Online-Apotheken und Preisbindung: Schlussanträge zur EuGH-Vorlage veröffentlicht
Anlässlich einer Vorlage des OLG Düsseldorf befasst sich der EUGH derzeit mit der Frage, ob die deutsche Arzneimittelpreisbindung im Einklang mit europäischem Recht steht. Die heute veröffentlichten Schlussanträge des Generalanwalts Maciej Szpunar beantworten diese Frage mit einem deutlichen Nein. Die deutsche Arzneimittelpreisbindung wankt.
Hintergrund
Gegenstand des dem Vorlagebeschluss zugrundeliegenden Rechtstreits ist eine Werbung des Deutsche Parkinson Vereinigung e.V. für ein Bonussystem der niederländischen Versandapotheke DocMorris. Der Kläger, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., hielt das beworbene Bonussystem für unvereinbar mit dem deutschen Preisbindungsrecht und wollte dem beklagten Verein die Werbung dafür untersagen lassen.
Nach aktueller Rechtslage sind Apotheken in Deutschland bei der Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel an die festgesetzten einheitlichen Abgabepreise gebunden; Rabatte sind unzulässig. Diese Vorgaben gelten gleichermaßen für inländische Apotheken als auch für ausländische Onlineapotheken, die Arzneimittel an deutsche Verbraucher abgegeben. Mit der Frage, ob diese Bindung an den einheitlichen Abgabepreis eine Beeinträchtigung der innerhalb der EU geltenden Warenverkehrsfreiheit darstellt, hatte sich zuvor bereits der Gemeinsame Senat der Oberen Gerichtshöfe des Bundes befasst und mit Beschluss vom 22.08.2012 einen Verstoß gegen EU-Recht verneint.
Ergebnis veröffentlichter Schlussanträge
Der Generalanwalt Maciej Szpunar sieht dies nun offenbar anders. Im Rahmen seiner heute veröffentlichten Schlussanträge führt er aus, dass es sich bei den deutschen Preisbindungsvorschriften zwar um bloße Verkaufsmodalitäten handele. Diese würden aber außerhalb Deutschlands ansässige Apotheken deutlich stärker beeinträchtigen als Apotheken in Deutschland und stellten daher eine indirekte Diskriminierung dar, welche einer Rechtfertigung bedürfe.
Eine solche Rechtfertigung, insbesondere aus Gründen des Gesundheitsschutzes, hält der Generalanwalt für nicht ausreichend dargetan. Mit Blick auf das Argument des deutschen Gesetzgebers, mit den Preisbindungsvorschriften eine gleichmäßige Versorgung mit Arzneimitteln sicherstellen zu wollen, führt der Generalanwalt aus, dass er die hier in Rede stehende Maßnahme, nämlich Preisbindung, für die Erreichung dieses Ziel schon nicht für geeignet halte. Die Notversorgung mit Arzneimittel sei bereits durch das Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz gewährleistet. Wie die verfahrensgegenständlichen Preisbindungsbestimmungen einen hierüber hinausgehenden Einfluss auf die Sicherstellung der gleichmäßigen Versorgung mit Arzneimitteln haben sollen, sei für ihn nicht erkennbar. Auch auf das Vorsorgeprinzip könne sich der deutsche Gesetzgeber nicht berufen. Die hierfür erforderliche Ungewissheit liege nicht vor, da nicht das Vorhandensein oder das Ausmaß der Gefahr für die menschliche Gesundheit an sich ungewiss seien, sondern lediglich die Funktionsfähigkeit bzw. Wirksamkeit der zur Beseitigung der Gefahr vorgesehenen Maßnahme.
Bewertung
Die Ausführungen des Generalanwalts sind für den EUGH nicht bindend. Dass das Gericht letztendlich anders entscheidet als vom Generalanwalt vorgeschlagen, ist durchaus denkbar und war in anderen Verfahren in der Vergangenheit auch schon der Fall. Gleichwohl stellen die Schlussanträge einen gewissen Fingerzeig mit Blick auf die ausstehende Entscheidung des EuGH dar, die nun mit Spannung erwartet wird. Entscheidet der EuGH tatsächlich im Sinne des Generalanwalts, dürfte dies der deutschen Arzneimittelpreisbindung in ihrer jetzigen Ausgestaltung den Boden entziehen.
Bestens
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