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Slowakei: Ist Uber Arbeitgeber?

14.03.2017

Die Ökonomie des Teilens, oft als „Gig Ökonomie“ bezeichnet, ist ein neues Phänomen des IT-Zeitalters. Es geht um das gemeinsame Nutzen von Waren und Dienstleistungen über Online-Plattformen und Apps. In der Ökonomie des Teilens zeigt sich ein neuer Trend, wonach die Möglichkeit, kurzfristig Waren und Dienstleistungen zu nutzen, als erstrebenswerter angesehen wird, als etwas zu besitzen. Eigentum ist „out“, Teilen oder „Sharing“ ist „in“. „Diese Art der Ökonomie zeigt, dass die Menschen über  mehr Kapital und Möglichkeiten verfügen, als bisher gedacht (…) Vor dem Internet wäre es richtig schwierig gewesen, jemanden zu finden, der sich für 10 Minuten hinsetzt, damit er für dich arbeitet, und ihn dann nach den 10 Minuten zu feuern, so Lukas Biewald, CEO von CrowdFlower.

Die Ökonomie des Teilens führt zu einer neuen Betrachtung des klassischen Beschäftigungsverhältnisses, da sie auch ohne Arbeitnehmer mit festen Beschäftigungsverhältnissen erfolgreich funktionieren kann. Das Wesen der Ökonomie des Teilens besteht darin, dass die Online-Plattformen nur als Vermittler von Waren und Dienstleistungen agieren, nicht jedoch als Arbeitsgeber. Sie fördern die Mobilität der Menschen und schaffen einen Raum vor allem für kurzfristige, informelle Beschäftigungsmöglichkeiten, wobei sie  ähnlich wie Jobbörsen funktionieren. Diejenigen, die Dienstleistungen, über Online-Plattformen anbieten, werden als Selbständige, sog. „Crowdworker“, betrachtet. Sie erbringen ihre Dienstleistungen selbständig, auf eigene Gefahr und Verantwortung, ohne den Weisungen des Plattformbetreibers zu unterliegen, mit eigenen Mitteln und zeitlich flexibel. Derzeit arbeitet nur eine Minderheit auf Basis des „Crowdworking“. Gleichzeitig nimmt jedoch die Anzahl der Menschen zu, für die dies eine Haupteinnahmequelle darstellt. Vor allem für diese hat das Crowdworking auch negative Auswirkungen, da sie keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn oder Urlaub, auf Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, auf Arbeitslosen- und Krankengeld, etc. haben.

Im Hinblick auf die Tatsache, dass die Ökonomie des Teilens sich derzeit weltweit in einer rechtlichen Grauzone befindet, steht im Mittelpunkt der Diskussion über das Crowdworking die Bemühung, für Dienstleistungen, die über Online-Plattformen erbracht werden, faire Rahmenbedingungen zu schaffen. In erster Linie geht es um die Bemühung, den Begriff des „Arbeitnehmers“ auf die schutzbedürftigen Crowdworker, die keine echten Selbständigen, sondern nur Scheinselbständige sind, auszuweiten. Sie sind von den Plattformbetreibern wirtschaftlich abhängig und gegenüber diesen rechtlich in einer schwachen Position, da sie praktisch keine Verhandlungsmacht haben und das gesamte Risiko und die Verantwortung für die über die Online-Plattformen vermittelten Dienstleistungen tragen. Persönliche Abhängigkeit sollte „nur“ ein praktikables Hilfskriterium für die Definition als Arbeitnehmer sein. Die Crowdworker sollten zukünftig auch den arbeitnehmerrechtlichen Schutz genießen und einen Zugang zu den Sozialsystemen haben.

Die Europäische Kommission sieht im Allgemeinen die Ökonomie des Teilens nicht als Gefahr. Im Juni 2016 stellte sie einen Rahmen für die so genannte „Smart Regulation“ vor, in dem die Ökonomie des Teilens funktionieren soll. Sie fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre arbeitsrechtlichen Vorschriften zu modernisieren, um auch flexible Beschäftigungsmöglichkeiten zu erfassen. Sie empfiehlt den Mitgliedstaaten auch eine Schwelle festzusetzen, um zu bestimmen, wann es sich beim Crowdworking um eine gelegentliche Dienstleistung handelt, und wann um eine berufliche Tätigkeit.

Ein klassisches Beispiel für die Ökonomie des Teilens stellt in der Slowakei die weltbekannte Firma Uber dar, die Fahrgästen in Bratislava und Umgebung seit August 2015 über die Uber-App durch so genanntes „Ridesharing“ billige und schnelle Beförderung anbietet. Das Uber-Angebot löst weltweit kontroverse Reaktionen aus. Einerseits wird Uber wegen der Möglichkeit, etwas dazuverdienen und billiger fahren zu können, begrüßt. Anderseits stellt Uber für die Taxi-Branche eine Konkurrenz dar. Diese vertritt die Ansicht, dass es nicht um Ridesharing geht, sondern um eine Taxi-Alternative. Sie kritisiert Uber wegen der Nichteinhaltung der staatlichen Regelungen im Bereich von Taxi-Dienstleistungen und wegen der Beschäftigung von nicht registrierten Taxifahrern, wodurch die registrierten Taxifahrer benachteiligt würden und Raum für Steuerhinterziehung eröffnet würde.

Der Interessenverband der Taxifahrer aus Bratislava behauptet, dass die Uber-Fahrer klassische Taxi-Dienstleistungen ohne die notwendige behördliche Genehmigung erbrächten und daher nicht voll für diese Tätigkeit qualifiziert seien. Uber-Fahrer hätten keine Staatsprüfung abgelegt, sich keinen psychologischen Tests und ärztlichen Untersuchung unterzogen und ihre Fahrzeuge nicht zur jährlichen technischen Kontrolle vorgeführt. Sie zahlten auch nicht die teurere Kaskoversicherung, die mit der Personenbeförderung verbunden ist. Die Fahrzeuge verfügten weder über die erforderliche Kennzeichnung als „Taxi“ und den Betreibernamen, noch über die erforderliche Ausrüstung (vor allem über keinen Taxameter).

Uber sieht sich nicht als Transportgesellschaft, sondern als Plattformbetreiber. Uber stellt eine App zur Verfügung, die das Ridesharing zwischen dem Uber-Fahrer und den bei Uber registrierten Kunden vermittelt. Beide Parteien müssen zuvor auf ihren Smartphones die Uber-App installieren. Der Uber-Kunde gibt in der Uber-App an, wo er abgeholt werden möchte. Er kann einen Uber-Fahrer wählen, der sich in seiner Nähe befindet, oder denjenigen, der die bessere Kundenbewertung besitzt; gegebenenfalls kann der Uber-Kunde auch wählen, mit welchem Fahrzeug er fahren möchte. Der angefragte Uber-Fahrer kann sich dann entscheiden, ob er den Kunden fahren möchte. Die Anfangsgebühr beträgt 1,20 EUR, jede angefangene Minute kostet 0,09 EUR, jeder angefangene Kilometer 0,36 EUR. Der Fahrpreis wird über das Uber-Konto online bezahlt, eine Barzahlung ist nicht möglich, und auch  ein Trinkgeld für die Uber-Fahrer ist unüblich. Vom Fahrpreis zieht Uber zuerst eine Vermittlungsprovision in Höhe von 20 % ab, der Rest wird auf das Konto des Uber-Fahrers überwiesen. Nach der Fahrt kann der Kunde den Uber-Fahrer in der Uber-App bewerten.

Die Ansicht, dass es sich bei Uber eher um eine Taxi-Alternative als um Ridesharing handelt, wird auch durch die Tatsache untermauert, dass der Fahrpreis höher ist, als der Benzinpreis, den man beim klassischen Ridesharing wie BlaBlaCar bezahlt.

Die slowakische Gesetzgebung kennt keine Personenbeförderung in der Form des Ridesharing über eine App. Die Personenbeförderung ist eine klar definierte und regulierte Branche. Im Sinne des Verkehrsgesetzes ist jede Art der Personenbeförderung, die  mithilfe von Fahrzeugen mit einer Kapazität von maximal 9 Personen inklusive des Fahrers durchgeführt wird, eine Taxi-Dienstleistung. Dies gilt auch für den Fall, dass die Personenbeförderung unregelmäßig ausgeübt wird. Gleichzeitig ist es gemäß der Gewerbeordnung ein reglementiertes Gewerbe. Um es zu betreiben, müssen die Taxi-Fahrer zunächst beim Bezirksamt des Bezirks, in dem der Antragsteller seinen Wohnsitz oder dauerhaften Aufenthalt hat, einen Gewerbeschein beantragen (wobei die unregelmäßige Personenförderung bis zum 01.01.2014 als freies Gewerbe eingestuft wurde). Der Gewerbeschein gilt in der Regel nur für einen bestimmten Bezirk und ist maximal 10 Jahre gültig.

Außerdem  bestimmt  das Beförderungsgesetz, dass Taxi-Fahrer entweder mit dem verantwortlichen Inhaber des Taxi-Unternehmens einen Arbeitsvertrag abschließen müssen oder als Selbständige tätig sein können. Im letztgenannten Fall benötigen sie einen Gewerbeschein. Das Gewerbe muss anschließend in das Handelsregister eingetragen werden.

Wie andere Plattformbetreiber vertritt Uber die Ansicht, dass Uber kein Arbeitgeber sei. Uber-Fahrer übten keine abhängige Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 des slowakischen Arbeitsgesetzesbuches aus, da diese nicht in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zu Uber stünden und Arbeitszeit und Gehalt nicht fest geregelt seien. Sie könnten selbst entscheiden, wann sie arbeiten wollen und welchen Auftrag sie annehmen. Sie führen mit ihrem eigenem Fahrzeug und übten die Tätigkeit selbständig und auf eigene Gefahr aus. Daher seien sie selbst und nicht Uber verpflichtet, die gesetzlichen Anforderungen gemäß dem Verkehrsgesetz, der Gewerbeordnung, dem Kfz-Steuer-Gesetzes, Einkommensteuergesetz,  Umsatzsteuergesetz sowie sonstige Anforderungen gemäß anderen mit den vorstehend genannten Gesetzen zusammenhängenden Vorschriften zu erfüllen.

Interessant im Zusammenhang mit Uber ist das Urteil eines britischen Arbeitsgerichtes, das Ende des Jahres 2016 nach einer Klage von 19 Uber-Fahrern gegen Uber  erging: Die Richter befanden, es sei „absurd, so zu tun, als bestehe eine rein technische Plattform für 30.000 Selbstständige in London und kein Unternehmen“. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts sind Uber-Fahrer keine selbstständigen Unternehmer sondern Angestellte und kommen damit in den Genuss von Arbeitnehmerrechten: Dazu gehört der gesetzliche Mindestlohn ebenso wie die gesetzlichen Urlaubstage.

Obwohl die Uber-Fahrer von verschiedenen Seiten Druck ausgesetzt sind, gab es bislang in der Slowakei noch  keine arbeitsgerichtlichen Verfahren.  Die Slowakei gehört nicht zu den Ländern, in denen die Gewerkschaften eine starke Verhandlungsmacht haben, und auch der gesetzliche Mindestlohn ist im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten sehr niedrig (der monatliche Mindestlohn beträgt derzeit 435 EUR brutto und der Stundenmindestlohn nur 2,50 EUR). Daher ist ein ähnliches Urteil wie in Großbritannien von slowakischen Arbeitsgerichten nicht zu erwarten.

Dennoch vertritt das slowakische Ministerium für Arbeit, Soziales und Familie die Ansicht, dass „der rechtliche Schutz nicht im Interesse der Flexibilität der Arbeit geopfert werden darf “ (Ján Richter, slowakischer Minister für Arbeit, Soziales und Familie).

 

 

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