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Neue Regeln für den Aufsichtsrat – Abschluss­prüfungs­reform­gesetz (AReG) verabschiedet

29.03.2016

Der Bundestag hat am 17. März 2016 in zweiter und dritter Lesung das Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG) in der Fassung der Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz verabschiedet. Eine Zustimmung des Bundesrats ist nicht erforderlich. Das Gesetz dient der Umsetzung der prüfungsbezogenen Regelungen der überarbeiteten EU-Abschlussprüferrichtlinie 2014/56/EU sowie der Ausführung der entsprechenden Vorgaben der EU-Abschlussprüferverordnung Nr. 537/2014. Die beiden vorgenannten EU-Rechtsakte sind am 16. Juni 2014 in Kraft getreten. Die überarbeitete EU-Abschlussprüferrichtlinie muss bis spätestens 17. Juni 2016 in nationales Recht umgesetzt werden. Ab diesem Zeitpunkt sind auch die meisten Regelungen der EU-Abschlussprüferverordnung anwendbar. Die neuen Vorschriften werden für kapitalmarktorientierte Unternehmen (d.h. insbesondere börsennotierte Aktiengesellschaften) sowie für Banken und Versicherungen gelten.

Neben verschärften Vorgaben für die Durchführung der Abschlussprüfung, die künftig u.a. eine Pflicht zur (externen) Rotation des Abschlussprüfers vorschreiben, sieht das AReG auch für die Besetzung und die Aufgaben der Aufsichtsräte folgende wichtige Neuerungen vor:

Wegfall des gesetzlichen Gebots der Unabhängigkeit des Finanzexperten

Für kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaften verlangt § 100 Abs. 5 AktG bislang, das mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügt (Finanzexperte) und unabhängig ist. Hat ein solcher Aufsichtsrat einen Prüfungsausschuss eingerichtet, so muss mindestens ein Mitglied des Prüfungsausschusses diese Anforderungen erfüllen (§ 107 Abs. 4 AktG).

Diese gesetzliche Unabhängigkeitsanforderung an den Finanzexperten im Aufsichtsrat bzw. Prüfungsausschuss entfällt künftig. Nach Artikel 39 Abs. 5 der EU-Abschlussprüferrichtlinie wird nicht länger verlangt, dass mindestens ein Mitglied des Prüfungsausschusses unabhängig sein muss, wenn alle Mitglieder des Prüfungsausschusses Mitglieder des Aufsichtsrats sind. In diesem Fall können die Mitgliedstaaten auf gesetzliche Regelungen zur Unabhängigkeit vollständig verzichten. Der deutsche Gesetzgeber macht hiervon Gebrauch und betont ausdrücklich, dass die im dualistischen Corporate Governance System des deutschen Rechts verankerte, institutionelle Trennung zwischen dem Aufsichtsrat bzw. Prüfungsausschuss und dem Vorstand bzw. der Geschäftsführung bereits ein "allgemein hohes Maß an Unabhängigkeit" gewährleiste. Für die Praxis vermeidet dieser Federstrich des Gesetzgebers künftig jedenfalls die bestehende Rechtsunsicherheit bei der Auslegung des aktienrechtlich nicht näher definierten Unabhängigkeitsbegriffs.

Die weiterreichenden Unabhängigkeitsanforderungen in Ziff. 5.4.2 Satz 2 des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) bleiben jedoch weiter zu beachten. Diese gelten für die Entsprechung der Kodex-Empfehlungen in Ziff. 5.4.2 Satz 1 und 5.3.2 Satz 3 DCGK, wonach dem Aufsichtsrat eine nach seiner Einschätzung angemessene Anzahl unabhängiger Mitglieder angehören und der Vorsitzende des Prüfungsausschusses unabhängig sein soll.

Erweitertes Anforderungsprofil: Sektorkompetenz in Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss

Die Anforderungen an die fachliche Qualifikation des Aufsichtsrats und des Prüfungsausschusses werden in § 100 Abs. 5 AktG n.F. bzw. § 107 Abs. 4 AktG n.F. erweitert. Erforderlich ist künftig, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats und des Prüfungsausschusses jeweils in ihrer Gesamtheit mit dem Sektor, in dem die Gesellschaft tätig ist, vertraut sein müssen. Dies beruht auf der entsprechenden Vorgabe in Artikel 39 Abs. 1 UAbs. 3 der überarbeiteten EU-Abschlussprüferrichtlinie. Die Zusatzqualifikation muss nicht von jedem einzelnen Mitglied des Aufsichtsrats, sondern vom Gesamtgremium erfüllt werden. Nach der Gesetzesbegründung ist nicht erforderlich, dass jedes Mitglied des Aufsichtsrats im Vorfeld seiner Bestellung praktische Erfahrung oder Kenntnisse in dem betreffenden Sektor gesammelt hat. Die notwendige Vertrautheit mit dem Geschäftsfeld der Gesellschaft könne etwa auch dann gegeben sein, wenn einzelne Mitglieder durch intensive Weiterbildungen Sektorkenntnisse erworben oder im Beteiligungsmanagement bzw. langjährig als Angehörige der beratenden Berufe einen tiefgehenden Einblick in den entsprechenden Sektor gewonnen haben.

Die neuen Besetzungsregeln müssen solange noch nicht angewandt werden, wie alle Mitglieder des Aufsichtsrats und des Prüfungsausschusses vor dem 17. Juni 2016 bestellt worden sind (§ 12 Abs. 5 EGAktG n.F.). Die Gesetzesänderung soll daher nicht dazu führen, dass wirksam bestellte Mitglieder des Aufsichtsrats vorzeitig ausgetauscht werden müssen, sondern ist erst bei der nächsten Nach- oder Neubestellung eines Mitglieds zu beachten. Börsennotierte Gesellschaften, die am oder nach dem 17. Juni 2016 Wahlen zum Aufsichtsrat durchzuführen haben, werden die Regeln damit aber noch in der laufenden Hauptversammlungssaison berücksichtigen müssen. Wenn ein bereits bestelltes Ersatzmitglied ab dem 17. Juni 2016 in den Aufsichtsrat nachrückt, löst dies nach der Gesetzesbegründung hingegen noch keine Pflicht zur Anwendung der neuen Vorgaben aus.

Erweiterte Aufgaben für Aufsichtsrat bzw. Prüfungsausschuss

Die gesetzlichen Aufgaben von Aufsichtsrat bzw. Prüfungsausschuss werden wie folgt erweitert:

  • Der Prüfungsausschuss oder, falls ein solcher nicht eingerichtet ist, der Aufsichtsrat müssen der Erbringung von weiterhin in bestimmtem Umfang zulässigen Steuerberatungsleistungen durch den Abschlussprüfer vorher zustimmen (§ 319a Abs. 3 HGB n.F.). Sie erhalten damit eine stärkere Verantwortung bei der Vergabe solcher Steuerberatungsleistungen an den Abschlussprüfer.
  • Lediglich eine Klarstellung und keine Neuerung für die Praxis enthält § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG n.F., wonach sich der Prüfungsausschuss nicht nur mit der Unabhängigkeit, sondern auch mit der Auswahl des Abschlussprüfers befasst. Die Erarbeitung eines Vorschlags für die Wahl des Abschlussprüfers zählte zwar schon bisher zu den Aufgaben des Prüfungsausschusses. Diese Aufgabe war allerdings nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt, sondern nur insoweit vorausgesetzt, als nach § 124 Abs. 3 Satz 2 AktG der Aufsichtsrat seinen Vorschlag zur Wahl des Abschlussprüfers auf die Empfehlung des Prüfungsausschusses zu stützen hat. Die Anforderungen an die Überwachung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers sowie an dessen Auswahl wachsen jedoch künftig insofern, als der gesetzliche Rahmen hierfür in der EU-Abschlussprüferverordnung und im HGB wesentlich komplexer und umfangreicher geregelt wird.
  • § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG n.F. räumt dem Prüfungsausschuss künftig die Kompetenz ein, Empfehlungen oder Vorschläge zur Gewährleistung der Integrität des Rechnungslegungsprozesses zu unterbreiten.
  • Der Regierungsentwurf hatte für den Fall, dass der Aufsichtsrat die Aufgaben des Prüfungsausschusses wahrnimmt, in § 171 Abs. 2 AktG-E noch eine Erweiterung der Berichtspflichten vorgesehen. Danach hätte der Aufsichtsrat der Hauptversammlung darlegen müssen, wie die Prüfung durch den Abschlussprüfer sowie die Befassung des Aufsichtsrats mit der Abschlussprüfung dazu beigetragen hat, dass die Rechnungslegung ordnungsgemäß ist. Nach Kritik in der Sachverständigenanhörung war diese zusätzliche Berichterstattungspflicht in der Beschlussempfehlung des Ausschusses wieder entfallen. Sie war auch nach der überarbeiteten EU-Abschlussprüferrichtlinie nicht gefordert.

Erweiterte Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände

Für Fälle der Verletzung von abschlussprüfungsbezogenen Pflichten durch Mitglieder des Aufsichtsrats und des Prüfungsausschusses werden in §§ 404a, 405 Abs. 3b bis 3d AktG n.F. spezielle Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände normiert. Bußgeldentscheidungen bzw. rechtskräftige Strafurteile werden zudem auf der Internetseite der Abschlussprüferaufsichtsstelle veröffentlicht. Die Veröffentlichung soll Informationen zu Art und Charakter des Verstoßes enthalten, personenbezogene Daten dürfen nicht publiziert werden.

Mit der Erweiterung der Aufgaben sowie der verschärften Sanktionierung wird der abschlussprüfungsbezogenen Tätigkeit von Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss in der Praxis künftig eine noch stärkere Bedeutung zukommen.

Kapitalmarktrecht

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