxis häufig herangezogenen Terminkursmethode wird deren Vereinbarkeit mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Methodenauswahl analysiert und mit anderen Verfahren zur Prognose marktdeterminierter Wechselkurse verglichen.

Im Rahmen der rechtsgeprägten Bewertung eines Unternehmens ist der Unternehmenswert nach § 287 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 738 Abs. 2 BGB im Wege der Schätzung zu ermitteln. Dabei ist auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Methodenauswahl zurückzugreifen. Bei der Prognose makroökonomischer Parameter, wie Wechselkurse oder Zinsen, ist zu berücksichtigen, dass das Management i.d.R. die Entwicklung der Parameter nicht beeinflussen kann und darüber hinaus auch keine privilegierten Informationen darüber besitzt. Demnach kommen bei rechtsgeprägten Bewertungsanlässen nur Prognose- und Bewertungsmethoden in Frage, die in den Wirtschaftswissenschaften anerkannt und in der Praxis gebräuchlich sind. Die im Einzelfall gewählte Methode muss geeignet, aussagekräftig und überprüfbar sein. Daraus lässt sich unmittelbar ableiten, dass intuitive oder sonstige Ad hoc-Verfahren (also sog. management rates) im Rahmen rechtlich geprägter Bewertungsanlässe abzulehnen sind. Vielmehr legt die Rechtsprechung besonderen Wert auf ein methodisch und theoretisch fundiertes Vorgehen.

Bei der Prognose von Wechselkursen ist nach dem jeweils für die jeweilige Währungsrelation geltenden Wechselkurssystem (also zwischen festen und flexiblen Wechselkursen) zu differenzieren. In diesem Beitrag werden marktdeterminierte Wechselkurse, die aus einem flexiblen Wechselkurssystem resultieren, untersucht. Für derartige marktdeterminierte Wechselkurse ist festzustellen, dass in den Wirtschaftswissenschaften bisher keine Prognosemethode entwickelt worden ist, die perfekte Prognosen im Sinne fehlender Abweichungen zwischen dem prognostizierten und dem realisierten Kassakurs liefert. Die bislang entwickelten Methoden führen lediglich zu Schätzungen künftiger Kassakurse, die u.U. (erheblich) von den später realisierten Kassakursen abweichen. Dies liegt vor allem an der hohen Volatilität der Wechselkurse, also an der Natur des zugrunde liegenden stochastischen Prozesses, dem Wechselkursentwicklungen im Rahmen flexibler Wechselkurssysteme regelmäßig folgen. Zudem kann Prognosegenauigkeit naturgemäß nur ex post festgestellt werden. Ex ante lässt sich bei keiner Prognosemethode feststellen, ob sie auch in Zukunft gegenüber anderen Methoden überlegene Wechselkursprognosen abgeben wird. Darüber hinaus variiert die ex post Prognose­genauigkeit zwischen den Methoden nach Wechselkurs, Untersuchungszeitraum und Prognosehorizont, sodass keine allgemeingültigen Aussagen möglich sind. Soweit zur Methodenwahl überhaupt auf empirische Studien zurückgegriffen werden soll, ist stets auf eine differenzierte Betrachtung nach den für den Fall relevanten Wechselkursen und Laufzeiten sowie auf stichtagsnahe Untersuchungszeiträume zu achten. Entscheidend ist, dass bei der Methodenwahl auf die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen abgestellt wird.

In diesem Beitrag wird dargelegt, wie bezüglich der Auswahl einer Methode zur Prognose marktdeterminierter Wechselkurse bei rechtlich geprägten Bewertungsanlässen vorzugehen ist. Dabei wird zunächst die in der Praxis häufig herangezogene Terminkursmethode untersucht und mit anderen Verfahren verglichen. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Terminkursmethode im Hinblick auf die Akzeptanz in den Wirtschaftswissenschaften hinsichtlich der Konsistenz (Einhaltung des Risiko­äquiva­lenz-, des Laufzeitäquivalenz- und des Kaufkraftäquivalenzprinzips) zum Ertragswertverfahren und dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) sowie in Bezug auf die einfache Überprüfbarkeit den anderen Prognoseverfahren überlegen ist.

Konzeptionell ebenbürtig und konsistent zu den Annahmen des Ertragswertverfahrens und des (globalen) CAPM ist die relative Kaufkraftparitätentheorie, wobei hier die Schätzung unverzerrter Inflationserwartungen in der Praxis schwieriger ist als das Heranziehen oder Ableiten von Terminkursen. Diese Methode sollte daher eher ergänzend zur Terminkursmethode oder als Plausibilisierung der Terminkurse eingesetzt werden. Die Kassakursmethode stellt zwar ebenfalls ein marktbasiertes Verfahren dar, aber hier wird bei einem relevanten Unterschied in den nominalen Zinssätzen und in den Inflationserwartungen weder das Zeitpräferenz- noch das Kaufkraftäquivalenzprinzip hinreichend beachtet. Die Kassakursmethode lässt sich auch nicht aus dem CAPM für den Fall mit Risikoaversion ableiten und liefert in Bezug auf die Prognosegenauigkeit generell auch keine besseren Prognosen. Vielmehr schneidet die Terminkursmethode bei höheren Inflationsdifferenzen und längeren Laufzeiten i.d.R. besser ab.

Bei den anderen Verfahren ergeben sich nicht nur Schätzprobleme hinsichtlich der erforderlichen Parameter, sondern es stellen sich bei Verwendung des Ertragswertverfahrens und des CAPM z.T. erhebliche Konsistenzprobleme. Dabei schneiden im Hinblick auf die Prognosegenauigkeit die anderen Verfahren nicht systematisch besser als marktbasierte Verfahren ab. Demnach ist grundsätzlich davon auszugehen, dass bei hinreichender Markteffizienz aus der ex ante Perspektive weiterhin die Marktprognose in Form von Terminkursen (konzeptionell) die bestmögliche Schätzung marktdeterminierter Wechselkurse ist.

 

Der vollständige Artikel ist in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „BewertungsPraktiker“ veröffentlicht (BewP, Fachinformationen zu Bewertungsfragen, Heft 2, Juni 2018, S. 34-49).

WP Dipl.-Kfm. Santiago Ruiz de Vargas (CVA), München, ist Partner der Noerr LLP, Vorstand der NOERR AG WPG StBG und Co-Head des Bereichs Advisory Services der Noerr Gruppe.

 

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