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Interne Untersuchungen als Ausübung der Überwachungs­pflicht des Aufsichts­rats

25.04.2018

Insbesondere von US-Behörden wurden in der Vergangenheit erhebliche Geldstrafen gegen Unternehmen wegen (angeblicher) Verletzung ihrer Compliance-bezogenen Überwachungspflichten verhängt. Damit einher geht  auch ein relevantes Haftungsrisiko für die Organe und Mitglieder des Unternehmens. In diesem Zusammenhang ist der Aufsichtsrat als das Organ, das die Maßnahmen des Vorstands zu kontrollieren hat, zunehmend in den Fokus geraten.

Vor diesem Hintergrund gehen die Autoren in dem Beitrag „Interne Untersuchungen als Ausübung der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats“ in Die Aktiengesellschaft 2018, S. 257-266 der Frage nach, ob und in welcher Weise der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Überwachungspflicht zur Durchführung einer internen Untersuchung berechtigt bzw. sogar verpflichtet ist, ohne dabei in Konflikt mit der Geschäftsführungsautorität des Vorstands zu geraten. Sie kommen zu folgenden Ergebnissen:

  • Rechtsgrundlagen und Gegenstand der Überwachung: § 111 Abs. 1 AktG normiert die Überwachungskompetenz des Aufsichtsrats und grenzt diese gleichzeitig von der Geschäftsführungskompetenz des Vorstands ab (Trennungsprinzip). Gegenstand der Überwachung stellt die Geschäftsführung des Vorstands dar. Dabei ist allgemein anerkannt, dass nicht die „gesamte“ Geschäftsführung im Sinne des § 77 Abs. 1 AktG umfasst ist, sondern der Aufsichtsrat sich auf die wesentlichen Aspekte der Geschäftsleitung im Sinne des § 76 Abs. 1 AktG zu konzentrieren hat.
  • Ausprägung der Überwachung: Der Aufsichtsrat hat die Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Vorstandshandelns sowie die Einhaltung seiner in § 93 AktG und in Ziff. 4.1 des DCGK normierten Pflichten zu überwachen. Neben dieser passiven Kontrolle normiert das AktG jedoch auch Rechte und Pflichten, die ein aktives Tätigwerden des Aufsichtsrats legitimieren bzw. bedingen. So kann er beispielsweise gem. § 107 Abs.3 Satz 2 AktG einen Prüfungsausschuss zur Überprüfung einer wirksamen Compliance-Struktur im Unternehmen einrichten.
  • Pflicht zur Durchführung einer eigenen internen Untersuchung: Ob und in welcher  Ausprägung der Aufsichtsrat zur Durchführung einer eigenen internen Untersuchung verpflichtet ist, hängt von der möglichen Gefahr für die Gesellschaft in Form von Vermögens- und Reputationseinbußen sowie der Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung ab. Bei einer geringen Gefahr hat der Aufsichtsrat mit dem Vorstand zu kooperieren und dessen Aufklärungstätigkeit zu begleiten. Besteht hingegen eine schwerwiegende Gefahr für die Gesellschaft, beispielsweise in Form von systematischen Korruptions- und Wettbewerbsverstößen, muss der Aufsichtsrat aktiv und eigenständig tätig werden. In besonderen Konstellationen kommt auch eine Ermittlung „am Vorstand vorbei“ in Betracht, etwa wenn der Vorstand es trotz erheblicher Verdachtsmomente unterlässt, eigene Ermittlungen zur Aufklärung möglicher Compliance-Verstöße einzuleiten, der Verdacht systematischer Compliance-Verstöße besteht oder schließlich, wenn der Vorstand selbst in mögliche Pflichtverstöße verwickelt sein könnte. Im Ergebnis wird die „Schwelle“ zum aktiven Tätigwerden des Aufsichtsrats regelmäßig bereits bei Vorliegen eines aus dem Strafrecht bekannten sog. Anfangsverdachts überschritten sein. Bei der Frage, ob der Aufsichtsrat tätig werden muss, kommt ihm kein Ermessensspielraum im Sinne der Business Judgement Rule aus § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zu. Auch wenn der Aufsichtsrat eigene Ermittlungen einleitet, ist entsprechend der gesetzlichen Kompetenzzuweisung weiterhin primär der Vorstand zur Sachverhaltsaufklärung berufen. Die Aufklärungsverantwortung des Vorstandes geht also zu keinem Zeitpunkt auf den Aufsichtsrat über.
  • Modalitäten der Durchführung: Der Aufsichtsrat kann die ihm obliegenden Ermittlungen auf externe Sachverständige, wie z.B. Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer, delegieren. Konkret kommen zur Aufklärung des Sachverhalts verschiedene Instrumentarien in Betracht: Hierzu zählen die ad hoc Berichte des Vorstands gem. § 90 Abs. 3 AktG ebenso wie Befragungen von zuständigen Mitarbeitern durch den Aufsichtsrat. Nur durch ein solches Fragerecht kann eine lückenlose Überwachung des Vorstandshandelns in einer modernen Unternehmensorganisation sichergestellt werden, insbesondere wenn der Vorstand selbst im Verdacht steht, an dem vermeintlichen Compliance-Verstoß beteiligt zu sein. Dogmatisch wird dieses Recht teilweise aus dem Recht zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses gem. § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG oder dem Recht zur Einbindung von Sachverständigen und Auskunftspersonen gem. § 109 Abs. 1 Satz 2 AktG hergeleitet. Überzeugender erscheint, dass ein solches Recht aus der allgemeinen Überwachungskompetenz des Aufsichtsrat aus § 111 Abs. 1 AktG folgt. Denn die Norm umfasst auch solche Entscheidungen des Vorstands, die sich auf untergeordnete Mitarbeiterebenen beziehen. Schließlich kann der Aufsichtsrat zur Sachverhaltsaufklärung auch ein E-Mail-Screening durchführen bzw. durchführen lassen. Während er zu einem E-Mail-Screening bei Vorstandsmitgliedern ohne weiteres berechtigt ist, muss er beim E-Mail-Screening von Mitarbeitern mit dem Vorstand kooperieren und darf nur in Ausnahmefällen, insbesondere bei einer schwerwiegenden Gefahr für die Gesellschaft, eigenständig vorgehen.

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