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Grünes Licht für CCS und CCU – Eckpunkte­papier der Bundes­regierung vorgelegt

01.03.2024

Die Strategie der Bundesregierung zur Erreichung der Klimaziele wurde um eine weitere Komponente ergänzt: Nachdem im Januar 2024 bereits eine mögliche Kooperation mit Norwegen zur Speicherung von CO2 vor der norwegischen Küste bekannt wurde, will die Bundesregierung künftig die Anwendung von Carbon Capture and Storage (CCS) und Carbon Capture and Usage (CCU), also das Abscheiden und Speichern bzw. Weiterverwenden von Kohlendioxid, auch in Deutschland erlauben. Das geht aus den Eckpunkten für die Carbon Management-Strategie und dem darauf basierenden Gesetzentwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) hervor, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) am 26. Februar 2024 vorgelegt hat. Im europäischen Ausland wird die Technologie zum Teil schon seit mehreren Jahrzehnten erprobt. Auch der Weltklimarat geht in seinem neuesten Bericht davon aus, dass neben anderen Minderungsmaßnahmen CCS und CCU in emissionsintensiven Sektoren mit schwer vermeidbaren Emissionen eine notwendige Klimaschutztechnologie sind, um das 1,5 Grad-Ziel einzuhalten. Zuletzt hatten der Industrieverband BDI und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gemeinsam mit den Umweltgruppen WWF und Nabu von der Bundesregierung gefordert, CCS im Meeresboden oder an Land zuzulassen und eine Carbon Management-Strategie zu entwickeln. Nun zieht die Bundesregierung nach und ebnet den Weg zur Etablierung einer seit langem umstrittenen Technologie. Nachfolgend zeigen wir die zentralen Aspekte des Eckpunktepapiers auf und stellen den Rechtsrahmen dar, auf den sich Unternehmen nun einstellen müssen.

1. Anwendungsgebiete für CCS und CCU

Das Eckpunktepapier stellt klar, dass die Vermeidung von Emissionen übergeordnetes Ziel bleibt. CCS und CCU sollen als Instrumente zur CO2-Neutralisierung dort eingesetzt werden, wo Emissionen nur schwer oder nicht anderweitig vermieden werden können. Genannt werden hier insbesondere die Zement- und Kalkindustrie, Bereiche der Grundstoffchemie und die Abfallverbrennung. Hintergrund ist, dass die Kapazitäten für CCS und CCU auch nach der nun angestrebten Entwicklung knapp bleiben werden. Ein Verbot, andere Emissionen (mit Ausnahme der Emissionen aus der Kohle-Verstromung) per CCS und CCU zu neutralisieren, dürfte darin freilich nicht zu sehen sein. Es ist also mitunter ein harter Wettbewerb um die dann verfügbaren Kapazitäten zu erwarten.

So soll die Anwendung von CCS und CCU im Sinne eines technologieoffenen Übergangs zu einem klimaneutralen Stromsystem auch für Verstromungsanlagen mit gasförmigen Energieträgern und Biomasse ermöglicht werden. Betreiber von Gaskraftwerken dürften also ebenfalls versuchen, ihre Emissionen durch Nutzung von CCU und CCS zu neutralisieren. Es bleibt jedoch beim Kohleausstieg; für Emissionen aus der Kohle-Verstromung wird der Zugang zu CO2-Pipelines ausgeschlossen.

Zur Beseitigung der momentan bestehenden Hürden für die Anwendung von CCS und CCU in Deutschland wird das Kohlendioxid-Speichergesetz (KSpG) geändert werden müssen, das bislang nur die Erprobung und Demonstration der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid in unterirdischen Gesteinsschichten vorsieht. Der Referentenentwurf sieht nunmehr die Zulassung von Kohlendioxidspeichern im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone bzw. des Festlandsockels vor.

2. Förderung von CCS und CCU

Ein Anreiz zur Nutzung von CCS und CCU soll bereits durch den CO2-Preis entstehen, nämlich dann, wenn die Nutzung der Technologie günstiger ist als die ansonsten zu erwerbenden Emissionszertifikate. Die Bundesregierung geht jedoch aktuell davon aus, dass dieser Anreiz noch nicht ausreichend vorhanden ist. Vorgesehen ist daher die Einführung eines Fördermoduls zu CCS/CCU in der Förderrichtlinie Bundesförderung Industrie und Klimaschutz (FRL BIK), wobei der Schwerpunkt der staatlichen Förderung auf schwer oder nicht vermeidbaren Emissionen liegen soll.

Hieraus wird der Spagat deutlich, in dem sich die Bundesregierung befindet: Einerseits will man die Speicherung von Kohlendioxid zur Erreichung der Klimaneutralität ermöglichen, andererseits soll der Effekt vermieden werden, dass bei den Bemühungen zur Reduktion der CO2-Emissionen nachgelassen wird. Mit dem Ausschluss des Zugangs für Emissionen aus der Kohle-Verstromung wird deutlich, dass die Zulassung von CCS und CCU keine Verlängerung der Braun- und Steinkohleära zur Folge haben wird. Bemerkenswert ist jedoch, dass konventionelle Gaskraftwerke und Biomasseanlagen ausdrücklich zugelassen werden sollen, wenngleich eine Förderung bei Erdgas ausgeschlossen wird. Dies soll der den Gaskraftwerken zugedachten Rolle als Brückentechnologie gerecht werden, gleichwohl birgt es die Gefahr, den Betrieb von Gaskraftwerken noch attraktiver zu machen und damit die Energiewende zu verlangsamen. Der Ausschluss der Förderung soll diesem ungewollten Effekt wohl entgegenwirken.

Damit wird deutlich, dass die Speicherung oder Weiterverwendung von abgeschiedenem CO2 die Bemühungen zur Vermeidung von Emissionen nicht abschwächen, sondern flankieren soll. Gleichzeitig soll der besonders emissionsintensiven Industrie, die keine andere Möglichkeit zur Emissionsreduktion hat, eine dauerhafte Perspektive am Wirtschaftsstandort Deutschland eröffnet werden.

3. Transportinfrastruktur für CO2

Neben dem Bau der CCS/CCU-Anlagen selbst kommt dem Bau von CO2-Pipelines große Bedeutung zu. Diese sollen das abgeschiedene CO2 möglichst effektiv direkt von der Emissionsquelle zur CCS/CCU-Anlage transportieren. Hier eröffnen sich neue Betätigungsfelder für Netzbetreiber. Um mit dem Bau von CO2-Pipelines in privater Trägerschaft innerhalb eines staatlichen Regulierungsrahmens beginnen zu können, soll das KSpG zügig entsprechend der Vorschläge der Bundesregierung im Evaluationsbericht von Ende 2022 aktualisiert und Rechtsunsicherheiten bei der Anwendung des Gesetzes behoben werden. Bislang stehen fehlende und veraltete Verweise in das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) einem erfolgreichen Planfeststellungsverfahren entgegen.

Da andere EU-Länder mit der Installation von CCS-Anlagen bereits weiter fortgeschritten sind, wird auch der Export von CO2 angestrebt. Hierfür wird ebenfalls die nötige Infrastruktur gebaut werden müssen, sodass sich für Netzbetreiber Kooperationsmöglichkeiten mit Betreibern ausländischer CCS-Anlagen ergeben. Hierzu sollen die Änderung des London-Protokolls zur Ermöglichung des CO2-Exports zwecks Offshore-Speicherung ratifiziert und die notwendigen Änderungen am Hohe-See-Einbringungsgesetz vorgenommen werden.

4. Speicherung von CO2

Die Erkundung von Offshore-Speicherstätten in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) bzw. dem Festlandsockel wird gesetzlich ermöglicht. Bei nachgewiesener Standorteignung unter Berücksichtigung von Sicherheitsstandards und ökologischen Kriterien können entsprechende Speicher für die industrielle Nutzung erschlossen werden. Die Injektion von Kohlendioxid in Meeresschutzgebieten wird jedoch ausgeschlossen. Somit erstreckt sich die theoretisch in Frage kommende Fläche auf etwa 57 % der deutschen Meeresfläche Nordsee und etwa 49 % der deutschen Meeresfläche Ostsee.

Da der Meeresraum zugleich für den intensiven Ausbau der Offshore-Windenergieanlagen benötigt wird, wird CCS-Infrastruktur in eine umfassende Meeresraumplanung integriert werden. Dies könnte so ausgestaltet werden, dass geeignete Flächen, die im Wege der Erkundung ausfindig gemacht wurden, sodann in der Meeresraumplanung als CCS-Flächen ausgewiesen werden. Die Genehmigung von CCS-Anlagen wird voraussichtlich im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens inklusive Umweltverträglichkeitsprüfung erteilt werden.

Die dauerhafte Speicherung von CO2 im geologischen Untergrund auf dem Gebiet des deutschen Festlands wird weiterhin nicht ermöglicht. Dies hat zur Folge, dass die bereits angesprochene Transportinfrastruktur für CO2 von den Industrieregionen bis zur Meeresküste gebaut werden muss, was angesichts des nicht geringen logistischen und finanziellen Aufwands die Frage der effizienten Umsetzung aufwirft. Zwar wurde seitens des Bundes die Bereitschaft signalisiert, im KSpG eine gesetzliche Grundlage schaffen, die ein Opt-in einzelner Bundesländer zur Onshore-Speicherung ermöglicht, sofern die Länder dies erbitten. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sich einzelne Bundesländer hier hervortun werden – bislang ist dazu nichts bekannt. Angesichts der gesellschaftlichen Debatten in den vergangenen Jahren erscheint es jedenfalls eher unwahrscheinlich, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas grundlegend ändert.

5. Zusammenfassung und Ausblick

Insgesamt bleibt abzuwarten, mit welchen Einschränkungen die Nutzung von CCS und CCU im Gesetzgebungsverfahren versehen werden wird. Streitpunkte dürften insbesondere die umweltrechtlichen Anforderungen sowie die Einbeziehung von Gaskraftwerken werden. Für Betreiber von Gasnetzen dürfte das Planfeststellungsverfahren mit der vorgesehenen Umweltverträglichkeitsprüfung für den Aufbau von CO2-Pipelines interessant werden. Betreiber von Gaskraftwerken dürften sich trotz der ausgeschlossenen Förderung für den Anschluss an CO2-Pipelines und damit an CCU-Anlagen interessieren. Für die besonders angesprochenen Industrien, deren Emissionen schwer oder nicht vermeidbar sind (Kalk- und Zementproduktion, Abfallwirtschaft, Grundstoffchemie), wird es auf die Ausgestaltung der Förderung ankommen. Bei anderen, nicht geförderten Branchen wird es von der Entwicklung des CO2-Preises im Verhältnis zur Entwicklung der Kosten der CCS/CCU-Technologien sowie dem Ausbau der Kapazitäten abhängen, ob die Inanspruchnahme von CCS/CCU aus ökonomischer Perspektive in Betracht kommt.

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