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LG Köln zum Insolvenz­ausschluss in der D&O-Versicherung

31.03.2023

Deckungsrechtliche Auseinandersetzungen in der Insolvenz der Versicherungsnehmerin spielen in der anwaltlichen Beratungspraxis an der Schnittstelle von D&O-Versicherung, Organhaftung und Insolvenzrecht eine zunehmend gewichtige Rolle.

Nachdem der für das Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 18.11.2020 mit überzeugender Begründung die bis dahin umstrittene Frage entschieden hat, dass Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Geschäftsführer auf Ersatz von nach Eintritt der Insolvenzreife geleisteter Zahlungen (vgl. jetzt § 15b Abs. 4 InsO) einen gesetzlichen Schadensersatzanspruch im Sinne der marktüblichen D&O-Versicherungsbedingungen darstellen, liegt ein Fokus deckungsrechtlicher Auseinandersetzungen heute bei der Frage, ob dem Organmitglied im konkreten Fall eine wissentliche Pflichtverletzung im Hinblick auf eine verspätete Insolvenzantragsstellung vorzuwerfen ist (hierzu etwa OLG Köln, Urt. v. 16.11.2021 – 9 U 253/20). Diese Frage wird dabei regelmäßig erst dann relevant, wenn das Organmitglied oder die Gesellschaft (aus abgetretenem Recht) vom D&O-Versicherer Freistellung wegen der geltend gemachten Ansprüche verlangt. Im Rahmen der Abwehrdeckung besteht in der Regel nämlich zumindest vorläufiger Deckungsschutz des versicherten Organmitglieds bis zur rechtskräftigen Feststellung einer wissentlichen Pflichtverletzung.

Bisweilen enthalten D&O-Versicherungsverträge allerdings auch sog. Insolvenzausschlussklauseln. Diese Klauseln sehen eine Leistungsfreiheit des Versicherers für bestimmte Pflichtverletzungen vor, die nach Eintritt der Insolvenzreife begangen worden sind oder die jedenfalls in Zusammenhang mit einer verspäteten Insolvenzantragsstellung stehen.

In einem von Noerr erstrittenen Urteil hat das Landgericht Köln – soweit ersichtlich – erstmals zur Auslegung eines sog. Insolvenzausschlusses entschieden. Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde.

1. Zum Sachverhalt

Klägerin ist die ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der Insolvenzschuldnerin. Im (noch anhängigen) Schadensersatzprozess macht der Insolvenzverwalter Ansprüche gegen die Klägerin in ihrer Eigenschaft als ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der Insolvenzschuldnerin geltend. Der Insolvenzverwalter behauptet vermeintliche Pflichtverletzungen der Klägerin in Zusammenhang mit der Überwachung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Insolvenzschuldnerin bei Abschluss und Auszahlung eines Darlehens in Höhe von EUR 4,2 Mio. Der Insolvenzverwalter behauptet unter anderem, dass die Auszahlung des Darlehens pflichtwidrig gewesen sei. Der Aufsichtsrat habe es angeblich unterlassen, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Darlehensnehmerin und die Werthaltigkeit der Darlehensrückzahlungsansprüche zu prüfen. Zudem argumentiert der Insolvenzverwalter, dass der Aufsichtsrat es angeblich unterlassen habe, unabhängigen Rechtsrat einzuholen u.a. über die Frage, ob die Versicherungsnehmerin nach ihrer Satzung überhaupt ein Darlehen an die Darlehensnehmerin habe gewähren dürfen. Daneben trägt der Insolvenzverwalter (was die Klägerin bestritten hat) vor, dass die Insolvenzschuldnerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Darlehens bereits zahlungsunfähig gewesen sei. Die Klägerin sowie die mit ihr verklagten Aufsichtsratsmitglieder hätten daher – so der Insolvenzverwalter – ihre Pflichten zur Überwachung des Vorstands bei der rechtzeitigen Insolvenzantragsstellung verletzt. Der D&O-Versicherer nahm den Vorwurf des Insolvenzverwalters zum Anlass, den Aufsichtsratsmitgliedern den Versicherungsschutz für die gegenständliche Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters unter Bezugnahme auf einen im Versicherungsvertrag vereinbarten Insolvenzausschluss zu versagen. Der Insolvenzausschluss lautete auszugsweise wie folgt:

Der Versicherungsschutz erstreckt sich nicht auf Versicherungsfälle, die auf einer Verletzung der Pflicht zur Stellung des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Versicherungsnehmerin oder eines Tochterunternehmens oder auf einer Verletzung der Pflicht zur Überwachung der rechtzeitigen Antragstellung beruhen.“

2. Entscheidung des Landgerichts Köln

Das Landgericht Köln hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, der Klägerin bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren.

Das Landgericht hat die inhaltlichen Voraussetzungen der Insolvenzausschlussklausel im konkreten Fall als nicht erfüllt angesehen. Der Ausschluss greift nach der Entscheidung des Landgerichts Köln nämlich nur unter der Voraussetzung, dass Grundlage der Inanspruchnahme allein die Verletzung der dort genannten Pflicht zur Überwachung der rechtzeitigen Insolvenzantragsstellung ist. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Versicherungsnehmer auch aufgrund einer in den Schutzbereich des Versicherungsvertrags fallenden Pflichtverletzung in Anspruch genommen wird. Der Umstand, dass die Verletzung der Überwachung der Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags auch als Begründung genannt ist, schließt einen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag mithin nicht aus.

Die Kammer verweist in ihrer Begründung auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Konkurrenz versicherter und nicht versicherter Ansprüche und die Folgen auf den Haftpflichtversicherungsschutz (vgl. BGH, Urt. v. 20.12.2006 – IV ZR 325/05, VersR 2007, 200). Dahingehend hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es im Rahmen der sachlichen Umgrenzung des Versicherungsschutzes ausreicht, wenn nur einer von mehreren konkurrierenden Ansprüchen unter das versicherte Risiko fällt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs kommt es nicht einmal darauf an, dass gegen den Versicherungsnehmer gerade der versicherte Anspruch konkret erhoben wird. Der Bundesgerichtshof begründet seine Sichtweise mit der zutreffenden Schlussfolgerung, dass der Versicherungsschutz letztlich lückenhaft und von Zufälligkeiten abhängig wäre, wenn die Deckung ausschließlich davon abhängen würde, auf welche rechtliche Grundlage der Dritte seine vermeintlichen Ansprüche stützt.

Bemerkenswert ist zudem, dass das Landgericht Köln die Frage, ob die gegenständliche Insolvenzausschlussklausel dem AGB-rechtlichen Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) genügt letztlich offen gelassen hat. Das gleiche gilt für die Frage, ob der Ausschluss bereits deshalb nicht greift, weil er mit Wirkung zu einem Zeitpunkt vereinbart wurde, in dem die in Rede stehenden Pflichtverletzungen bereits begangen wurden.

3. Folgen der Entscheidung

Die Entscheidung des Landgerichts Köln zur Auslegung der Insolvenzausschlussklausel liegt nicht nur auf einer Linie mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Haftpflichtversicherungsschutz bei Konkurrenz versicherter und nicht versicherter Ansprüche, sondern trägt auch dem bei der Auslegung von Risikoausschlüssen in Allgemeinen Versicherungsbedingungen nach ständiger Rechtsprechung anzuwendenden Restriktionsprinzip Rechnung. Die von der Kammer letztlich offen gelassenen Rechtsfragen zur (In-)Transparenz der Insolvenzausschlussklausel sowie der zeitlichen Anwendung des Risikoausschlusses bieten Angriffspunkte und Verhandlungsspielräume auch für künftige Deckungsauseinandersetzungen. Für die betroffenen Organmitglieder kann es existentiell sein, wenn ein Versicherer mit rechtsfehlerhafter Begründung den vertraglich zugesagten Versicherungsschutz versagt. Für den Versicherer bleibt das vertragswidrige Verhalten, abgesehen von einer erstinstanzlich festgestellten Leistungspflicht dagegen (häufig) sanktionslos.