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FAQ zur AÜG-Reform: Teil 4 – Die Offen­barungs­pflichten oder das Ende der Vorrats­erlaubnis

05.02.2018
Beim Einsatz von Fremdpersonal tragen Unternehmen ein hohes Risiko. Hintergrund sind die regelmäßigen Schwierigkeiten bei der Bestimmung des passenden Vertragstyps für den Fremdpersonaleinsatz. Bis zur Gesetzesänderung im April 2017 war dieses Risiko beherrschbar. Es entsprach gängiger Praxis, im Grenzbereich zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werk- bzw. Dienstvertrag vorsorglich eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu beantragen, um gegebenenfalls die Folgen illegaler Arbeitnehmerüberlassung abzuwenden (sog. Vorratserlaubnis). Diese legale und komfortable Möglichkeit, für alle Beteiligten – vom Auftragnehmer über den Auftraggeber bis hin zu den beteiligten Arbeitnehmern und Verantwortlichen – die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Einordnung zu mildern, ist seit Geltung der nachfolgend vorgestellten Offenbarungspflichten ab April 2017 nicht mehr gegeben. Wir beantworten dazu die wichtigsten Praxisfragen.
 

Um welche Offenbarungspflichten handelt es sich und für wen gelten diese?

Die „neuen“ Offenbarungspflichten nach dem AÜG umfassen eine Kennzeichnungs-, eine Konkretisierungs- und eine Informationspflicht. Im Einzelnen:

 

Inhalt

Zeitpunkt

Form

Kennzeichnungspflicht, § 1 Abs. 1 S. 5 AÜG

 

Die Überlassung von Arbeitnehmern muss in dem Vertrag zwischen Verleiher und Einsatzunternehmen ausdrücklich als „Arbeitnehmerüberlassung“ bezeichnet werden. Die Bezeichnung kann sowohl in der Überschrift als auch innerhalb des Vertragstexts erfolgen.

Diese Klarstellung muss erfolgen, bevor der Leiharbeitnehmer überlassen oder tätig wird. Dies muss nicht notwendigerweise der Zeitpunkt des Vertragsschlusses sein, sofern die Überlassung bzw. das Tätigwerden später erfolgt.

Der gesamte Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bedarf der Schriftform – und damit auch die Kennzeichnung als Arbeitnehmerüberlassung.

Konkretisierungspflicht, § 1 Abs. 1 S. 6 AÜG

Verleiher und Entleiher müssen die Person des Leiharbeitnehmers unter Bezugnahme auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag konkretisieren.

Diese Konkretisierung hat zwingend vor der Überlassung zu erfolgen. Dies gilt auch für den Austausch / Ersatz eines Leiharbeitnehmers.

Die Konkretisierung bedarf keiner Schriftform. Gleichwohl empfiehlt es sich, die Konkretisierung zu dokumentieren.

Informationspflicht, § 11 Abs. 2 S. 4 AÜG

 

Der Verleiher muss den Leiharbeitnehmer stets darüber informieren, dass er „als Leiharbeitnehmer“ tätig wird.

 

Auch diese Information hat vor Beginn jeder Überlassung zu erfolgen. Sinn und Zweck der Regelung gebieten es jedoch, eine einmalige Information genügen zu lassen, wenn der Arbeitnehmer ausschließlich als Leiharbeitnehmer eingesetzt werden kann. Bei Einsätzen in wechselnden Kooperationsformen ist der Mitarbeiter jedoch vor jedem Kundeneinsatz erneut zu informieren.

Diese Information bedarf keiner Schriftform. Gleichwohl empfiehlt es sich, diese Information zu dokumentieren.

 

Welche Rechtsfolgen greifen bei einem Verstoß gegen diese Pflichten?

Ein Verstoß gegen die Offenbarungspflichten hat gravierende Konsequenzen:

Wenn die Arbeitnehmerüberlassung nicht ausdrücklich als solche bezeichnet worden ist, wird ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher fingiert. Vereinbaren die Parteien also offen einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, ist dieses Risiko abgewendet. Dies gilt auch dann, wenn sie dabei die Konkretisierung des Leiharbeitnehmers versäumen.

Ausnahmsweise erfolgt ferner auch dann keine Fiktion eines Arbeitsvertrages mit dem Entleiher, wenn der Leiharbeitnehmer fristgerecht eine sog. „Festhaltenserklärung“ abgibt. Selbst sie heilt jedoch nicht den eigentlichen Rechtsverstoß, sodass Verleiher und Entleiher dringend gehalten sind, unverzüglich einen rechtskonformen Zustand herzustellen. Auch vor der Mithaftung für Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer schützt die Festhaltenserklärung den Auftraggeber nicht (siehe auch FAQ zur AÜG-Reform: Teil 3 – Die Festhaltenserklärung).

Verleiher und Entleiher drohen darüber hinaus bei Verstoß gegen die Kennzeichnungs- oder Konkretisierungspflicht Geldbußen von bis zu 30.000 Euro je Einzelfall. Bei einer Verletzung der Informationspflicht gegenüber dem Leiharbeitnehmer ist dagegen „nur“ mit einer Geldbuße bis zu 1.000 Euro je Einzelfall zu rechnen.

Ist die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung, Dienstvertrag und Werkvertrag durch die AÜG-Reform vereinfacht worden?

Die Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung von Dienst- oder Werkverträgen ist auch nach Einführung einer Legaldefinition in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG keineswegs einfacher geworden. Dessen ungeachtet sind die Parteien aufgrund der gesetzlichen Offenbarungspflichten gehalten, ja gezwungen, die von ihnen angedachte Kooperationsform zu kennzeichnen. Der Gesetzgeber hat damit sämtliche Einordnungsrisiken der Wirtschaft aufgebürdet.

Maßgebliche Abgrenzungskriterien für die Wahl des richtigen Vertragstyps sind die Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Entleihers sowie der Übergang des tätigkeitsbezogenen Weisungsrechts auf den Entleiher. Sind beide Kriterien gegeben, spricht das zwar für eine Arbeitnehmerüberlassung. Anhand dieser Kriterien ist eine rechtsichere Einordung allerdings – selbst für Gerichte – oft nur schwer möglich, weil sie in der Praxis selten in „Reinform“ gelebt werden. Unternehmen sollten bei bestehenden Werk- oder Dienstverträgen also sorgfältig prüfen, ob es sich aufgrund der tatsächlichen Durchführung nicht doch um eine Arbeitnehmerüberlassung handelt und die Verträge gegebenenfalls anpassen. Unabhängig von der erstmaligen Einschätzung ist eine ständige Überwachung bestehender Werk- oder Dienstverträge unerlässlich, um sicherzustellen, dass sich der Charakter des Vertragsverhältnisses nicht im Laufe der Zeit durch die gelebte Praxis unbemerkt wandelt.

Ist eine Vorratserlaubnis nun nutzlos für Unternehmen?

Aufgrund der neu statuierten Offenbarungspflichten schützt eine vorgehaltene Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nun nicht mehr vor der Fiktion von Arbeitsverhältnissen sowie vor Bußgeldern. Trotzdem kann in Einzelfällen eine Vorratserlaubnis weiter sinnvoll sein, um die Wirksamkeit des Vertrags zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer aufrecht zu erhalten. Dies kann gerade mit Blick auf die jeweils bestehenden Regelungen zur Haftung sinnvoll sein.

Der Einsatz von Fremdpersonal steht und fällt seit der AÜG-Reform 2017 mit der richtigen Einordnung des Vertrages. Eine Vermeidung von Sanktionen durch einfaches Vorlegen einer Vorratserlaubnis ist nun nicht mehr möglich. Stattdessen ist eine laufenden Kontrolle bestehender Werk- und Dienstverträge dringend geboten. Gerne helfen wir Ihnen hierbei mit unserem HR-Compliance-Healthcheck. Wenn Sie hierzu weitere Fragen haben kontaktieren Sie bitte Lars Kutzner oder Daniel Happ.

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