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Klimaschutz­verträge – erstes Gebots­verfahren bereits 2023 und neue FAQ des BMWK

03.08.2023

Das erste vorbereitende Verfahren für die „Förderung von klimaneutralen Produktionsverfahren in der Industrie durch Klimaschutzverträge des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)“ ist bereits am 06.06.2023 gestartet. Unternehmen aus energieintensiven Branchen können sich noch bis zum 07.08.2023 an diesem vorbereitenden Verfahren beteiligen. Am gestrigen Mittwoch, 02.08.2023, hat das BMWK noch einmal umfangreiche FAQ veröffentlicht, die für interessierte Unternehmen weiterführende Informationen zum vorbereitenden Verfahren und zur späteren Förderung durch Klimaschutzverträge enthalten. Unternehmen, die das erste vorbereitende Verfahren nicht durchlaufen, sind im ersten Gebotsverfahren für Klimaschutzverträge ausgeschlossen. An einem späteren, neuen vorbereitenden Verfahren und Gebotsverfahren könnten sich aber wiederum alle antragsberechtigen Unternehmen beteiligen.

A. Hintergrund

Nach dem Bundesklimaschutzgesetz muss bis zum Jahr 2045 Klimaneutralität erreicht werden. Die nationalen Klimaziele stellen die Industrie vor große Herausforderungen. Emissionen des Industriesektors machen derzeit noch rund ein Fünftel der nationalen Emissionen aus. Obwohl alternative Produktionsverfahren bereits möglich sind, vermeiden Unternehmen die Umstellung auf klimafreundliche Produktionsverfahren bislang vielfach aus Kostengründen und zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen; klimafreundliche Produktionsverfahren sind gegenwärtig häufig noch nicht rentabel.

Um die Dekarbonisierung der Industrie voranzutreiben, will das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit Unternehmen energieintensiver Branchen sog. Klimaschutzverträge schließen und hat hierzu den Entwurf einer Förderrichtlinie („Richtlinie zur Förderung von klimaneutralen Produktionsverfahren in der Industrie durch Klimaschutzverträge) vorgelegt. Mit Klimaschutzverträgen sollen durch die unmittelbar zielgerichtete Förderung klimafreundlicher Anlagen, Mehrkosten von klimafreundlichen Anlagen ausgeglichen und Risiken von Preisschwankungen, etwa des CO2-und Wasserstoff-Preises, abgefedert werden.

B. Zielsetzung

Das Instrument der Klimaschutzverträge verfolgt zweierlei Ziele: Durch die Produkte klimafreundlicher Anlagen sollen grüne Leitmärkte und Know-How zu Finanzierung, Bau und Betrieb von klimafreundlichen Anlagen entstehen. Die Transformation zu einer klimafreundlichen Industrie soll nicht durch Klimaschutzverträge finanziert werden, Klimaschutzverträge sollen als Anschubfinanzierung für die Transformation der Industrie dienen und insbesondere auch den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland vorantreiben.

C. Was sind Klimaschutzverträge?

Über Klimaschutzverträge werden Errichtung und Betrieb transformativer Produktionsverfahren großer Industrieanlagen in emissionsintensiven Branchen gefördert, insbesondere Unternehmen in Stahl-, Zement- und Glasproduktion.

Klimaschutzverträge sind „Carbon Contracts for Difference“, also CO2-Differenzverträgen nachempfunden.

Grundlage ist der Gebotspreis (nach Bezuschlagung: „(Basis-)Vertragspreis“), der die Mehrkosten für eine klimafreundliche Anlage im Vergleich zu einer konventionellen Anlage widerspiegelt und in Euro pro vermiedener Tonne CO2-Äquivalent berechnet wird. Die vermiedenen THG-Emissionen werden aus der Differenz der verbleibenden Emissionen des Vorhabens und den Emissionen des für das Vorhaben festgelegten Referenzsystems bestimmt. Die Referenzsysteme der Klimaschutzverträge basieren auf den im European Union Emissions Trading Systems (ETS) regulierten Produkten.

Den Gebotspreis bietet das Unternehmen an. Bei der Berechnung des Gebotspreises werden bereits grüne Mehrerlöse und anderweitige Förderungen berücksichtigt. Von dem Gebotspreis wird der effektive CO2-Preis, also derjenige Preis, der durch CO2-Zertifikatehandel erzielt werden kann, abgezogen. (Der effektive CO2-Preis wird aus der Differenz Nettokosten der nicht von kostenlosen Zuteilungen abgedeckten THG-Emissionen der konventionellen Produktion des Referenzsystems, für die CO2-Zertifikate erworben werden müssten und den Nettoerlösen des Vorhabens im Rahmen des EU-Emissionshandels infolge der Veräußerung der freien und nicht genutzten Zuteilung von Zertifikaten am Markt berechnet). Die Differenz zwischen (Basis-)Vertragspreis und effektivem CO2-Preis wird durch die im Rahmen des Klimaschutzvertrages geleistete Zuwendung ausgeglichen.

Um die Risiken der Preisentwicklung für Unternehmen abzufedern, ist eine Dynamisierung des Vertragspreises vorgesehen. D.h. der Vertragspreis wird an die reale Entwicklung der Marktpreise angepasst: Liegt der Marktpreis für CO2 unter den Kosten für die CO2-Vermeidung, erhält das Unternehmen eine Förderung. Das Unternehmen erhält also mindestens den vereinbarten Vertragspreis. Auf diese Weise werden sowohl Preisschwankungen bzw. -entwicklungen für vermiedene fossile Energien aufgefangen und Unternehmen vor unvorhergesehenen Preissteigerungen für die an deren Stelle eingesetzten klimafreundlichen Energien (z.B. Wasserstoff oder Wasserstoffderivate) geschützt.

Liegt der CO2-Preis über den CO2-Vermeidungskosten, endet die Förderung und die Zuwendung wandelt sich in eine Zahlungspflicht des Unternehmens an den Staat. Hierdurch soll eine Belastung des Haushalts bzw. eine Überförderung klimafreundlicher Anlagen verhindert werden.

Diese Dynamisierung führt zum einen dazu, dass Emissionen der Industrie bereits jetzt verringert werden und nicht ins Ausland verlagert werden. Zum anderen werden grüne Mehrerlöse berücksichtigt.

D. Laufzeit

Klimaschutzverträge sollen mit einer Laufzeit von 15 Jahren abgeschlossen werden. Die Vertragslaufzeit beginnt mit dem operativen Beginn des Vorhabens, im Grundsatz aber spätestens 36 Monate nach Bestandskraft des Zuwendungsbescheids. Ist das grüne Produkt preissetzend geworden, kann der Klimaschutzvertrag vorzeitig beendet werden.

E. Antragsberechtigung

Antragsberechtigt sind Unternehmen und Kommunen, kommunale Eigenbetriebe, kommunale Unternehmen und kommunale Zweckverbände, soweit diese wirtschaftlich tätig sind.

F. Mindestanforderungen

  • Das Vorhaben muss eine Mindestgröße der absoluten durchschnittlichen jährlichen Treibhausgasemissionen von 10 kt CO2-Äquivalenten pro Jahr im Referenzsystem aufweisen. Unternehmen, die kleinere Anlagen betreiben, können sich zu einem Konsortium zusammenschließen; hierdurch wird auch kleineren Unternehmen eine Beteiligung ermöglicht. Weiterhin ist es nicht erforderlich, dass sich das Unternehmen bereits am ETS-Handel beteiligt, nur die für das Projekt maßgebliche Referenzanlage müsste dem ETS unterliegen.
  • Die relative Treibhausgasminderung muss gegenüber dem Referenzsystem spätestens ab dem dritten Jahr nach operativem Beginn des Vorhabens 60% betragen.
  • Eine relative Treibhausgasemissionsminderung von mindestens 90 % gegenüber dem Referenzsystem muss mit den verwendeten Technologien bei Einsatz entsprechender Energieträger und Rohstoffe innerhalb der Laufzeit des Klimaschutzvertrags technisch möglich sein und im letzten Jahr der Laufzeit des Klimaschutzvertrags erreicht werden („Zugangskriterium Klimaneutralität“).
  • Vorhaben mit einer gesamten Fördersumme von mind. 15 Mio. €.
  • Der verwendete Industriestrom muss vollständig aus erneuerbaren Energien stammen; wird Wasserstoff verwendet, müssen die Treibhausgasemissionen um 73% geringer sein als in Produktionen mit fossiler Energie. Der verwendete Wasserstoff muss die Kriterien der EU-Taxonomie erfüllen; grüner Wasserstoff kann durch höhere Zuwendungen gefördert werden als blauer Wasserstoff; letzterer ist nur dann förderfähig, wenn bei dessen Herstellung nur geringe Emissionen anfallen. Ebenfalls können Wasserstoffderivate eingesetzt werden und Klimaschutzverträge einen (ansteigenden) Mindesteinsatz von Wasserstoff vorsehen.

G. Ablauf des Gebotsverfahrens und Zuschlagskriterien

Klimaschutzverträge werden durch Gebotsverfahren vergeben, denen ein Förderaufruf vorausgeht. Die Fördergelder werden als Zuschüsse gewährt.

Die Gebote werden zu 80% anhand ihrer Förderkosteneffizienz und zu 20% anhand ihrer relativen Treibhausgasemissionsminderung in den ersten fünf Jahren nach operativem Beginn des Vorhabens gewichtet. Das bedeutet, die Klimaschutzverträge werden im wettbewerblichen Verfahren an diejenigen Unternehmen vergeben, die die Umstellung der Produktion mit den geringsten Kosten erreichen können. Aus diesen Kosten wird der Vertragspreis, also die Höhe des Zuschusses, ermittelt.

Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der CDU/CSU Fraktion hervorgeht (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage – Nr. 20/7297) und den FAQ hervorgeht, sind circa fünf Gebotsverfahren geplant. Das erste soll Ende Jahr 2023 durchgeführt werden, zwei weitere sollen in den Jahren 2024 und 2025 stattfinden.

H. Ausblick

Der für das Vorhaben verwendete Strom muss vollständig aus erneuerbaren Energien stammen und die Gebotsverfahren können auf bestimmte Technologien oder Sektoren begrenzt werden (begrenztes Gebotsverfahren). Ob bereits das erste Gebotsverfahren auf bestimmte Technologien und Branchen begrenzt sein wird, ist noch unklar. Gemäß den gestern veröffentlichten FAQ wird das BMWK dies gemeinsam mit der EU-Kommission auf Grundlage der im vorbereitenden Verfahren eingegangenen Informationen entscheiden. Ein begrenztes Gebotsverfahren dürfte den Kreis der antragsberechtigen Unternehmen u.U. nachträglich verkleinern und könnte ggf. zu einem Preisanstieg der Herkunftsnachweise für Strom aus erneuerbaren Energien führen.

Klimaschutzverträge sind nicht nur Hedging-Verträgen als derivative Risikoabsicherungsinstrumente nachempfunden, sondern sind in Form des gewährten Vertragspreises, Beihilfen. Das Förderinstrument „Klimaschutzverträge“ ist daher durch die EU-Kommission zu notifizieren; die Notifizierung des Förderprogramms steht noch aus. Zum laufenden Notifizierungsverfahren hat die Bundesregierung zuletzt keine Stellungnahme abgegeben.

Es ist davon auszugehen, dass die Kommission das Förderinstrument genehmigen wird; in anderen Mitgliedstaaten, bspw. den Niederlanden, existieren bereits ähnliche Programme. Entsprechend geht das BMWK davon aus, das erste Gebotsverfahren noch im Jahre 2023 durchführen zu können.

Unternehmen sind verpflichtet, das vorbereitende Verfahren zu durchlaufen, um später am Gebotsverfahren teilnehmen zu können. Unternehmen, die nicht am vorbereitenden Verfahren teilgenommen haben, sollen im späteren Gebotsverfahren formell präkludiert sein. Im laufenden vorbereitenden Verfahren können weiterhin Fragen zum Gebotsverfahren gestellt werden; Abgabefrist für die Einreichung der im vorbereitenden Verfahren geforderten Informationen und Unterlagen ist der 07.08.2023. Auf seiner Website hat das BMWK die entsprechenden Formulare, ein Vertragsmuster und weiterführende Hinweise veröffentlicht. Die im vorbereitenden Verfahren übermittelten Informationen will das BMWK bei der Ausgestaltung des ersten Gebotsverfahrens berücksichtigen. Unternehmen ist daher eine kurzfristige Beteiligung am vorbereitenden Verfahren anzuraten, um das spätere Gebotsverfahren noch mitzugestalten.

Die Teilnahme am vorbereitenden Verfahren ist nur für die Teilnahme am ersten Gebotsverfahren verpflichtend. Ob für die folgenden Gebotsverfahren auch ein vorbereitendes Verfahren vorgeschrieben wird, steht gemäß den neu veröffentlichten FAQ noch nicht fest. Eine Teilnahme an späteren Gebotsverfahren bleibt für alle Unternehmen möglich, die im ersten Gebotsverfahren präkludiert sind.

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